Weideabtrieb ist Absetzzeit

Fleckvieh-Mutterkühe mit Kälbern auf der Weide
Je nach Kalbesaison beginnt nun für die Kuh eine mehr oder weniger lange Trockenstehphase. Selbstverständlich gilt es auch eine Mutterkuh in dieser Produktionsphase leistungsgerecht zu versorgen. Während in der Milchviehhaltung in der Regel Trockenstehzeiten von 6 – 8 Wochen vorherrschen, finden wir in der Mutterkuhhaltung nicht selten Trockenstehphasen von 3 bis 6 Monaten. Die geltenden Fütterungsempfehlungen für trockenstehende Kühe (Milchvieh) sind jedoch für einen wesentlich kürzeren Zeitraum vorgesehen und haben sich bewährt.
Die Bedarfsnormen berücksichtigen eine gewisse Körperreservebildung für die kommende Laktation sowie die Entwicklung des Fötus, wobei dieser in den letzten 6 Wochen der Trächtigkeit noch über 65 % seines Endgewichtes zulegt. Daraus ergibt sich die Problematik, dass eine Mutterkuh, welche sich erst im 2. Drittel der Trächtigkeit befindet und vom Kalb getrennt wird, keinen Leistungsbedarf (Milch) sowie nur einen geringen Bedarf für den für den wachsenden Fötus aufweist.

Folgen des geringen Energiebedarfs

In der Praxis ist nun häufig ein sehr starkes, ja zum Teil übermäßiges Verfetten der Muttertiere zu beobachten. In der Folge sind vermehrte Schwergeburten und lebensschwache Kälber (Geburtsstress) zu verzeichnen. Weiter weisen stark verfettete Tiere kurz vor und v.a. nach der Geburt eine geringere Futteraufnahme auf, was einen verstärkten Abbau der Körperfettreserven (Ketose) nach der Kalbung zur Folge hat. Die Milch solcher Muttertiere weist einen wesentlich höheren (5 – 6 %) Milchfettgehalt auf, als die Milch von normal konditionierten Tieren (3,5-4,5 %), was wiederum die Gefahr einer Durchfallerkrankung des Kalbes sehr stark erhöht. Ebenfalls können negative Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit auftreten.
Dieser Umstand wird durch eine arbeits- und zeitsparende Vorratsfütterung zur freien Aufnahme noch gefördert. Anders als in typischen Mutterkuhländern wo die Trockenstehphase in eine futterknappe Zeit (Dürre oder Winteraußenhaltung) fällt, stehen in den bayerischen Grünlandgebieten, in denen sich die Mutterkuhhaltung schwerpunktmäßig etabliert hat und sich zukünftig noch ausweiten wird, relativ viel Futter bei guter Qualität zur Verfügung.

Optimale Körperkondition jetzt halten

verfettete Mutterkuh von hinten auf der Weide mit Körperkonditionsnote 5,0Zoombild vorhanden

verfettete Mutterkuh, Körperkonditionsnote 5,0

Ziel sollte es nun sein, die Mutterkuh in der Säugeperiode und vor allem während einer mehr oder weniger langen Trockenstehzeit bedarfsgerecht zu versorgen und in einer optimalen Körperkondition zuhalten.

Bewährt hat sich die Vergabe von Körperkonditionsnoten nach dem Köperkonditions-Beurteilungssystem (BCS). Hierbei wird abgeschätzt wie viel Körperreserven eine Kuh aufweist. Dazu werden je nach Körperkondition der Tiere Punkte von 1 bis 5 in 0,25 Schritten vergeben.
  • Die Note 1 besagt, die Kuh ist hochgradig abgemagert und ist eigentlich bei Mutterkühen nur bei extremen Parasitenbefall zu finden.
  • Die Note 3 beschreibt eine Kuh, welche etwas knapp im Futter ist. Dieser Zustand sollte nur während des ersten Drittels der Säugeperiode auftreten.
  • Eine Kuh der Note 4 ist bereits mäßig bis stark verfettet und weist bereits die typischen Auswölbungen an den Sitzbeinhöckern (Beckenausgangsgrube) auf. Dieser Zustand sollte maximal zum Zeitpunkt der Kalbung erreicht werden.
  • Kühe welche die Noten 4,5 und 5 erhalten sind sehr stark bis extrem verfettet. Diese Tiere lassen Geburtskomplikationen sowie nachfolgend Fruchtbarkeitsprobleme erwarten.
Eine Mutterkuh sollte analog zur Milchkuh gewisse Körperreserven zu Kalbung aufweisen. Daraus ergibt sich eine optimale Körperkonditionsnote von 3,5 bis 3,75.

