Lohnt sich die Ökomilcherzeugung?

Ökologisch erzeugte Produkte liegen im Verbrauchertrend und erfreuen sich steigender Nachfrage. Die aktuellen Aktivitäten und Verträge des Lebensmitteleinzelhandels lassen stabile Erzeugerpreise erwarten, während konventionelle Milch eine Milchpreismisere durchlebt. Lohnt sich der Einstieg in die ökologische Milcherzeugung?

Preisvorsprung von über 17 ct/kg für Ökomilch

Linien- und SäulendiagrammZoombild vorhanden

Abbildung 1: Milchpreisvergleich ökologisch / konventionell

Die derzeitigen Milchpreise für konventionell erzeugte und vermarktete Milch unter 30 ct/kg sind kein Signal, um in neue Ställe zu investieren und eine ausreichende Rendite bei konventioneller Milcherzeugung zu erwarten. Entsprechend wagen immer mehr Betriebsleiter den Blick in das ökologische Segment, in dem sich Milchpreise deutlich über der 40-ct-Marke etabliert haben. Je nach Zeitbezug und zugrundeliegenden Inhaltsstoffen hat der Preisvorteil im Herbst 2015 die 17-ct-Marke übersprungen (siehe Abbildung 1 und Tabelle 1). Dies ist ein Vorsprung, den die Ökomilch nicht einmal in den sehr guten Jahren 2008 und 2009 verbuchen konnte. In der mehrjährigen Betrachtung (der Buchführungsergebnisse) war Ökomilch zwischen 6 und gut 11 ct/kg teurer im Verkauf als konventionell erzeugte.
Trotz der deutlichen Empfehlung, dass die Situation im Herbst 2015 nicht allein die weitreichende Entscheidung für den Wechsel der Bewirtschaftungsform bestimmen sollte, lohnt es sich, sich die Wettbewerbsfähigkeit ökologischer Milcherzeugung genauer zu betrachten.

Bessere Preise, aber auch höhere Kosten und Auflagen

In der Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit ist der alleinige Blick auf die Milchpreise zu kurzsichtig. Ökologische Milcherzeugung ist in der Regel deutlich weniger intensiv im Kraftfuttereinsatz und in der Milchleistung und hat größere Restriktionen im Bereich der Futterwirtschaft (u.a. Mineraldüngereinsatz, Pflanzenschutz). Damit ergeben sich in vielen Betrieben auch deutliche Veränderungen in der Fruchtfolge (Einbau von Kleegras, Reduzierung von Silomais), die auch den Nährstoffkreislauf dauerhaft verändern. Der Flächenbedarf je Kuh bzw. Großvieheinheit (GV) steigt erfahrungsgemäß an. Auch bei der Haltung (u.a. Auslauf/Weide, Platz je Tier) und im Herdenmanagement (u.a. Antibiotikaeinsatz, Trockensteller) beeinflussen die Öko-Auflagen die Betriebsführung und die Ökonomik. Im Zusammenhang mit den Kosten werden auch oft die zusätzlichen Kontrollen bzw. die Verbandsmitgliedschaft in einem ökologischen Anbauverband genannt. Abgesehen davon, dass es zumindest im Bayerischen Kulturlandschaftsprogramm ein Kontrollkostenzuschuss gibt, ist dieser Kostenpunkt weniger ökonomisch als vielmehr psychologisch zu bewerten. Mit der Entscheidung für ökologischen Landbau geht der Betrieb ein schärferes Auflagenniveau ein. Für den umstellungswilligen Einzelbetrieb geht folglich kein Weg an einer individuellen Kalkulation und Bewertung der Konsequenzen vorbei.

