Forschungs- und Innovationsprojekt
THG-Minderung in der Landwirtschaft

Ökonomische und ökologische Folgenbewertung von Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen in der Landwirtschaft mit Hilfe eines Multi-Skalen-Modells

Ausgangslage und Problemstellung

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Treibhausgas (THG)-Emissionen bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 um 40 % zu reduzieren (Abbildung 1). Die Landwirtschaft trägt mit einem Anteil von ca. 8-13 % (je nach Zuordnungsgrundlage) zu den Gesamtemissionen in Deutschland bei. Um das Reduktionsziel zu erreichen, werden in Zukunft auch Maßnahmen zur Verringerung der THG-Emissionen im Sektor der Landwirtschaft gefordert werden.

Entwicklung der THG-Emissionen in Deutschland von 1990 bis 2014Zoombild vorhanden

Abbildung 1: THG-Emissionen und Reduktionsziel

Es stellt sich die Frage, welche Instrumente die Agrarpolitik zukünftig benötigt, um einerseits der Herausforderung Klimaschutz zu begegnen und andererseits die Primärfunktion der Landwirtschaft, nämlich die Erzeugung von Lebensmitteln und Agrarrohstoffen in der erforderlichen Menge und Qualität, nicht zu gefährden.

Den praktizierenden Landwirt interessiert vor allem, welche Klimaschutzmaßnahmen in seinem betrieblichen Kontext möglich sind und wie sich eine Änderung hin zu Klima schonenderen Produktionsmethoden auf sein Betriebsergebnis auswirkt. Neben der Modellierung der THG-Emissionen auf Betriebsebene ist daher die ökonomische Bewertung der THG-Vermeidungsoptionen von Bedeutung.

Fragestellungen aus politischer und wissenschaftlicher Sicht

Aus politischer Sicht entstehen weitere Fragestellungen, beispielsweise welche Barrieren für die Implementierung klimaschonender Maßnahmen in unterschiedlichen Betriebssystemen existieren. Dazu zählen sowohl sozio-ökonomische Rahmenbedingungen (Kosten, Preise, Märkte, Wissenstransfer etc.) als auch räumliche und klimatische Faktoren (Bodenbeschaffenheit, Klima etc.). Schließlich ist festzustellen, welche politischen Instrumente zur Vermeidung von THG-Emissionen eingesetzt werden können.

Aus wissenschaftlicher Sicht müssen wirksame Vermeidungsstrategien zur Verringerung landwirtschaftlicher THG-Emissionen gefunden werden, die auch Verlagerungseffekte ("Leakage", iLUC) und weitere Nebenwirkungen (z.B. auf Ökonomie, Ökologie, Soziales) angemessen berücksichtigen. Die Vielfalt der landwirtschaftlichen Betriebssysteme und Produktionsbedingungen erschwert die Entwicklung einer einheitlichen und robusten Strategie zur Reduktion von THG-Emissionen.

Vorstudie Systementwicklung Treibhausgas

In einer Vorstudie wurden bereits

  • ein "Multi-Skalen-Modell" zur Bilanzierung von THG-Emissionen auf Flächen-, Betriebs- und Produktebene entwickelt,
  • eine Verbindung zu ökonomischen Kennzahlen hergestellt sowie
  • durch die Anwendung des Modells am Beispiel von Praxisbetrieben (Milchviehhaltung) erste THG-Bilanzen erstellt und deren Variabilität analysiert.

Die Ergebnisse der Vorstudie haben gezeigt, dass es zwischen den Betrieben eine große Streubreite der THG-Emissionen gibt. Dünge- und Fütterungseffizienz sowie standortspezifische Emissionsfaktoren sind wesentliche Einflussfaktoren.

Ziele der Hauptstudie "THG-Minderung in der Landwirtschaft"

Angewandte Forschung: Erweiterung und Anwendung des in der Vorstudie entwickelten "Multi-Skalen-Modells"

  • Technische und inhaltliche Erweiterung des Multi-Skalen-Modells
  • Identifizierung von effektiven THG-Vermeidungsoptionen
  • Ex ante Bewertung der ökonomischen Auswirkungen unterschiedlicher THG-Vermeidungsmaßnahmen und weiterer Nebenwirkungen
  • Aufdeckung von Hemmnissen bei der Umsetzung klimaschonender Maßnahmen für unterschiedliche Betriebssysteme, Produktionsverfahren und Standorte
  • Identifizierung von geeigneten Ansatzpunkten für eventuelle Fördermaßnahmen