Erprobung in der Praxis

Es gilt nun Nährstoffversorgungen in der Praxis zu erproben, welche den oben genannten Ansprüchen auch bei längerer Trockenstehzeit gerecht werden.
Im Winter 2004/2005 wurde in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Bayreuth und dem Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft der LfL zur Klärung dieser Problematik ein Fütterungsversuch durchgeführt. Ziel dieser Versuchsanstellung war die Überprüfung der Fütterungsempfehlung für trockenstehende Tiere während einer sehr langen Trockenstehzeit und deren Auswirkung auf die Gewichtsentwicklung, Körperkondition und Abkalbeverhalten der Tiere.
Empfehlungen zur täglichen Energie- und Nährstoffversorgung von Mutterkühen
Lebendgewicht Kuh (kg)LeistungsstadiumGrundfutteraufnahme
(kg TM)
Energiebedarf
(MJ ME pro Tag)
Proteinbedarf
(g XP pro Tag)
600Abkalben bis Mitte Säugeperiode141241495
 Mitte bis Ende Säugeperiode121041195
 Trockenstehend10921130
700Abkalben bis Mitte Säugeperiode161371630
 Mitte bis Ende Säugeperiode131171290
 Trockenstehend101001180

Versuchsaufbau

Während sich die Empfehlungen zur täglichen Energie- und Nährstoffversorgung von Mutterkühen bei „normalen“ Trockenstehzeiten von etwa 2 Monaten bewährt haben, stellen sich in der Praxis bei sehr langen Trockenstehzeiten oftmals übermäßige Körpermassezunahmen ein. Daher sollte in diesem Versuch eine Nährstoffversorgung getestet werden, die diese Beobachtung ohne negative Auswirkungen auf das Muttertier sowie das zu erwartende Kalb verhindert.
  • Als Versuchstiere standen 30 Fleckviehtiere zur Verfügung. Die Herde wurde in zwei gleiche Gruppen aufgeteilt. Zur Differenzierung der Versuchsgruppen diente der unterschiedliche Energiegehalt der vorgelegten Mischration.
  • Der Versuchszeitraum wurde so gewählt, dass einerseits ein 3 wöchige Umstellungsphase von der Weide ermöglicht wurde (Vorperiode), andererseits der steigende Nährstoffbedarf in den letzten 4 Wochen der Trächtigkeit berücksichtigt werden konnte. Die Versuchsrationen wurden somit in den Monaten Dezember 04 bis einschließlich März 05 vorgelegt.
  • Zur Abschätzung der Futteraufnahme diente ein Vorversuch aus dem Jahr 2003/04 in dem die Herde eine Ration aus 11 kg Grassilage, 4,7 kg Stroh und 4,2 kg Heu erhielt. Insgesamt wurde eine TM – Aufnahme von 11,7 kg mit 1070 g Rohprotein und 97 MJ ME erreicht.
  • Die Ration der Gruppe I wurde entsprechend der bestehenden Empfehlungen für eine Gesamtenergieaufnahme von 100 MJ ME bei 700 kg LG (Norm) ausgelegt.
  • Für die Gruppe II wurde die Ration durch die Erhöhung des Strohanteils hinsichtlich der Energieaufnahme um 25 % reduziert (Norm – 25 %). Die Ration sollte den Gegebenheiten der Praxis entsprechen, so dass auf eine ergänzende Rohproteinzulage (Sojaschrot, Futterharnstoff) bewusst verzichtet wurde.
  • Als Futterkomponenten wurden Grassilage 2. Schnitt, Weizenstroh und ein handelsübliches Mineralfutter für trockenstehende Kühe eingesetzt. Die Futtervorlage erfolgte täglich ad libitum als TMR in Gruppenfütterung. Der Futterrest wurde täglich rückgewogen.
  • In der 3-wöchigen Umstellungsphase wurden beide Gruppen mit einer einheitlichen Ration versorgt.
  • Die Tiere wurden monatlich gewogen, anhand BCS die Körperkondition bewertet sowie per Ultraschall die Rückenfettdicke (RFD) gemessen. Letzteres soll als objektives Kontrollinstrument die Veränderungen des Gesamtfettgehalt im Körper als Energiereserve dokumentieren.

