LfL-Schriftenreihe 10/2016
Auswirkungen von Überflutungen landwirtschaftlicher Nutzflächen auf Regenwürmer im Boden

Titelblatt der Publikation

Das Hochwasser Anfang Juni 2013 führte in Bayern vor allem entlang der Donau, Isar und im Einzugsbereich des Inns zu Überflutungen von landwirtschaftlich genutzten Flächen. Danach berichteten einige Landwirte von toten Regenwürmern auf der Bodenoberfläche von Äckern. Ziel der Untersuchungen war es, die Auswirkungen der Überflutung auf die Individuendichte, Biomasse und Artenvielfalt der Regenwürmer im Vergleich zu nicht überfluteten landwirtschaftlichen Nutzflächen zu erfassen und dabei auch mögliche Effekte einer Verunreinigung durch Heizöl aufzuzeigen.  (50 Seiten)

Erscheinungsdatum: November 2016

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Zusammenfassung
Für die Regenwurmuntersuchung dienten sowohl mehrere konventionell als auch ökologisch bewirtschaftete Ackerflächen in der Donauaue bei Niederalteich, im Landkreis Deggendorf, als auch zwei geflutete Grünlandflächen der Flutmulde Landshut. Vier bis acht Tage lang und bis zu einer Höhe von ca. 2,5 m betrug die Überstauung der beprobten Flächen beim Junihochwasser 2013. Die Probennahmen der Regenwürmer fanden in Niederalteich vier Monate nach dem Hochwasserereignis im Oktober 2013 statt. Ein Teil der Flächen wurde im Oktober 2014 erneut beprobt. Im Oktober 2014 erfolgten auch die Untersuchungen in der Flutmulde Landshut. Zur Erfassung der Regenwürmer kam eine Methodenkombination bestehend aus einer Austreibung und einer anschließenden Handauslese zum Einsatz mit jeweils fünf bis sechs Stichproben je Untersuchungsfläche.
Weitere Details
Auf einem überfluteten Kleegrasacker in Niederalteich war zudem ein kleiner siedlungsnaher Bereich von wenigen hundert Quadratmetern mit Heizöl verunreinigt. Dort erfolgten ergänzend zur Regenwurmerfassung auch Messungen zu den Mineralölkohlenwasserstoffen (MKW) Gehalten am 18. Juli 2013 und am 5. November 2013 von Dr. Eiberweiser GeoConsult GmbH durch eine Rasterbeprobung mit Stechzylindern in einer Bodentiefe von 0-2 cm und 2-5 cm. Siedlungsfernere Ackerbereiche desselben Feldstücks ohne ersichtliche Vegetationsschäden wurden als Vergleichsflächen im Oktober 2013 und 2014 auf den Regenwurmbestand und Anfang November 2013 auf MKW-Gehalte untersucht.
Die meisten der überfluteten Ackerflächen bei Niederalteich wiesen bereits vier Monate nach der bis zu einer Woche dauernden Überflutung keine geringere Individuendichte, Biomasse und keine geringere Artenvielfalt der Regenwürmer im Vergleich zu nicht überfluteten Kontrolläckern mit ähnlicher Bewirtschaftung auf. Mögliche Auswirkungen der Überflutung im Juni 2013 auf Regenwürmer betrafen wahrscheinlich nur einen kleinen Teil ihrer Populationen. Sie waren im Oktober 2013 nicht mehr quantifizierbar, vermutlich aufgrund der nach dem Juni-Hochwasser 2013 auftretenden langanhaltenden Sommertrockenheit, die sich ebenfalls ungünstig auf Regenwürmer auswirken konnte. So wird auch die lediglich auf einem Feldstück im Oktober 2013 festgestellte geringe Regenwurmdichte auf eine stärkere Austrocknung z.B. durch andere Standortbedingungen zurückgeführt, so dass dort ein Teil der Tiere sich noch im methodisch nicht erfassbaren Kokonstadium oder in Diapause befand. Daraufhin deutet die dort festgestellte starke Erhöhung der Regenwurmbestandszahlen innerhalb nur eines Jahres sowie der Nachweis weiterer Arten im Jahr 2014. Insgesamt bestätigen die Untersuchungen in Niederalteich, dass Regenwürmer Überflutungen von Ackerflächen im Sommer zumindest bis zu einer Woche überstehen können und hierfür gute Anpassungsstrategien (z.B. Diapause, Kokonstadium) haben.