Deckungsbeitrag bei Ökomilch ist überdurchschnittlich

Der Deckungsbeitrag (DB) der Milchkuh als erster Gradmesser des Erfolgs in einer Modellrechnung bestätigt aber, dass der durchschnittliche Ökobetrieb mit dem durchschnittlichen konventionellen Betrieb mehr als gut mithalten kann und ihn in den letzten Monaten sogar deutlich überholte. Im Standardbeispiel der Tabelle 1 wuchs der Vorsprung des DB II (nach variablen Grobfutterkosten) von 9 auf 15 ct/kg an. Trotz der um knapp 1.300 kg/Kuh geringeren Milchleistung (Basis LKV-Ergebnisse) vergrößerte sich auch der Vorsprung des DB II je Kuh von 300 € (5-Jahresmittel) auf aktuell über 700 € - abgeleitet von Praxisdaten und Erfahrungswerten des LfL-Deckungsbeitrags.
Tabelle 1: Wirtschaftlichkeitsvergleich ökologisch und konventionell erzeugte Milch für verschiedene Zeiträume (Fleckvieh)
Bewirtschaftungsform u. Zeitbezug konv., 5 Jahreöko, 5 Jahrekonv., 12 Monateöko, 12 Monatekonv., Herbst/Winter 2015öko, Herbst/Winter 2015
Milchpreisct/kg37,550,136,552,333,953,5
DB II (Euro je Kuh)€/Kuh1.4131.7391.3541.8821.2461.982
DB II (Cent je kg Milch)ct/kg19,028,118,230,416,732,0
Volkostendeckung ab …ct/kg42,853,742,153,441,452,9
Anmerkungen zu Tabelle 1:
Quelle: LfL Deckungsbeiträge und Kalkulationsdaten, Milchkuhhaltung konventionell und ökologisch
Milchleistung konventionell: 7.451 kg/Kuh, ökologisch: 6.185 kg/Kuh
Vollkostendeckung: ohne entkoppelte Prämie, Stundentlohnung 17,50 €/AKh; Futter mit Vollkostenansatz

Wie hoch sind die umstellungbedingten Kosten?

Für den konventionell wirtschaftenden Betrieb stellen sich aber einige Fragen, deren Beantwortung je nach Situation mehr oder minder hohe Kosten verursacht:

  • Welche baulichen Maßnahmen mit welchen Kosten sind durchzuführen (Laufhof, Erhöhen der verfügbaren Fläche je Kuh etc.)?
  • Mit welchen Kosten ist der höhere Futterflächenbedarf verbunden? Oder muss ich Futter zukaufen?
  • Soll die verkaufte Milchmenge trotz eines Rückgangs der Milchleistung auch nach der Umstellung gleich bleiben? Wenn ja, muss der Betrieb danach mehr Kühe halten und in Kuhplätze investieren. Damit verstärken sich die Konsequenzen aus der ersten und zweiten Frage bezüglich Futterfläche und notwendiger Investitionen. Zusätzlich erhöht sich bei einer Aufstockung in der Regel auch der Arbeitszeitaufwand im Betrieb.
Mit Beantwortung dieser Punkte entscheidet sich im Einzelfall, was von dem höheren DB II in der Ökomilcherzeugung am Ende noch für einen höheren Gewinn oder Unternehmergewinn übrig bleibt. Dies ist auch der entscheidende Punkt der Entwicklungsfähigkeit vor allem kleiner Betriebe bezüglich Fläche und Arbeitsorganisation. Grundsätzlich gilt: Je höher das Leistungsniveau in der Ausgangssituation (sowohl Milchleistung als auch Erträge in der Außenwirtschaft), umso größer sind die umstellungsbedingten Kosten. Je mehr sich die betriebliche Strategie bisher bereits an hoher Grundfutterleistung (v.a. Grünland, Kleegras), sehr effektivem Kraftfuttereinsatz und hohem Platzangebot für das Tier (u.a. Laufhof, Vermeidung von Überbelegung) orientiert hat, umso kleiner sind die zu kalkulierenden Umstellungskosten.