Ergebnisse

Zusammensetzung der Kontroll- und Versuchsration

Futtermengen (kg Frischmasse/Tier und Tag) im Versuchszeitraum Dez.04 bis März 05
Futtermittel
in kg Frischmasse
Gruppe I
Norm
Gruppe II
Norm - 25%
Grassilage 2. Schnitt19,210,9
Weizenstroh5,76,7
Mineralfutter0,090,10
Die angestrebte Energiereduzierung von 25 % wurde durch eine eine Erhöhung des Stroh- und somit des Rohfaseranteils erreicht. Dadurch verringerte sich die Energiekonzentration je kg Trockenmasse und die Futteraufnahme ging bei gleichbleibender Sättigung zurück. Insgesamt wurden trotz des hohen Rohfasergehaltes der Ration von 328 bzw. 363 g/kg TM relativ hohe Futteraufnahmen erzielt. Die tatsächlich aufgenommenen Energiemengen entsprachen den Versuchsvorgaben. Die Zielgehalte in der Rohproteinversorgung konnten erwartungsgemäß aufgrund des hohen Strohanteils nicht erreicht werden.

Gehalte der eingesetzten Rationen und deren Futter- und Nährstoffaufnahme

Nährstoffkonzentration der eingesetzten Rationen je kg Trockenmasse
 Gruppe I
Norm
Gruppe II
Norm - 25 %
Rohfaser (g) 328 363
Rohprotein (g) 86 73
ME (MJ)8,3 7,6
NEL (MJ)4,84,4
Mittlere tägliche Trockenmasse- und Nährstoffaufnahme
 Gruppe I
Norm
Gruppe II
Norm - 25 %
Trockenmasse (kg)12,5 10,3
Rohprotein (g) 1070 748
ME (MJ)103 79
NEL (MJ)6045

Entwicklung der Gewichte, der Rückenfettdicke und der Körperkondition

Gewichtsverlauf
Anhand der monatlich am Tier durchgeführten Messungen, konnte eine unterschiedliche Entwicklung der Körperkondition zwischen den Gruppen erfasst werden.
In Grafik 1 ist der Gewichtsverlauf der Gruppen aufgezeigt. Die Nährstoffversorgung nach bestehender Empfehlung für trockenstehende Kühe führte bei den vorliegenden frühen Trächtigkeitsstadium der Kühe zu einer sehr starken Gewichtszunahme bis knapp 800 kg LG. Selbst die Energiereduzierung um 25 % führte noch zu einer Gewichtszunahme. Erst gegen Ende des Versuches wurde diese Entwicklung durch den zunehmenden Nährstoffbedarf des wachsenden Fötus gestoppt. Dies wurde bei Versuchsende durch eine Erhöhung der Nährstoffversorgung in den letzten 4 Wochen der Trächtigkeit berücksichtigt.
Rückenfettdicke
Die durchgeführten Ultraschallmessungen der Rückenfettdicke RFD ergab ein ähnliches Bild. Die Tiere der Gruppe I bauten kontinuierlich Energiereserven in Form von Körperfett auf. Nach einem anfänglichen leichten Rückgang der RFD von etwa 2 mm, stabilisierte sich dieser Wert in der energiereduzierten Gruppe II.
BCS
Ebenfalls bestätigten die regelmäßig durchgeführten Konditionsbewertungen die in der Praxis oft beobachtete übermäßige Körperkondition lang trockenstehender Kühe. Zwar konnte durch die kontrollierte Nährstoffversorgung eine extreme Entwicklung der Körperkondition verhindert werden, jedoch ist die Gruppe I mit eine Beurteilungsnote von knapp über 4,0 an der Grenze angelangt. Eine Stabilisierung um eine optimale Einschätzung von 3,75 Punkten wurde hingegen in der Gruppe II erzielt.