Bi-direktionaler Wissenstransfer

  • Der Landwirt erhält Hilfestellung für die Auswahl von kontextspezifischen, betrieblichen Maßnahmen zur Vermeidung von THG-Emissionen unter Beachtung der ökonomischen Konsequenzen. Individuelle, vorbildhafte Lösungen für Leuchtturm-Betriebe sollen den Wissenstransfer ermöglichen und einen Anreiz zur THG-Vermeidung geben.
  • Die Politik erhält Informationen zu Hot-Spots im Bereich der THG-Emissionen in Bayern sowie zu Ansatzpunkten (z.B. Fördermaßnahmen, Auflagen) für eine Reduktion von THG-Emissionen und zu klimafreundlichen Betriebs- bzw. Produktionssystemen einschließlich deren Nebenwirkungen (Ökonomik, Flächennutzung, Verlagerungseffekte etc.).
  • In Zusammenarbeit mit den Ämtern für Landwirtschaft und Forsten soll die Kommunikation von Klimaschutz im Bereich der Landwirtschaft für Praxis und Ausbildung erleichtert werden. Dabei sollen auch Beratungsbedarf und Bedenken der Landwirte adressiert werden.

Methode

Der bisherige Entwicklungsstand des Modells ermöglicht es, Praxisbetriebe in Bezug auf THG-Emissionen zu bilanzieren. Um THG-Vermeidungsoptionen von Betrieben simulieren und bewerten zu können, erfolgt eine Weiterentwicklung des Bilanzierungstools zu einem Bio-ökonomischen Modell mit partieller Ökobilanzierung.

Technische Weiterentwicklung

  • Datenbank gestützte Modellierung und Analyse: Die Verwaltung der für die Bilanzierung benötigten Daten erfolgt in einer Postgre Datenbank. Dadurch werden die langfristige Weiterentwicklungsmöglichkeit sowie die Verknüpfung mit weiteren Anwendungen der LfL erleichtert (z.B. LIOBA Datenbank - ILT, Strukturmodell - IBA). Die Entwicklung einzelner Modellelemente erfolgt zunächst in Microsoft Excel. Die Gesamtmodellierung soll dann basierend auf der Datenbank in VBA erfolgen.
  • Verknüpfung mit mechanistischen Elementen: Um Wirkungen und Nebenwirkungen von THG-Vermeidungsoptionen bewerten zu können, werden mechanistische Elemente in das Modell integriert (z.B. im Bereich der Düngung – Düngung nach Entzug nach DB-Rechner).
  • Bewertung von Technikanwendungen: Für die Bewertung von technischen Möglichkeiten zur Vermeidung von THG-Emissionen werden Teilmodule mit dem Modell verknüpft (z.B. Biogas zur Güllevergärung, Precision Farming, Wirtschaftsdüngermanagement, Beste Verfügbare Technik).
  • Multikriteriell: Um Wechselwirkungen von THG-Vermeidungsoptionen mit anderen bedeutenden Umweltindikatoren zu bestimmen, sollen in der Hauptstudie N-Flüsse genau betrachtet und geeignete, relevante Indikatoren in das Modell integriert werden (z.B. N-Bilanz, NH3-Emissionen).
  • Ökonomik: Für die monetäre Bewertung von THG-Vermeidungsoptionen erfolgt eine Verknüpfung der bio-physikalischen Parameter mit monetären Kenngrößen. Dabei soll auf bereits vorhandene Anwendungen der LfL zurückgegriffen werden (v. a. DB-Rechner). Neben der Wirtschaftlichkeit der Betriebs- und Produktionssysteme ist auch die Bewertung der Resilienz (Stabilität/Fehlertoleranz) im Hinblick auf zunehmende Volatilität der Märkte sowie die Zunahme von Extremwetter-Ereignissen von Bedeutung.

Inhaltliche Weiterentwicklung

Die technische Weiterentwicklung ist die Basis für inhaltliche Weiterentwicklungen

  • Ökonomik: Standortspezifische THG-Vermeidungskostenkurven, Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen zur THG-Reduzierung bei unterschiedlichen Preis-/Kostenverhältnissen
  • Bewertung von Bewirtschaftungsmaßnahmen: Fruchtfolgen, Grünlandbewirtschaftung, Leguminosenanbau
  • Bewertung unterschiedlicher Betriebs- und Produktionssysteme: verschiedene Intensitätsniveaus der Milchviehhaltung, unterschiedliche Milchviehrassen, Bewertung der Schweineproduktion, Grünlandbasierte Produktionsverfahren
  • Identifizierung und Bewertung sogenannter "Leuchtturmbetriebe": gekennzeichnet durch innovative Bewirtschaftungsmaßnahmen, Techniken oder Betriebs-/Produktionssysteme

Projekinformation
Projektleitung: Martina Halama (IBA)
Projektbearbeitung: Dr. Monika Zehetmeier (IBA), Anton Reindl (IBA), Georg Frech (IBA), Bianca Zerhusen (ILT), Dr. Mathias Effenberger (ILT)
Laufzeit: 2016 bis 2020
Finanzierung: StMELF
Projektpartner: Gemeinsames Projekt des Instituts für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur sowie des Instituts für Landtechnik und Tierhaltung
Förderkennzeichen: KL/16/03