In beiden Grünlandflächen der Flutmulde in Landshut wurde im Oktober 2014, sechzehn Monate nach der Flutung im Juni 2013 mit über 400 Individuen/m² ein überdurchschnittlicher Regenwurmbestand ermittelt, so dass auch längerfristig keine negativen Auswirkungen feststellbar waren. Mit Aporrectodea georgii, Proctodrilus tuberculatus und Fitzingeria platyura traten dort drei seltenere Regenwurmarten auf. Von der am empfindlichsten auf eine Überflutung reagierenden tiefgrabenden Lebensform wurden in der Flutmulde sogar zwei Arten nachgewiesen. Die Regenwürmer profitieren wahrscheinlich davon, dass das Wasser die Flutmulde durchfließt und sich dies günstig auf den Sauerstoffgehalt im Wasser auswirkt.
Auf der mit Heizöl verunreinigten Fläche bei Niederalteich wurde Mitte Juli 2013 ein stark erhöhter MKW-Gehalt von 5800 mg/kg Boden in einer Bodentiefe von 0-2 cm festgestellt, der Anfang November 2013 bereits auf 83 mg/kg abgesunken war. In der Tiefe von 2 bis 5 cm lag der MKW-Gehalt stets unter der Bestimmungsgrenze von 50 mg/kg Boden genauso in den siedlungsferneren Vergleichsflächen desselben Feldstücks. Die MKW-Verunreinigung durch Heizöl verblieb somit in der obersten Bodenzone und es hat keine Verlagerung in tiefere Schichten stattgefunden. Zudem bestätigen die Ergebnisse die schnelle Abbaubarkeit von Mineralölkohlenwasserstoffen in Böden unter atmosphärischen Bedingungen nach einer intensiven Belüftung durch eine oberflächennahe, die mikrobiologische Aktivität anregenden Vertikutierung. Aus diesen Gründen waren wahrscheinlich auch keine ungünstigen Auswirkungen der Heizölverunreinigung auf die Siedlungsdichte, Biomasse und Artenvielfalt der Regenwürmer nachweisbar. Günstig für die Regenwürmer war wahrscheinlich zudem, dass die MKW-Belastung im Sommer während ihrer Ruhephase auftrat, wenn sich diese in tiefere Bodenschichten zurückziehen. Dennoch gilt es zu berücksichtigen, dass bereits bei geringeren MKW-Werten toxische Effekte auf Regenwürmer in anderen Untersuchungen (Labor) festgestellt wurden.
Generell werden nach Überflutungen in der Literatur sowohl positive, wie z.B. eine Zunahme der Individuendichte und Vielfalt der Regenwürmer, als auch negative Effekte wie ein Zusammenbruch von Populationen beschrieben. Der Grad möglicher Auswirkungen einer Überflutung auf den Regenwurmbestand wird im Wesentlichen von der Dauer und Häufigkeit der Überflutung sowie von der Wassertemperatur und dem Sauerstoffgehalt bestimmt. Falls Bestandsverluste der Regenwürmer nach einem Hochwasserereignis im Boden landwirtschaftlicher Nutzflächen auftreten, gibt es zahlreiche Möglichkeiten zu ihrer gezielten Förderung. Empfohlen werden z.B. eine ausreichende Zufuhr von organischem Material und der Anbau von Zwischenfrüchten und Leguminosengemenge. Um Bodenstrukturschäden zu vermeiden und zur Erhaltung eines vielfältigen, funktionalen Bodenlebens ist es wichtig, nach einer Überflutung auf eine bodenschonende Bewirtschaftung
zu achten (z.B. kein Befahren von feuchten Böden).
Für den dezentralen Hochwasserschutz werden auf Ackerflächen mulchende Bodenbearbeitungs- und Bestellverfahren empfohlen. Diese wirken sich auch günstig auf Regenwürmer aus, vor allem auf tiefgrabende Arten, die durch ihre vertikalen Röhren positiv die Wasserversickerung fördern. So kann insbesondere in ackerdominierten Agrarlandschaften das Wasserrückhaltepotential bei konvektiven Starkniederschlagsereignissen weiter ausgeschöpft und zur Minderung von Erosion und von kleineren Hochwasserereignissen beigetragen werden.