Forschungs- und Innovationsprojekt
Gruppenhaltung ferkelführender Sauen

ferkelführende Sauen
Während sich bei der Wartesauenhaltung und auch im Deckbereich Gruppenhaltungssysteme in der Praxis etabliert haben, wird die Gruppenhaltung ferkelführender Sauen noch sehr kontrovers diskutiert. Untersuchungen zu verschiedenen Aspekten dieses Haltungssystems kommen hinsichtlich produktionstechnischer Ergebnisse, aber auch bezüglich der Tiergerechtheit dieses Haltungsverfahrens, zu unterschiedlichen Bewertungen.
Nachteile des Verfahrens ergeben sich insbesondere bei erhöhten Anteilen von fremdsaugenden Ferkeln und dadurch ausgelösten Störungen beim Saugakt.
Als Folgeprobleme werden Verletzungen, Sekundärinfektionen und Leistungsdepressionen der Ferkel beschrieben. Bei der Gruppenhaltung ferkelführender Sauen sind gleichzeitig die Ansprüche an das Management und die Beobachtung der Tiere sehr hoch.

Zielsetzung und Versuchsablauf

In der vorliegenden Studie wurden zwei verschiedene Buchtentypen zur Gruppenhaltung ferkelführender Sauen verglichen. Es wurde untersucht, ob durch eine Strukturierung der Bucht in Liege- und Aktivitätsbereich der Anteil der Störungen bei den Säugeakten beeinflusst werden kann und sich Auswirkungen auf die Gewichtsentwicklung der Ferkel feststellen lassen.
Die Versuchsvariante „Kojenbucht“ wies eine Strukturierung in Einzelliegeplätze („Kojen“) und einen gemeinsamen Aktivitätsbereich für die Sauen auf. In der „Einraumbucht“ fehlte diese Unterteilung nach Liege- und Aktivitätsbereich.
Die Sauen ferkelten einzeln in Bewegungsbuchten ab. Die Zusammenstallung von jeweils drei Sauen mit ihren Würfen erfolgte, sobald der jüngste Wurf 10 Tage alt war.
In beiden Gruppenbuchten wurden die Daten von jeweils sechs Sauengruppen erfasst. Der Versuchszeitraum erstreckte sich auf die Zeit von Februar 2004 bis März 2005. Es wurden sowohl produktionstechnische Daten (Aufzuchtsergebnis, Verluste mit Ursachen, individuelle Ferkelgewichte) als auch Verhaltensparameter in der 3. und 4. Laktationswoche erfasst. Da es sich um ein nicht klimatisiertes Stallgebäude handelte, wurden begleitend die Stallklimadaten aufgenommen.

Versuchsvariante 1: "Kojenbucht"

Die Kojenbucht wies deutlich voneinander getrennte Funktionsbereiche auf (siehe Grundriss oben). Die Bucht lässt sich unterteilen in den Liegebereich („Koje“) für die einzelnen Sauen mit angegliedertem Ferkelnest und den Aktivitätsbereich, in dem auch die Fütterung stattfand.
Die Liegebereiche waren durch Holzabtrennungen zu den Nachbarkojen hin, und durch einen 12 cm hohe Holzbalken (Streuschwelle) zum Aktivitätsbereich, hin abgegrenzt. Seitlich und im hinteren Bereich der Liegefläche waren Ferkelabweiser zum Schutz der Ferkel angebracht. Die Ferkelnester wurden lediglich mit Elektro-Infrarotstrahler beheizt. Die Liegefläche und die Ferkelnester wurden mit Stroh eingestreut. Der Aktivitätsbereich wurde meist mit Sägespänen, zum Teil aber auch mit wenig Stroh eingestreut.
Die Bucht konnte durch Abtrenngitter im Aktivitätsbereich in drei einzelne Bewegungsbuchten unterteilt werden. Die Sauen ferkelten in Einzelhaltung in diesen Bewegungsbuchten ab. Nachdem der jüngste Wurf 10 Tage alt war, wurden die Abtrenngitter im Aktivitätsbereich entfernt, und den drei Sauen mit Würfen stand somit der gesamte Buchtenraum von rund 31 qm zur Verfügung.
Grafik-Schema

Abb.: Grundriss der Variante "Kojenbucht"

Blick in einen Stall

Foto 1 der Variante "Kojenbucht"

Sauen und Ferkel liegen auf Stroh

Foto 2 der Variante "Kojenbucht"

Versuchsvariante 2: "Einraumbucht"

Die Variante „Einraumbucht“ wies einen annähernd quadratischen Grundriss auf ohne weitere Unterteilung in Liege- und Aktivitätsbereich für die Sauen (siehe Grundriss und Foto unten). Die gesamte Bucht, inklusive dem Ferkelnest, wurde mit Stroh eingestreut. Die Gesamtfläche der Bucht betrug rund 32 qm.
Die Sauengruppen wurden auch hier eingestallt sobald der jüngste Wurf 10 Tage alt war. Im Unterschied zur Kojenbucht war die Einstallung in die Einraumbucht aber immer mit einem Ortswechsel der Tiere verbunden.
Schemazeichnung