Gewinne höher – Vollkostendeckung als Ziel

Hier lohnt sich der Blick in die Buchführungsstatistik bzw. Vollkostenrechnung. Die Gewinnauswertung in der Buchführung spiegelt die Rentabilität unter Berücksichtigung fester Kosten (Abschreibung, Pachten, Zinsen) und der Prämien in Praxisbetrieben wider. Die spezifischen Ökoprämien - für Neueinsteiger zwei Jahre 350 €/ha, anschließend 273 €/ha - spielen neben der Relation von Leistungen und Kosten in der Milcherzeugung natürlich auch eine wesentliche Rolle.
Im exemplarischen Buchführungsvergleich gleich strukturierter Betriebe (30-50 Kühe, grünlanddominiert) ergeben sich im Mehrjahresmittel Durchschnittsgewinne in Höhe von 1.319 € je "Ökokuh" und 999 € je "konventioneller Kuh" - allerdings betrug hier der Leistungsabstand lediglich 656 kg/Kuh u. Jahr (Abbildung 2). Der Vorsprung von rund 300 €/Gewinn je Kuh in diesen Jahren brachte die Betriebe entsprechend auch näher an das Ziel der Vollkostendeckung. In Tabelle 1 lässt sich das im LfL-Kalkulationsmodell mit einem Kostenabstand von rund 11 ct/kg ablesen, d.h. bei einem Milchpreisabstand von 11 ct/kg wäre im gewählten Beispiel Wettbewerbsgleichheit unter Vollkostenbedingungen hergestellt.
Mit den Preisvorteilen der Vergangenheit präsentierte sich ökologisch erzeugte Milch in den vergangenen Jahren sowohl auf Gewinnebene als auch Vollkostenebene als konkurrenzfähig.

Ökomarkt konstanter - staatliche Stützung höher

Liniendiagramm: Der Gewinn je Kuh war in den letzten acht Jahren in der ökologischen Milchviehhaltung stets höher als in der konventionellen Milchkuhhaltung.Grafik zum Beitrag "Lohnt sich der Umstieg auf Ökomilcherzeugung", Abbildung 2Zoombild vorhanden

Abbildung 2: Gewinnentwicklung je Kuh

Gemessen am Buchführungsgewinn verringerte sich aber zwischen 2010/11 und 2013/14 die relative Wettbewerbskraft der Ökomilchbetriebe, in 2011/12 war fast ein Gleichstand erreicht (Abbildung 2). Der in diesen Jahren weltweit florierende Weltmarkt für Massenmilchprodukte (Pulver, Butter) begünstigte die konventionelle Schiene und erschwerte die Preisdifferenzierung. Seit 2014 drehte sich die Entwicklung um und lässt entsprechend für die Wirtschaftsjahre 2014/15 und 2015/16 wieder deutlichere Gewinnvorteile für ökologisch wirtschaftende Milchviehbetriebe erwarten. Daran wird deutlich, wie wichtig verlässliche und dauerhafte Marktsignale von Seiten des Lebensmitteleinzelhandels bzw. der Molkereien sind, um den Schritt zur Ökomilch rentabel und mit gutem (ökonomischen) Gewissen gehen zu können. Ein wichtiger Zusatzaspekt, der immer wichtiger wird: der Ökomarkt verhält sich in der Regel deutlich weniger sprunghaft als der konventionelle – aus Sicht der Liquidität kann dies ein großes Plus für den Ökobetrieb bedeuten bzw. die Notwendigkeit des Aufbaus großer Finanzpuffer verringern.
Kritisch hingegen ist die Tatsache zu bewerten, dass der Anteil staatlicher Zahlungen sowohl am gesamten Ertrag als auch am Gewinn - genannt "Stützungsgrad" - in der Ökomilcherzeugung überdurchschnittlich hoch ist. Im Fünfjahresmittel bis 2013/14 betrug der Stützungsgrad in der Öko-Gruppe der Abbildung 2 gemessen am Ertrag 22 % (konventionell: 17%), gemessen am Gewinn 79 % (konventionell: 67 %). Der Erfolg in der ökologischen Milcherzeugung ist damit nach wie vor nur als eine Kombination aus Markterfolg und staatlicher Unterstützung zu sehen. Höherer Stützungsgrad heißt aber auch höhere Abhängigkeit vom Staat.

Große Erfolgsunterschiede zwischen den Öko-Betrieben

Säulendiagramm: Im Wirtschaftsjahr 2013/14 lag bei ökologisch wirtschaftenden Milchviehbetrieben der zeitraumechte Gewinn des oberen Viertels um fast 60.000 € höher als der des unteren Viertels.Zoombild vorhanden