Abkalbeverhalten und Geburtsgewichte der Kälber

Die Beobachtungen zu den Abkalbeverhalten der Kühe beider Gruppen zeigten keinen Unterschied. Die ermittelten Geburtsgewichte der 22 Kälber die während der Stallhaltungsperiode geboren wurden, ergaben auch in diesem Kriterium keinen gerichteten Unterschied. Zufällig waren die männlichen Kälber der Gruppe 2 sogar schwerer als die der Gruppe I.
Geburtsgewichte der Kälber (kg)
GeschlechtGruppe I
Norm
Gruppe II
Norm - 25 %
männlich40 (n = 4)49 kg (n= 5)
weiblich39 (n = 6)40 kg (n= 7)
Damit eine erhöhte Stoffwechselbelastung vor allem der Tiere die sich in der energiereduzierten Gruppe II befanden, auszuschließen sind, wurden zu Versuchsbeginn sowie zu Versuchende Blutproben aller Tiere gezogen. Bei der anschließenden Untersuchung wurde jeweils ein Leberprofil erstellt sowie relevante Mineralstoffe bestimmt. Insgesamt können anhand der „Leberwerte“ für beide Gruppen keine Hinweise auf eine Leberbelastung gefunden werden. Das Ergebnis zu Versuchende deutet auf keine erhöhte Stoffwechselbelastung durch die energiereduzierte Fütterung hin.

Fazit

Dieser Versuch an der LLA – Bayreuth hat gezeigt, dass die geltenden Empfehlungen zur Versorgung für sehr lange (über 2 Monate) dauernde Trockenstehzeiten zu einem stetigen Körpermasseaufbau führen. Dies bestätigen auch die Erfahrungen aus der Praxis, dass Kühe bei Verfütterung mittlerer Futterqualitäten aufgrund der zu diesem Zeitpunkt noch sehr hohen Futteraufnahme z. T. sehr stark verfetten. Nur die sehr hohe Zugabe von knapp 7 kg Stroh/Kuh und Tag senkte die aufgenommene Energiemenge soweit ab, das eine Stabilisierung der Körperkondition erreicht wurde. Eine entsprechende Nährstoffanpassung etwa 4 Wochen vor der Abkalbung ist vorzunehmen damit dem zunehmenden Bedarf des wachsenden Fötus Rechnung getragen wird.
Außerdem konnte gezeigt werden, dass keine negativen Auswirkungen auf das Muttertier sowie deren Kalb zu erwarten sind. Da der hohe Strohanteil in der Ration unter Praxisbedingungen oftmals nicht zu realisieren ist, sollte bereits bei der Futterwerbung im Sommer ein gewisser Anteil an Heu oder Grassilage mit geringer Energiekonzentration geerntet werden. In diesem Falle sollten die bestandsbildenden Gräser bereits verblüht sein. Solches Futter weist dann erfahrungsgemäß niedrige Energiegehalte von etwa 8,4 – 9,0 MJ ME bzw. 4,7 – 5,2 MJ NEL auf.
Als weitere Möglichkeit sollte eine Verlängerung der Säugedauer auf 10 Monate in Erwägung gezogen werden, um das Leistungsvermögen der Kühe zu nutzen. Ist eine Herdentrennung nicht möglich, so ist die Ochsenproduktion eine mögliche Alternative.