Tierwohl
Förderung der Hornlosigkeit in den Milchviehversuchseinrichtungen

Hornlosigkeit - Betriebe - Versuchseinrichtungen Milchviehhaltung - Bild 1

Erbholz PP, geb. 1990, Züchter: Staatsgut Kringell, Foto: Bayern-Genetik

In den Milchviehherden der Bayerischen Staatsgüter (BaySG) in Grub, Achselschwang, Almesbach und Kringell wird in Zusammenarbeit mit dem Institut für Tierzucht der LfL in Grub seit mehr als drei Jahrzehnten ein natürlich hornloses Doppelnutzungsrind für die Milchviehhaltung gezüchtet.

Der Ursprung der Hornlosigkeit in diesen Herden geht größtenteils auf weibliche Nachkommen von fleischbetonten hornlosen Fleckvieh-Prüfbullen aus den Mutterkuhherden des Haupt- und Landgestüts (HLG) Schwaiganger zurück, welche im Rahmen des staatlichen Zuchtversuches auf Hornlosigkeit seit den 1980er Jahren von den bayerischen Besamungsstationen einem beschränkten Prüfeinsatz unterzogen wurden. Als bedeutende Bullen des Hornlos-Zuchtprogrammes erwiesen sich in dieser Zeit die als homozygot hornlos erkannten Besamungsbullen Holzer PP 99/750 (Linie Holler) und Empau PP 99/760 (Linie Embargo). Beide Bullen prägten die hornlose Basis der Milchviehversuchsherden maßgeblich.

Bulle von der SeiteZoombild vorhanden

Eisenherz PP, geb. 1994, Züchter: HLG Schwaiganger, Foto: Bayern-Genetik

Später erfolgte der gezielte Einsatz von bereits geprüften homozygot hornlosen Nachkommen wie z.B. Erbholz PP 11/7612, Eisenherz PP 11/7623, Hiller PP 99/41124 oder dem nicht aus dem Zuchtversuch stammenden Bullen Ho PP 99/13733 mittels KB und ET auf gehörnte Milchkühe zur kontrollierten Ausweitung der natürlichen Hornlosigkeit. So waren die Bullen Eisenherz PP und Erbholz PP sehr bedeutende „Transporteure“ der Hornlosanlage in die Milchviehherde der VS Grub.

Systematische Ausweitung der natürlichen Hornlosigkeit in den Versuchsherden

Seit Mitte der 1990er Jahre wurden die vorhandenen hornlosen Milchkühe und Jungrinder in den staatlichen Herden zunehmend mit den damals verfügbaren gehörnten Topvererbern angepaart. Hierbei wurde in Kauf genommen, dass ein beträchtlicher Anteil an gehörnten Nachkommen geboren wird, welcher für die Hornloszucht nicht zur Verfügung steht. Die Kombination von genetischer Hornlosigkeit mit dem hohen Leistungsvermögen der gehörnten Spitzengenetik versprach jedoch für die natürlich hornlosen Nachkommen den höchsten Zuchtfortschritt in allen für die Milchviehhaltung wichtigen Merkmalen. Zugleich wurden erste in der Doppelnutzung gezüchtete hornlose Prüfbullen auf genetisch gehörnte Kühe eingesetzt und über die Jahre über beide Pfade eine Reihe hornloser Besamungsbullen aus der Mitte der staatlichen Versuchsherden erzeugt. Dies war elementar wichtig, da über die Zuchtviehmärkte noch keinerlei Hornlosbullen verfügbar waren. Der Leistungsstärkste war Ralmesbach PS 10/169545. Er verblüffte nachkommengeprüft wegen der sehr hohen Milchleistung seiner Töchter (GZW 130, MW 127, ZWS 08.2007) und wurde deshalb von vielen Betrieben eingesetzt.

Kuh von der Seite

Hondura Pp, geb. 1998, herausragende hornlose Zar-Tochter, SG Grub, Foto: Schuhmann

Kuh von der Seite

Nicol Pp, geb. 2002, leistungsstarke hornlose Romel-Tochter, SG Achselschwang

Bulle von der Seite

Ralmesbach PS, geb. 2001, milchmengenstarker Ramhorn PS-Sohn, SG Almesbach, Foto: Station Marktredwitz

In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Biotechnik des ITZ Grub (Dr. Reichenbach) wurden am Staatsgut (SG) Grub über die Jahre mittels Embryotransfer von den besten natürlich hornlosen Kühen züchterisch wertvolle Nachkommen erzeugt. Dies beschleunigte die positive Leistungs- und Zuchtwertentwicklung des natürlich hornlosen Bestandes nachhaltig.
Seit dem Jahr 2011 werden in den Versuchsherden von Achselschwang, Almesbach, Kringell und Grub neben den besten nachkommengeprüften Vererbern verstärkt ausgewählte, hornlose genomische Jungvererber eingesetzt. Dadurch konnte bei einer erhöhten Leistungssicherheit (gegenüber den früheren Prüfbullen) die Zahl hornlos geborener Nachkommen deutlich gesteigert und auch zunehmend homozygot hornlose Nachkommen erzeugt werden. In Kringell und Almesbach fungieren zusätzlich hornlose Deckbullen als "biologische Enthorner".