Abbildung 3: Viertelschichtung in Ökobetrieben

Genauso wie in der konventionellen Milcherzeugung gibt es auch innerhalb der Gruppe der Ökobetriebe extreme Unterschiede im betrieblichen Erfolg. Bei Gewinnen zwischen 20.000 € und 80.000 € - mit 40 Kühen und einer verkauften Milchmenge von 210.000 bis 240.000 kg - verbietet sich eine pauschale Bewertung der Perspektiven für die Ökomilcherzeugung (Abbildung 3). Dies gilt unabhängig von Ihrer unbestrittenen Konkurrenzkraft zur Alternative konventionelle Milch. Auch im guten Jahr 2013/14 verbuchte das untere Viertel mit einem Auszahlungspreis von über 53 ct/kg Milch Eigenkapitalverluste, im oberen Viertel ergab sich hingegen eine Eigenkapitalbildung von knapp 27.000 €. Noch größer waren die Unterschiede in der Finanzkraft (cash flow I), die knapp 60.000 € ausmachten. Erfolg im Betrieb macht sich sowohl in der konventionellen als auch in der ökologischen Milcherzeugung also an der Betriebsführung fest. Kostenoptimierung im Stall und hohe Arbeits- als auch Flächeneffizienz sind unabhängig von der Bewirtschaftungsform wichtige Schlüssel zum betrieblichen Erfolg. Auswertungen des LKV zeigen beispielsweise, dass allein in den Bereichen Milchleistung (bzw. Grundfutterleistung) und Tiergesundheit (Zellgehalt der Milch, Verlustrate, Nutzungsdauer) in vielen Betrieben großes Verbesserungspotential steckt. Wer hier seine Hausaufgaben gemacht hat, erleichtert sich auch den Umstieg auf die ökologische Milcherzeugung.

Fazit – Alternative Ökomilch realistisch prüfen!

Was bleibt festzuhalten: Der Einstieg in die ökologische Milcherzeugung ist eine ernstzunehmende Perspektive für Milchviehhalter, wenn einige Grundvoraussetzungen erfüllt sind (siehe unten), der Marktpartner verlässliche Absatz- und Preisperspektiven bietet und vor allem persönliches Interesse und die Bereitschaft zu betrieblichen Veränderungen (und Einschränkungen) gegeben ist. Haupthemmnisse für die Entscheidung können in der Praxis die Sicherstellung der notwendigen Futterflächen (u.a. Weiden) und das Finden baulicher Lösungen für kleinere Strukturen (vorhandener Anbindestall) sein.
Die aktuellen Preisvorteile von über 17 ct/kg sind nach heutiger Einschätzung eine zu optimistische Kalkulationsgrundlage, aber die Vergangenheit zeigt, dass Ökomilcherzeugung bereits in den letzten Jahren in der Kombination aus höheren Preisen und der KULAP-Ökoförderung gut mithalten konnte. Nicht zuletzt die großen Unterschiede im ökonomischen Erfolg zwischen den Ökobetrieben sind aber ein deutliches Zeichen, vor der Entscheidung den eigenen Betrieb mit seinen Stärken und Schwächen genau zu analysieren, um die (erwartete) Steigerung des Betriebserfolgs mit der ökologischen Milcherzeugung realistisch einzuschätzen.

Was erleichtert den Umstieg auf ökologische Milcherzeugung?

Leistungsniveau extensiv bzw. "mittelintensiv"

Hohe Grundfutterleistung

Möglichkeit des Weidebetriebs

Hohe Tiergesundheit (speziell auch bei Eutergesundheit)

Nachhaltige Bio-Molkereistrategie mit entsprechender Nachfrage

KULAP-Flächenförderung (350/273 Euro je Hektar)

Greening-Auflagen automatisch erfüllt

Identifikation mit Zielsetzung des ökologischen Landbaus

Möglichkeit zusätzlich höhere Bio-Wertschöpfung bei Nebenerlösen

Was macht den Umstieg schwieriger?

Bisher Hochleistungsstrategie (Leistungsniveau, Einsatz von antibiotischen Trockenstellern, Fruchtbarkeitsprogramme u.a.)

Flächen- bzw. Futterknappheit/hohe Flächenkosten

Auslauf / Beweidung schwer im Betrieb umsetzbar (Anbindehaltung!)

Futtergrundlagen und -qualitäten mit geringer Grundfutterleistung

Hohe Bedeutung konventionellen Ackerbaus mit Intensivfrüchten (Mais, Zuckerrübe u.a.)

Konventionelle Vermarktung der sonstigen Erzeugnisse (Altkuh, Kälber, Zuchtvieh etc.)

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