Grundriss der "Einraumbucht"

Säugende Sauen in der Einraumbucht

Säugende Sauen in der Einraumbucht

Vergleich der Buchtensysteme

Ferkelverluste
In der Zeit des Gruppensäugen traten keine, der Gruppenhaltung zuordenbare, Ferkelverluste auf. Bei rund 2 % der abgesetzten Ferkel traten jedoch Beeinträchtigungen aufgrund von Trittverletzungen auf. Die Hälfte dieser Verletzungen ereignete sich in der Zeit der Gruppenhaltung.
Tageszunahmen
Die Ferkel zeigten mit 246 g Tageszunahmen im Verlauf der ersten 4 Lebenswochen und einem 4-Wochen-Gewicht von knapp 8500 g eine insgesamt gute Entwicklung. Ein leichter Vorteil der Kojenbucht bei den Tageszunahmen der Ferkel in der 3. Lebenswoche schlug sich bei Betrachtung der Gesamtzunahmen nicht in signifikanten Unterschieden zwischen den beiden Buchtenvarianten nieder, so dass über den gesamten Beobachtungszeitraum kein Unterschied zwischen den beiden Varianten erkennbar war.
Aktivitäten der Sauen
Bei der Auswertung der Aktivitäten der Sauen zeigte sich, dass die vorgegebene Strukturierung in der Kojenbucht von den Sauen in der 3. und 4. Laktationswoche nur unzureichend angenommen wurde. Insgesamt wurde nur 60 % des Liegens in den Liegekojen beobachtet. Das Ziel, durch das Angebot von Liegekojen die Sauen zum Liegen und Säugen zu vereinzeln und dadurch weniger Störungen beim Säugen zu haben, wurde daher insgesamt nicht erreicht.
Ablauf der Saugakte
Beim Ablauf der Saugakte (Säugeintervall, Synchronität, Dauer) zeigten sich keine Unterschiede zwischen den beiden Buchtenvarianten. Es wurden in der Einraumbucht zwar etwas mehr Saugakte mit Beteiligung von Fremdferkeln bzw. Fremdsaugern, und auch eine höhere Gesamtzahl von Fremdferkeln bei den Saugakten beobachtet, jedoch zeigte dies keine Auswirkung bezüglich der beobachteten Störung der Saugakte im Vergleich der beiden Buchten.
Da keine grundlegenden Unterschiede zwischen den beiden Buchtenvarianten hinsichtlich Produktionsleistungen und Tierverhalten festgestellt wurden, muss sich im Einzelfall die Entscheidung für das Aufstallungssystem nach den einzelbetrieblichen Voraussetzungen unter Berücksichtigung der weiteren Vor- bzw. Nachteile der beiden Buchten richten.

Collage von Bildern mit Sauen und Ferkeln

Vorteile der Kojenbucht
Die Kojenbucht kann flexibler genutzt werden, da eine Doppelnutzung als Einzelbucht für die Abferkelung und als Gruppenbucht für die spätere Säugezeit möglich ist. Durch Zusammenfassung von drei einzelnen Bewegungsbuchten zu einer Kojenbucht können bei Bedarf in dieser Bucht Sauen mit ihren Würfen auch während der gesamten Säugezeit einzeln aufgestallt bleiben (Problemsauen, aggressive Tiere...). Gleichzeitig ist hier eine Umstallung der Tiere beim Zusammenstallen nicht notwendig mit entsprechenden Vorteilen bezüglich einer geringeren Stressbelastung der Tiere, aber auch in arbeitswirtschaftlicher Hinsicht.
Da die vorgesehene Strukturierung in der Kojenbucht nur unzureichend angenommen wurde, kam es zum Teil zur Verschmutzung der Liegekojen. Als nachteilig bei der gewählten Buchtenaufteilung ist daher insbesondere der erhöhte Arbeitsaufwand für die Entmistung der Liegebereiche zu nennen.
Vorteile der Einraumbucht
In der Einraumbucht ist grundsätzlich eine flexiblere Grundrissgestaltung möglich, da sich die Buchtenform nicht an den Erfordernissen einer Abferkelbucht orientieren muss. Gleichzeitig können hier leichter die jeweiligen Funktionsbereiche für Sauen und Ferkel (z.B. Fressbereich, Ferkelnest....) zusammengefasst und damit optimaler gestaltet werden. Da die Bucht nicht zur Abferkelung genutzt wird, können im Stallgebäude auch tiefere Temperaturen akzeptiert werden, als im Abferkelbereich der Kojenbucht. Aufgrund der flexibleren Grundrissgestaltung und des weiteren Temperaturbereiches, ist die Nutzung von Altgebäuden oder einfacheren Stallgebäuden besser möglich.

