Praxiserprobung eines innovativen Verfahrens in der Wels-Aquakultur: Hälterung mit stressfreiem, selbstständigem Überschwimmen der Fische zur Schlachtung

Aquakulturanlage im Gebäude zur Welsaufzucht

Aquakulturanlage zur Welsaufzucht

Aufgrund häufig auftretenden Hälterungsschäden und damit verbundener Beeinträchtigung des Tierwohls bei Fischen vor der Schlachtung, sollte eine technische Lösung bearbeitet werden, mit der die belastende Hälterungsphase und der Stress verursachende Einzelfang reduziert, bzw. vermieden werden kann. Hierzu wurde eine innovative Hälterungsanlage für Europäische Welse, die zu einer deutlichen Reduzierung der belastenden Handhabung von Schlachtfischen führen sollte, errichtet und wissenschaftlich untersucht

Zielsetzung

Europäische Welse in der HälterungZoombild vorhanden

Europäische Welse (Silurus glanis)

Bei der Hälterung von Fischen vor der Schlachtung kann es zu einer Beeinträchtigung des Tierwohls kommen. Ausgehend von der Problematik der häufig auftretenden Hälterungsschäden bei Europäischen Welsen, war das Ziel des Vorhabens, erstmals zu demonstrieren, wie mittels einer technischen Lösung in einem produzierenden Betrieb die belastende Hälterungsphase und der Stress verursachende Einzelfang reduziert, bzw. vermieden und damit die Fleischqualität verbessert werden kann.

Methode

Hälterungsbecken mit Vorrichtung zum selbstständigen Überschwimmen der WelseZoombild vorhanden

Versuchsanlage (Hälterungsbecken mit Vorrichtung zum selbstständigen Überschwimmen der Welse)

Es wurde eine innovative Hälterungsvorrichtung für Europäische Welse, die zu einer deutlichen Reduzierung der belastenden Handhabung von Schlachtfischen führen sollte, geplant und errichtet. Die Tiere wurden nach der Abfischung zunächst in ein Hälterungsbecken eingesetzt. Im Anschluss daran wurden die gehälterten Fische nicht erneut gefangen, sondern sollten selbstständig zur Betäubungseinrichtung schwimmen, wobei - im Vergleich zur konventionellen Praxis - eine erhebliche Stresseinwirkung (Fang aus der Gruppe) vermieden werden sollte. Hierfür wurden verschiedene Versuchsanordnungen getestet. Damit sollten Verbesserungen im Hinblick auf das Tierwohl, aber auch auf die Fischqualität erzielt werden. Zur Überprüfung dieser Erwartung wurde der Einsatz der neuartigen Hälterungsanlage im Hinblick auf ihre Konstruktion, Funktionalität und Wirkung auf die Fische wissenschaftlich evaluiert.
Um die Reduzierung der Belastung von Schlachtfischen zu belegen, wurden verschiedene Verhaltensindikatoren sowie Stressparameter (Plasmacortisolgehalt, Blutglukose und -laktat, Hämatokrit) aus der konventionellen Schlachtung mit denen der neuen Anlage verglichen.
Zusätzlich wurden Messungen zur Fleischqualität, in erster Linie der pH der Fischfilets 24 Stunden nach der Schlachtung, durchgeführt.

Ergebnisse

  • Über 70 % der Fische schwammen selbstständig vom Hälterungsbecken in das Betäubungsbecken über.
  • Ein kurzes Überschwimmrohr mit zwei 45° Winkeln und eine Strömungsgeschwindigkeit von ca. 0,1 m/s im Rohr erzielten die besten Ergebnisse.
  • Überschwimmrohr, Lockströmung, Beleuchtung über dem Hälter- sowie Abdunkelung des Betäubungsbeckens und Gitterrahmen wurden als Basis für ein stressfreies, selbstständiges Überschwimmen der Fische herausgearbeitet.
  • Rückschwimmstopp (Gummimanschette) und ausreichende Adaptationszeit der Fische sind nötig.
  • Signifikant bessere Glukose-, Laktat- und Hämatokritwerten in der neuen Anlage als Teile der sekundären Stressantwort.
  • Kaum Unterschiede zwischen den Anlagen bei Cortisolwerten als Teil der primären Stressantwort.
  • Signifikante Unterschiede bei pH24-Werten.
  • Weitere Fleischqualitätsparameter annähernd unverändert.
  • Keine Verhaltensauffälligkeiten bei den ins Betäubungsbecken eingeschwommenen Fischen.

Diskussion

  1. Insgesamt deutlich reduziertes Stressaufkommen in der neuen Anlage, allerdings akut auftretender Stress während der Betäubungsphase → mögliche Ursachen: Wiederholtes Öffnen und Schließen des Ablassschiebers zur Entnahme der Fische, Handling vor und während der Betäubung, Zeitdauer zwischen Ablassen der Fische, Betäubung und Probennahme.
  2. Signifikant geringere postmortale Fleischsäuerung in der neuen Anlage deutet ebenfalls auf eine geringere Stressbelastung der Fische hin und stellt eine wesentliche Verbesserung der Fleischqualität dar.
  3. Fehlende Änderung weiterer Parameter dürfte mit gleicher Haltung und Fütterung der Fische vor der Hälterung erklärbar sein.
  4. Erhebliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter in der Fischverarbeitung (Keschern entfällt, Fische rutschen auf Arbeitshöhe aus der Betäubungseinheit).

Schlussforgerungen und Empfehlungen

  • Europäische Welse können zum selbstständigen Schwimmen in eine gewünschte Richtung animiert werden.
  • Modifikationen, wie eine optimierte Zuführung zur Einschwimmöffnung, ein verkürztes Überschwimmrohr (möglichst ohne Winkel) oder eine automatisierte Bewegung des Gitterrahmens sollten evaluiert werden.
  • Die konventionelle Betäubung per Kopfschlag sollte mit einer elektrischen Betäubung verglichen werden. Damit wäre eine Handhabung der Fische vor der Schlachtung unnötig und die akute Stressreaktion vor und während der Betäubung könnte minimiert, eventuell sogar vermieden werden.

Projektinformation
Projektleitung: Dr. H. Wedekind
Projektbearbeitung: M. Zielasko
Laufzeit: 07/2015-05/2017
Finanzierung: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)
Projektpartner: Ahrenhorster Edelfisch GmbH&Co.KG
Förderkennzeichen: 2813MDT901