Hornstatusprüfung

Alle potenziell hornlosen Kälber werden seit Beginn des früheren Zuchtversuches einer Hornstatusprüfung unterzogen. Am Staatsgut Grub erfolgt die Hornstatuserhebung seit dem Jahr 2000 mit einem speziellen Zahlencode, der den Phänotyp auf beiden Hornansatzstellen einheitlich beschreibt. Die Hornstatus-Ergebnisse geben Aufschluss bezüglich des tatsächlichen Genotyps der Tiere, bzw. ihrer Eltern. Zugleich bildeten sie die Basis für eine Reihe von molekulargenetischen Forschungen auf dem Gebiet der Hornlosigkeit. Auf der Grundlage der Hornstatuserhebungen in den staatlichen Rinderversuchsherden und der gewonnenen Erfahrungen konnte im Jahr 2003 in Zusammenarbeit mit dem LKV Bayern die Registrierung der genetisch hornlosen Rinder in den Mitgliedsbetrieben des LKV begonnen und 2008 optimiert werden. In Grub erfolgt seit einigen Jahren zusätzlich eine Erhebung zum Auftreten seltener Phänotypen wie Stirnbeulen oder verzögertes Hornwachstum.

Fazit

Die verschiedenen züchterischen Maßnahmen in den aufgeführten Versuchseinrichtungen zielen darauf ab, die Anzahl an natürlich hornlosen Tieren zu erhöhen und zugleich die Qualität und das Leistungsvermögen zu verbessern. Die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen werden stets auch vor Ort den Auszubildenden und an der Hornloszucht interessierten Landwirten in Führungen vermittelt. Auf diese Weise leisten die genannten staatlichen Versuchseinrichtungen seit vielen Jahren einen bedeutsamen Beitrag, eine mögliche Reduzierung der herkömmlichen Enthornung der Kälber mittels der gezüchteten natürlich hornlosen Tiere aufzuzeigen und die gemachten Erfahrungen weiterzugeben.

Staatsgut Grub

StallgebäudeZoombild vorhanden

Über 60 Prozent der FV-Kühe des SG Grub sind hornlos gezüchtet.

Seit Beginn der Hornloszucht am Staatsgut Grub konnten aus der Milchviehversuchsherde 29 natürlich hornlose Besamungsbullen erzeugt werden. Dadurch wurde gerade in einer Zeit, in der alternativ kaum hornlose Zuchtbullen mit interessanter Abstammung verfügbar waren, ein wichtiger Beitrag geleistet, die hornlose Zuchtrichtung zu festigen. Als bekanntester Bulle ist Irola PS 10/199000 zu nennen. Im Jahr 2011 erlöste der Rotax-Sohn, ausgestattet mit sehr hohen genomischen Zuchtwerten, einen bis dahin noch nie erzielten Versteigerungspreis von 49.500 Euro. In der Folgezeit stieg das Interesse der Betriebe an den verfügbaren Hornlosbullen spürbar an und die Hornloszucht wurde endgültig "gesellschaftsfähig".
Bulle nach rechts gedreht

Irola PS, geb. 2010, V. Rotax, MV. Mandela, SG Grub, Foto: RBW

Bulle von der Seite

Wish PP*, geb. 2015, V. Wischer P*S, MV Hochkogl, SG Grub, Foto: BSG Greifenberg

Kuh Bina von der Seite

Bina P*S (5 Kalbungen), V. Hades, in 4. Generation hornlos, Foto: Berchtold

Bulle von der Seite

Istas P*S, geb. 2018, V. Irokese P*S, MV Everest, SG Grub, Foto: Bayern-Genetik

Milchviehversuchseinrichtungen

Ansprechpartner
Johann Robeis
Institut für Tierzucht
Prof.-Dürrwaechter-Platz 1
85586 Poing-Grub
Tel.: 08161 8640-7159
Fax: 08161 8640-7199
E-Mail: Tierzucht@lfl.bayern.de

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Johann Robeis