Zuchtwertschätzung für Ziegen
Aufbruch in der Ziegenzucht

Zwei Jungböcke der Rassen Bunte und Weiße Deutsche Edelziege stehen sich gegenüber im Ring

Die Ziegenzucht richtet sich dieses Jahr ganz neu aus. Die Zuchtwerte für Milchmerkmale der Milchziegenrassen Bunte und Weiße Deutsche Edelziegen in Baden-Württemberg und Bayern werden im April erstmalig offiziell gerechnet und als offizielle Werte in allen Zuchtdokumenten und Katalogen ausgewiesen. Ziegenzüchter können anhand der Daten effektiver selektieren und einen höheren Zuchtfortschritt erreichen.

Im neu gegründeten Ziegendatenverbund (ZDV) arbeiten Baden-Württemberg und Bayern seit 2011 an der ersten länderübergreifenden Zuchtwertschätzung für Ziegen. Aufgebaut hatte sie die Arbeitsgruppe Zuchtwertschätzung unter der Federführung der Rechenstelle für Zuchtwertschätzung am Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Institut für Tierzucht der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Grub, den Ziegen-Zuchtverbänden und den Landeskontrollverbänden (LKVs) aus Bayern und Baden-Württemberg. Die Fleischziegen sollen bis zum Sommer in den gemeinsamen Ziegendatenverbund folgen.
Die Rahmenbedingungen der Züchtung müssen laut Tierzuchtrecht weiter verbessert und optimiert werden. Die Sicherheit des entwickelten Zuchtwertschätzverfahrens soll gesteigert und die Grundlagen für weitere Zuchtwertschätzverfahren, zum Beispiel Nutzungsdauer, gelegt werden. Dafür lassen sich in den Zuchtzielen der einzelnen Rassen die gesteckten Ziele definieren.
Das vorrangige Zuchtziel für Milchziegen „hohe Milch-Lebensleistung bei guten Milchinhaltsstoffen“ entwickelte sich aus den Erhebungen unter Ziegenzüchtern, die Dr. Pera Herold (LGL) 2011 untersucht hat. Aus Bayern lagen insgesamt 32 190 Laktationsdatensätze von Bunten Deutschen Edelziegen und 6704 von Weißen Deutschen Edelziegen vor.

Grenznutzen gewichtet Milchwert der Ziegen

Anhand des Zuchtziels wird im Zuchtprogramm festgelegt, welche Merkmale züchterisch bearbeitet werden. Hierzu wurden zuerst anhand der Pedigree- (Zuchtwert aus Vater und Mutter) und Leistungsdaten aktuelle genetische Parameter für die Merkmale Milch-, Fett- und Proteinmenge sowie Fett- und Proteinprozent geschätzt und die Grenznutzen dieser Merkmale abgeleitet. Am Grenznutzen erkennt der Ziegenhalter, wie viel Mehreinnahmen er erzielen könnte, wenn eine Einheit des Produkts mehr erzeugt wird. Dabei muss er die dafür anfallenden Kosten abziehen und alle anderen Faktoren konstant halten. Zur Ermittlung des Grenznutzens der Merkmale Milch-, Fett- und Proteinmenge dienten die Auszahlungspreise einer Molkerei. Bei (0,20 €/kg Milch, 7,00 €/kg Fett und 8,50 €/kg Protein). Das ergab die relativen Gewichtungsfaktoren für den Milchwert: 27 Prozent für Milch-, 39 Prozent für Fett- und 34 Prozent für Proteinmenge.
Diese Ergebnisse waren Grundlage einer Zuchtwertschätzung. Die daraus resultierenden Zuchtwerte wurden erstmalig auf den Bockmärkten 2013 in Bayern und Baden-Württemberg veröffentlicht. Seit 2014 werden die Zuchtwerte für Milchziegen routinemäßig jährlich am LGL geschätzt.
Ein weiteres Ziel ist es, alle Herdbuchziegen in der ersten Laktation linear zu beschreiben. Dafür entwickelte die Arbeitsgruppe um Herold einen neuen Bogen. Den Bewertungsbogen haben alle deutschen Ziegenzuchtverbände mit eigenen Ergänzungen übernommen. Die dort aufgelisteten Exterieurmerkmale beschreiben detailliert einzelne Merkmale und ergänzen die bisher verwendeten Hauptnoten der Exterieurbewertung.

