Forschungs- und Innovationsprojekt
Vorstudie zur „Systementwicklung Treibhausgas“

Verknüpfung von erhobenen Betriebsdaten, Treibhausgas (THG)-Modellen und Geodaten als Grundlage für die ex ante Bewertung von THG-Vermeidungsoptionen in der Landwirtschaft

Mit einem Anteil von 13 % ist die Landwirtschaft nach dem Energie- und Industriesektor der drittgrößte Verursacher von Treibhausgas (THG)-Emissionen in Deutschland (UBA, 2013) und größter Emittent von N2O (78 %) und CH4 (53 %) (UNFCCC, 2014). Die landwirtschaftliche Produktion wird in erheblichem Maße von den Folgen des anthropogenen Klimawandels betroffen sein. Bisher gibt es keine konkreten Ziele und Maßnahmen zur Reduktion der THG-Emissionen in der Landwirtschaft. Angesichts der ambitionierten THG-Einsparungsziele der Bundesregierung von 40 % bis zum Jahr 2020 im Vergleich zu 1990 wird aber auch die Landwirtschaft einen Beitrag dazu leisten müssen.
Eine zuverlässige ökologische und ökonomische Bewertung von THG-Vermeidungsoptionen auf der Ebene der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe war bisher vor allem aufgrund der großen Heterogenität der Betriebs- und Standortbedingungen nicht möglich. Hat man die wichtigsten Maßnahmen für die Minderung von THG-Emissionen identifiziert, müssen Anreize und Hemmnisse für deren Umsetzung sowie Wechselwirkungen mit anderen Umweltwirkungen untersucht werden.

Ziele

  • Entwicklung eines Modells zur Ermittlung von THG-Emissionen unterschiedlicher Betriebs-/Produktionssysteme unter Berücksichtigung der Standortbedingungen und der ökonomischen Betriebsergebnisse
  • Klassifizierung unterschiedlicher Betriebs-/Produktionssysteme (z. B. bezüglich Intensität, Spezialisierung, ökonomischer Kenngrößen) für die Analyse der THG-Emissionen anhand von Praxisdaten
  • Analyse der Variabilität der (THG)-Emissionen zwischen Betriebs- und Produktionssystemen zur Aufdeckung und ökonomischen Bewertung von THG-Minderungsmaßnahmen auf Betriebsebene.

Methode

Es wurde ein integriertes, gesamtbetriebliches Modell zur Bilanzierung der THG-Emissionen entwickelt. Zurzeit können von 512 bayerischen Betrieben anonymisierte Daten zur Ökonomie und Produktionstechnik sowie zur schlaggenauen Flächenbewirtschaftung für die betriebsspezifische Ermittlung von THG-Emissionen herangezogen werden. Hierbei handelt es sich überwiegend um Milchviehbetriebe, von welchen Daten aus einem bis vier Wirtschaftsjahren vorliegen.

Das Modell beinhaltet die Bilanzierung der Tierausscheidungen je Tierkategorie über Futteraufnahme, Haltungssystem und Lagerung sowie die Bilanzierung des Pflanzenbaus je Kulturart anhand der benötigten Betriebsmittel und der Düngung ausgehend von der schlagspezifischen Emissionsberechnung. Ernterückstände und Verluste entlang der Erntekette werden berücksichtigt, sodass die Erntegüter wieder der Tierhaltung als Futtermittel zugeordnet werden können oder den Betrieb als Marktfrüchte verlassen (vgl. Abbildung 1).

Die Berechnungsmethode orientiert sich an der Ökobilanzmethode nach DIN-Norm 14040/14044, IPCC-Richtlinien zur Erstellung nationaler Treibhausgasinventare und der Methodik zur Deutschen Emissionsberichterstattung. Zur Berechnung der Lachgas (N2O)-Emissionen aus Stickstoffeinträgen Düngemitteln, Ernterückständen, Auswaschung oder Deposition werden regionale N2O-Emissionsfaktoren verwendet (Thünen-Institut). Daten zu den Vorketten der Produktionsmittel stammen aus der Datenbank Ecoinvent 3 (Ecoinvent, CH). Zukauffuttermittel werden anhand von Daten aus der FeedPrint-Datenbank (Wageningen UR Livestock Research, NL) modelliert.
Physikalisch-biologische Eigenschaften von Futtermitteln und Marktfrüchten beruhen auf der Grundlage der Gruber Futterwerttabellen (ZIFO). Die Umsetzung des Modells erfolgt in Microsoft Excel.

