Mehrzeilige Wintergerste - eine Alternative für Süddeutschland?

In Deutschland werden sowohl zwei- als auch mehrzeilige Gersten angebaut. Mit einem Anteil von rund 70 Prozent dominieren die Mehrzeiler, wobei ein deutliches Nord-Südgefälle zu beobachten ist. Während in Nord- und Ostdeutschland kaum zweizeilige Sorten anzutreffen sind, werden sie im Süden traditionell bevorzugt. Durch die Züchtung von standfesten mehrzeiligen Sorten mit verbesserter Kornqualität sowie durch die Markteinführung der Hybridgersten konnten die Mehrzeiler in Süddeutschland in den letzten Jahren an Bedeutung gewinnen. 2012 waren in Bayern 15 bis 20 Prozent der Wintergersten mehrzeilig, der Anteil an Hybridgerste lag bei zirka 3 Prozent.

Ertragsstruktur

Die beiden Gerstenformen unterscheiden sich nicht nur optisch in der Ähre, sondern weisen auch Unterschiede in der Ertragsstruktur auf. Mehrzeilige Sorten bilden niedrigere Bestandesdichten, eine höhere Kornzahl pro Ähre und häufig geringere Tausendkorngewichte. Um hohe Erträge zu erzielen, sind bei den zweizeiligen Sorten etwa 700 bis 900 Ähren pro m2 nötig, bei mehrzeiligen reichen dagegen 500 bis 600 aus. Aufgrund der Unterschiede im Ertragsaufbau sollten zweizeilige Sorten etwas dichter gesät und im Frühjahr stärker angedüngt werden als Mehrzeiler. Dieser zusätzliche Stickstoff ist bei den folgenden Gaben wieder einzusparen.

Grafik Vergleich zweizeilige Wintergerste und sechszeilige Wintergerste

Da Mehrzeiler als ertragreicher, stresstoleranter in der Jugend und als winterhärter gelten, werden sie außerhalb Süddeutschlands bevorzugt. Zweizeilige sollen dagegen eine bessere Kornqualität aufweisen sowie standfester und strohstabiler sein. Anhand der bayerischen Landessortenversuche (LSV) wird im Folgenden gezeigt, in wieweit sich die beiden Gerstenformen unterscheiden. Dazu werden 7 Orte, an denen sowohl das zwei- als auch das mehrzeilige Gerstensortiment stand, mehrjährig miteinander verglichen. Abweichend von anderen Bundesländern werden in Bayern getrennte Versuche für zwei- und mehrzeilige Gersten durchgeführt, da es so möglich ist, die Bestandesführung der Gerstenform anzupassen.

Ertrag

Im Ertrag lagen die Mehrzeiler im Fünfjahresmittel im Schnitt um 4 dt/ha bzw. 5 % vorne. Die ertragsstärksten Zweizeiler erreichten dabei etwa das Niveau einer durchschnittlichen mehrzeiligen Sorte. Staatliche Versuche aus Thüringen bestätigen dies. In Rheinland- Pfalz ergab ein mehrjähriger Vergleich der ertragsstärksten Zweizeiler mit den besten Mehrzeilern einen Ertragsunterschied von 2,7 dt/ha bzw. 3 %. In Baden-Württemberg konnte kein nennenswerter Ertragsvorteil der Mehrzeiler gemessen werden.

Kornqualität

Der Sortimentsvergleich zeigte in den bayerischen LSV auch Unterschiede in der Kornqualität, die vor allem für Marktfruchtbetriebe wichtig ist. Die zweizeiligen Sorten wiesen im Mittel ein 3 g höheres Tausendkorngewicht, ein 1-2 kg höheres Hektolitergewicht, sowie ein bauchigeres Korn und eine feinere Spelze auf. Im Marktwaren- und Vollgerstenanteil ähnelten sich dagegen die Gerstenformen. Zu betonen ist, dass es sich hier nur um einen Sortimentsvergleich handelt und es durchaus auch Mehrzeilige mit guter Kornqualität gibt, die jedoch noch nicht mit den besten Zweizeilern mithalten können. Bei ungünstigen Bedingungen, wie z. B hitzebedingter schneller Abreife oder Trockenheit, lassen sich mit qualitativ hochwertigen Zweizeilern die geforderten Mindestqualitäten am sichersten erzeugen.

Standfestigkeit und Winterhärte

Vorteile hatten die Zweizeiler, die in der Regel kurzstrohinger sind, meist auch in der Strohstabilität. Durch Züchtung konnte die Standfestigkeit der Mehrzeiler in den letzten Jahren so weit verbessert werden, dass sich die Sortimente kaum mehr in der Lagerneigung unterschieden.
Tendenziell zeigten sich die Mehrzeiler winterhärter, wobei es auch weniger winterfeste Mehrzeiler und winterhärtere Zweizeiler gibt. In der Krankheitsanfälligkeit wurden keine relevanten Unterschiede beobachtet.

Empfehlung

Eine Pauschalempfehlung einer bestimmten Gerstenform ist nicht möglich. In Norddeutschland, wo die Abreifebedingungen oftmals günstig sind, haben Mehrzeiler meist Vorteile. Im Süden, der häufiger unter hitzebedingter rascher Abreife, Trockenheit oder Starkregen zu leiden hat, muss zwischen dem Ertragsvorsprung der Mehrzeiler und der besseren Strohstabilität und Kornqualität der Zweizeiler abgewogen werden. Besonders für den Eigenverbrauch stellt der Anbau von Mehrzeilern auch in Süddeutschland eine interessante Alternative dar.