Neuer Beurteilungsbogen mit den Exterieurmerkmalen pdf 148 KB

Die Beschreibung besteht aus:

  • 6 Körpergrößen (Stockmaß, Brust- und Bauchumfang, Länge, Zitzenlänge, Hintereuterbreite),
  • 4 Form-Merkmalen (Gebiss, Beinstellung, Beckenneigung, Fesselung),
  • 7 Euter-Merkmalen (Voreuterwinkel, Strichplatzierung, Strichform, Euterbodentiefe, Zentralband).
Versuchsweise wurden 2013 das erste Mal 40 Jungziegen auf zwei Betrieben als Nachzucht von insgesamt vier Böcken linear beschrieben. Sobald ausreichend Daten für die Ziegen vorhanden sind, sollen deren Zuchtwerte geschätzt und die Beziehungen zum Merkmal Nutzungsdauer untersucht werden.

Milchleistungsprüfung als Datengrundlage

Milchziegen am Futtertrog

Optimales Futter und eine gute Genetik sind Voraussetzungen für eine hohe Milchleistung

Um erfolgreich Milchziegen zu züchten, müssen Merkmale wie die Milchleistung erfasst, ausgewertet und verglichen werden. Dafür sorgt die Milchleistungsprüfung. Durch Probemelken wird zum Beispiel die Milchleistung für Einzeltiere erfasst. Zusätzlich werden die Merkmale Melkbarkeit, Milchflusskurven und Milchinhaltsstoffe (Fett, Eiweiß, Zellzahl und Harnstoff) erhoben. Die LKV's weisen in den Ergebnisausdrucken für die Betriebe die Jahres- und Laktationsleistung (240-Tage-Leistung) sowie die Gesamtlaktation und Lebensleistung aus. Die Milchleistungsprüfung macht es zudem möglich, die Herdenleistung zu ermitteln.

Traditionell lammen Ziegen im Januar und Februar und stehen bis November in der Laktation. Einige Betriebe verschieben die Ablammsaison, um die Molkerei gleichmäßig mit Ziegenmilch beliefern zu können. In beiden Fällen werden alle weiblichen Ziegen geprüft und zur Zucht verwendet. In den letzten Jahren hat sich das Durchmelk-Verfahren etabliert. Der Ziegenhalter melkt seine Ziegen zwei bis vier Jahre durchgehend bis er wieder neu belegt. In diesem Fall steht ihm nur ein kleiner Teil der weiblichen Tiere für die Zucht zur Verfügung.

1931 begann der LKV Bayern mit der Milchleistungsprüfung für alle im Herdbuch-Ziegen. Damals wurden 1253 Tiere geprüft. Sie hatten eine Leistung von 694 kg bei 3,28 % Milchfett. Gut 80 Jahre später lag die Jahresleistung der 3763 geprüften Milchziegen bei 691 kg, 3,42 Prozent Milchfett und 3,36 Prozent Milcheiweiß.

Milch nur noch von CEA-freien Beständen

Für den Zuchtfortschritt sollten Ziegen gesund und frei von bestimmten Krankheiten sein. Dazu zählen Caprine Arthritis Enzephalitis (CAE) und Pseudotuberkulose. Beide Krankheiten werden zukünftig verpflichtend im Zuchtprogramm erfasst. Über kurz oder lang können ausschließlich unverdächtige Ziegen vermarktet werden. Eine Molkerei hat bereits signalisiert, nur noch unverdächtige Betriebe neu aufzunehmen.
Für CAE bietet der Landesverband Bayerischer Ziegenzüchter (LVZ) seit 1994 ein Sanierungsprogramm an. Für Pseudotuberkulose startete der LVZ 2009 mit dem Tiergesundheitsdienst ein Monitoringprogramm.
e, steht einer wirtschaftlichen Ziegenhaltung nichts entgegen.

Die Ziegenhalter stehen vor großen Aufgaben:

  • hohe Anforderungen an die Haltungsform,
  • wiederkäuer- und leistungsgerechte Fütterung,
  • gesunde Tierbestände und Verbesserung der Genetik
Meistern sie diese Punkte, steht einer wirtschaftlichen Ziegenhaltung nichts entgegen.

Was sagen Zuchtwerte aus?

Der Zuchtwert einer Ziege ist eine Schätzung. Sie sagt aus, inwieweit genetische Anlagen für bestimmte Leistungsmerkmale an die Nachkommen weitergeben werden. Zuchtwerte der Milchleistungsmerkmale zum Beispiel beruhen auf den Laktationsleistungen aller weiblichen Verwandten eines Bockes.
Je mehr Informationen zu einem Merkmal vorliegen, desto zuverlässiger kann der Zuchtwert für das Merkmal geschätzt werden. Ein Maß dafür ist die Sicherheit (Si). Sie wird in der Regel in Prozent angegeben. Sowohl der Zuchtwert eines Tieres als auch die Sicherheit des Zuchtwertes sind populationsspezifisch.