Ergebnisse

An einem Beispielsbetrieb werden hier die unterschiedlichen Auswertungsebenen (Betrieb, Produktionssystem, Produktionsverfahren) und Bezugsebenen (Fläche, Tier, Tierkategorie, Produkt, Jahr, Haltungsperiode) des Modells aufgezeigt. Der dargestellte Betrieb ist auf Milchviehhaltung spezialisiert und weist einen Bestand von 104 Milchkühen mit einer durchschnittlichen Milchleistung von 7990 kg ECM (Energiekorrigierte Milch) pro Tier und Jahr auf. Für die Futtermittelerzeugung werden eine Ackerfläche von 59 ha (Winterweizen, Silomais, Winterroggen und Kleegras) sowie eine Dauergrünlandfläche von 13,5 ha (Grassilage und Heu) bewirtschaftet.

Jährliche Emissionen des Gesamtbetriebs

Größter Einzelposten der Gesamtemissionen des Betriebs von ca. 1.140 t CO2-Äq. pro Jahr sind bei diesem Betrieb die Methan-Emissionen aus der Verdauung im Pansen der Rinder mit einem Anteil von 41 % (vgl. Abbildung 2). Die Erzeugung eigener und zugekaufter Futtermittel verursacht in diesem Betrieb 31 % und die Methanverluste aus dem Wirtschaftsdünger-Lager 12 % der Gesamtemissionen. Die Herstellung und der Verbrauch von Strom- und Treibstoff schlagen in diesem Betrieb mit lediglich 3 % zu Buche.

Aufteilung der gesamten jährlichen THG-Emissionen des Beispielbetriebs auf einzelne Quellgruppen

Abbildung 2: Aufteilung der gesamten jährlichen THG-Emissionen des Beispielbetriebs auf einzelne Quellgruppen

Emissionen des Tierbestands je Tierkategorie und Jahr

Die Treibhausgasemissionen des Tierbestandes summieren sich auf knapp 1.000 t CO2-Äq. pro Jahr, wovon 713 t auf die 104 Milchkühe und 278 t auf die Jungviehaufzucht entfallen (vgl. Abbildung 3).

Emissionen des Pflanzenbaus je Kulturart, Hektar und Jahr

Für Unterschiede in den kulturartspezifischen Emissionen sind neben der betrieblichen Düngepraxis hauptsächlich die schlaggenauen N2O-Emissionsfaktoren in Abhängigkeit der Bodeneigenschaften verantwortlich. Die flächenbezogenen Emissionen aus dem Pflanzenbau liegen für die intensiv gedüngten Kulturen Winterweizen und Silomais zwischen 5,3 t und 6,7 t CO2-Äq. je Hektar und Jahr, für die weniger gedüngten Kulturen Winterroggen und Wintergerste bei 2,2 bis 2,6 t CO2-Äq. je Hektar und Jahr (vgl. Abbildung 4).

Emissionen je kg Milch

Eine erste Auswertung der THG Emissionen pro kg Energie korrigierte Milch (ECM) von 317 Betrieben der Jahre 2011 bis 2013 ist in Abbildung 5 dargestellt. Die Emissionen weisen eine relative hohe Schwankungsbreite von 2,03 bis 0,54 kg CO2-Äq/kg ECM auf. Die Nebenprodukte wie Altkuhfleisch und nicht zur Nachzucht benötigte Kälber wurden noch nicht bewertet. Im Gegensatz zu den Ergebnissen zahlreichen Literaturquellen zeigt sich in dieser Auswertung kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Milchleistung und THG-Emissionen pro kg ECM.

Fazit

Es wurde ein Modell zur Bilanzierung der THG-Emissionen landwirtschaftlicher Betriebe auf Produkt-, Flächen- und Betriebsebene erstellt, welches mit der ökonomischen Betriebsauswertung verknüpft ist. Dieses Modell soll im Projektfortgang zur automatisierten Auswertung einer größeren Stichprobe von Betrieben in Bayern genutzt werden. Parallel kann eine Klassifizierung der Betriebs-/Produktionssysteme weitere charakterisierende Informationen bereitstellen, um geeignete Betriebsvergleiche zu identifizieren. Die gesammelten Betriebsergebnisse sollen mit Hilfe von Dominanz-Analysen ausgewertet werden um die klimaeffizientesten und kostengünstigsten THG-Vermeidungsoptionen aufzudecken.

Alle Details zur Vorstudie - v. a. Methodik, ausführliche Ergebnisse und Diskussion - wurden im Rahmen einer LfL-Schriftenreihe veröffentlicht:

Projektinformation
Projektleitung: Walter Zickgraf (IBA)
Projektbearbeiter: Monika Zehetmeier (IBA), Bianca Zerhusen (ILT), Mathias Effenberger (ILT), Walter Zickgraf (IBA)
Laufzeit: 2014 bis 2016
Finanzierung: StMELF
Projektpartner: Gemeinsames Projekt des Instituts für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur sowie des Instituts für Landtechnik und Tierhaltung
Förderkennzeichen: KL/13/02