Empfehlungen zu Management und Buchtengestaltung

Was ändert sich durch Gruppenhaltung?

Die Beobachtungen im Versuch zeigen, dass beim Gruppensäugen (unabhängig von der Buchtenvariante) verschiedene tierindividuelle Verhaltensweisen zum Tragen kommen, die bei einer Einzelhaltung der Sauen weniger Bedeutung haben bzw. nicht in Erscheinung treten.

So zeigten sich bei den festgestellten Aktivitätsmustern, aber auch bei Anzahl und Dauer der Saugakte starke tierindividuelle Unterschiede, die beispielsweise die Synchronität der Saugakte und auch die Ruhe in der gesamten Gruppe maßgeblich beeinflussen können. Ein Einzeltier, welches im Verhaltensmuster stark von den weiteren Sauen der Gruppe abweicht, kann somit den Erfolg der gesamten eingestallten Gruppe in starkem Maße negativ beeinflussen. Auffällige Abweichungen von Einzelsauen im Säuge- oder Sozialverhalten können auch auf eine Überforderung des Tieres durch die Gruppensituation hinweisen (z. B. vermehrte Säugeakte im Stehen, Abbruch von Säugeakten bis zur Säugeverweigerung durch die Sauen). Hier ist eine sehr gute Beobachtungsgabe und entsprechende Erfahrung des Betreuungspersonals gefragt, um im Einzelfall zu entscheiden, ob das betreffende Tier in der Gruppe verbleiben kann oder nicht.

Beim Gruppensäugen kommen auch die Muttereigenschaften der Einzeltiere stärker zum Tragen als in der Einzelhaltung mit Fixierung der Muttersau. Die Bereitschaft der Sauen ihre Ferkel gegenüber dem Betreuungspersonal oder auch gegenüber anderen Sauen zu schützen bzw. zu verteidigen, kann bei den Routinearbeiten eine erhebliche Gefahrenquelle darstellen. Bei der Planung von Gruppensäugebuchten sollten daher Fixiermöglichkeiten für die Sauen vorgesehen werden. Gleichzeitig sollte eine gewisse Anzahl von „Reserve-Einzelbuchten“ eingeplant werden, um Einzeltiere gesondert aufstallen zu können. Langfristig ist eine Selektion von Muttertieren mit guten Muttereigenschaften bei möglichst niedrigem Aggressionspotential nötig.

Die jüngsten Ferkel sollten zum Zeitpunkt der Gruppenbildung wenigstens 10 Tage alt sein. Der Altersunterschied zwischen den verschiedenen Würfen sollte höchstens 5 Tage betragen.

Welche Punkte sind bei der Planung von Gruppensäugebuchten aus den Erfahrungen des Versuches zu berücksichtigen?

  • Einzelfressstände für die Sauen: Sie ermöglichen eine tierindividuelle Fütterung und können als Fixiermöglichkeit für die Sauen genutzt werden (Verminderung Unfallrisiko!). Gleichzeitig führen gemeinsame Mahlzeiten bei einer Trogfütterung zu mehr Ruhe in der Gruppe und beim Säugen
  • Ein attraktiver, eingestreuter, gemeinsamer Liegeplatz für die Sauen
  • Ein ausreichend großes, beheizbares Gemeinschaftsferkelnest in unmittelbarer Nähe zum Sauenliegeplatz. Ein breiter Ferkelschlupf zum Liegebereich der Sauen hin
  • Schieber o.ä. zum Verschließen des Ferkelnestes zum Wegsperren und Einfangen der Ferkel
  • Ein attraktiver Beifütterungsplatz, möglichst in der Nähe der Sauenfütterung. Grundsätze der Ferkelbeifütterung sind unbedingt beachten, z.B. Beifutter von höchster Qualität und Zusammensetzung, mehrmals tägliche, möglichst breitflächige Futtervorlage...
  • Ein möglichst kompakter und übersichtlicher Grundriss der Bucht, insbesondere bei zusätzlichem Auslauf, um den Ferkeln das Finden der Mütter zu erleichtern
Ein Gruppensäugen ist, bei entsprechender Gestaltung des Ferkelnestes, auch in nicht isolierten Gebäuden möglich.
Insgesamt konnten in den beiden Versuchsbuchten bei einer Gruppengröße von drei Sauen mit Würfen gute Aufzuchtergebnisse erzielt werden. Das Verfahren Gruppensäugen stellt nach den Erfahrungen im Versuch jedoch noch höhere Anforderungen an Beobachtung und Management der Tiere als die Einzelhaltung. Der Einfluss des Betreuungspersonals ist entsprechend bei diesem System besonders hoch. Die Entscheidung für das Verfahren wie auch für die Buchtengestaltung müssen sich an den einzelbetrieblichen Gegebenheiten orientieren.
Projektinformation
Projektleitung: Dr. Christina Jais
Projektbearbeitung: Martin Kühberger
Laufzeit: 2003 - 2005
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Förderkennzeichen: A/02/31