Zuchtverbände stellen die Zuchtwerte auf zwei Arten dar:

  • Naturalzuchtwerte geben in Naturaleinheiten - beispielsweise in Gramm-Milch - an, welches genetische Potential ein Bock oder eine Ziege an ihre Nachkommen weitergeben könnte. Ein Beispiel: Der Vater hat einen Zuchtwert von + 500 g Milch pro Tag, eine Ziege einen Zuchtwert von + 200 g Milch pro Tag - der Nachkomme hat ein theoretisch zu erwartendes Leistungspotential von + 350 g Milch pro Tag im Vergleich zum durchschnittlichen Tier der Population.
  • Relativzuchtwerte werden auf einer gleitenden Basis ausgewiesen. Der mittlere Relativzuchtwert hat einen Wert von 100. Zurzeit bilden alle Böcke und Ziegen der Jahrgänge 2003 bis 2010 die Basis. Diese Basis wird bei jeder Zuchtwertschätzung, das heißt einmal jährlich angeglichen. Die Streuung der Relativzuchtwerte beträgt bei Ziegen 20 Punkte. Böcke, die besser sind als die gleitende Basis, haben einen Zuchtwert von über 100. Böcke, die schlechter sind, einen Zuchtwert von unter 100 Punkten.
Neben den Einzelzuchtwerten für Milch-, Fett- und Eiweißmenge sowie Fett- und Eiweiß-Prozent gibt es den Milchwert. Der setzt sich aus den Merkmalen Milch-, Fett- und Eiweißmenge zusammen, die nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gewichtet wurden.
Das statistische Modell für die Berechnung der Heritabilitäten (Erblichkeiten) und genetischen Korrelationen (Wechselbeziehung) zwischen den Merkmalen sowie die darauf aufbauende Zuchtwertschätzung für Milchleistungsmerkmale berücksichtigt die Laktationsleistung in den Milchmerkmalen und als fixe Faktoren die Rasse, Laktationsnummer und das Erstlammalter sowie als zufällige Effekte die Herden-Jahres-Saison und den permanenten Tiereffekt. Die genetischen Parameter und die Grenznutzen bilden die Basis für die Gewichtung der Merkmale im Index (Milchwert).
Die geschätzten Erblichkeiten für die Milchleistungsmerkmale liegen zwischen 0,35 und 0,50.

Bockring und künstliche Besamung

Die genetische Verknüpfung der Ziegenherden zwischen Bayern und Baden-Württemberg ist nicht sehr ausgeprägt. Das zeigten Analysen des Landesamts für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg. Die Zuchtböcke werden in der Regel von einem Betrieb im Natursprung eingesetzt. Dadurch gibt es je Bock nur wenige Nachkommen.
Für eine aussagekräftige Nachzuchtprüfung wurde 2011 ein Bocktauschring zwischen Betrieben in Bayern und Baden-Württemberg begonnen. Bockringe sollen in Zukunft aus mehreren Züchtern bestehen, die gemeinsame Böcke in ihren Herden einsetzen. Um keine Krankheiten zu verschleppen, kommen die Böcke nach einem Einsatz in Quarantäne. Danach dürfen sie in die Herde des nächsten Betriebes. Ziel dabei: Böcke zwischen den Betrieben innerhalb der Decksaison rotieren zu lassen, um die bayerische und baden-württembergische Ziegenpopulationen besser zu verknüpfen. Das erleichtert die Trennung genetischer und umweltbedingter Effekte bei der Zuchtwertschätzung.
Derzeit spielt die künstliche Besamung von Ziegen in Deutschland kaum eine Rolle. Gelänge es, überragende deutsche Ziegenböcke absamen zu lassen und ihr Sperma zu vertreiben, würde das die Bockringe - ohne hygienisches Risiko - ergänzen, mit dem Ziel die Zuchtpopulationen stärker zu verknüpfen.

Bayerische Ziegenbestände

In Bayern hat die Ziegenhaltung in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebt. Nach den aktuellen Invekos-Zahlen von 2013 gibt es 4400 bayerische Ziegenhalter mit einem Gesamtbestand von rund 35 000 Ziegen, die über ein Jahr alt sind. Von diesen Betrieben zählen gut 100 zu den Erwerbsziegenhaltern mit 50 und mehr Ziegen. Ein großer Teil dieser Betriebe produziert nach den Richtlinien der Ökoverbände und liefert die Milch an Molkereien
Stand: März 2014

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