Forschungs- und Innovationsprojekt
Einfluss des Flächenangebots auf Leistung und Verhalten von Jungebern und Mischgruppen aus Kastraten und weiblichen Mastschweinen

Ein Eber bespringt einen Buchtengefährten mit ausgeschachteten Penis. Ein anderes Tier wendet sein Maul diesem Penis zu.
Jungeber zeichnen sich durch sehr gute Wachstumsleistungen aus, sind aber aktiver als Kastraten und zeigen auch unerwünschte Verhaltensweisen, wie ausgeprägtere Kämpfe, Aufreiten auf Buchtengefährten und das sog. Penisbeißen.

Abb. 1: Während ein Eber einen anderen bespringt, richtet das im Vordergrund stehende Tier seine Aufmerksamkeit auf den ausgeschachteten Penis.

Zielsetzung der Versuche

In Versuchen sollte deshalb der Frage nachgegangen werden, ob diese unerwünschten Verhaltensweisen der Eber durch ein erhöhtes Flächenangebot reduziert werden können und wie sich das Flächenangebot auf die Leistung der Tiere auswirkt. Die Bedeutung der Fläche auf die tierische Leistung sollte parallel auch für Mischgruppen aus Kastraten und weiblichen Mastschweinen geklärt werden.
Ein Tier steht in einer aus der Mastbucht durch eine Trennwand abgeteilten Genesungsbucht.Zoombild vorhanden

Abb. 2: Behandlungsbucht im Einsatz

Ein weiterer Schwerpunkt war die Erprobung eines der Jungebermast angepassten Managements, insbesondere das frühzeitige Eingreifen bei Verletzungen und Krankheiten. Hierfür wurde die Möglichkeit geschaffen, innerhalb der Mastbuchten Genesungsbuchten abzutrennen, um behandlungsbedürftige Tiere schnell separieren und, falls möglich, nach der Genesung wieder in die Mastgruppe integrieren zu können.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Erprobung eines der Jungebermast angepassten Managements, insbesondere das frühzeitige Eingreifen bei Verletzungen und Krankheiten. Hierfür wurde die Möglichkeit geschaffen, innerhalb der Mastbuchten Genesungsbuchten abzutrennen, um behandlungsbedürftige Tiere schnell separieren und, falls möglich, nach der Genesung wieder in die Mastgruppe integrieren zu können.

Tiere, Material und Methoden

Versuchsbuchten

Die Tiere wurden mit ca. 30 kg Lebendgewicht in die Mast eingestallt und bis zu einem Mastendgewicht von ca. 120 kg gemästet. Eber -und Gemischtgruppen wurden in zwei baugleichen Abteilen getrennt voneinander aufgestallt. Alle Versuchsgruppen hatten zum Mastbeginn ein möglichst identisches mittleres Einstallgewicht bei ebenfalls gleicher Gewichtsstreuung. Wurfgeschwister wurden möglichst auf verschiedene Behandlungen aufgeteilt und Kastraten und weibliche Tiere in den Mischgruppen im Verhältnis 50:50 aufgestallt.
Der Versuch umfasste drei Mastdurchgänge, die im Versuchsstall der LfL am LVFZ Schwarzenau durchgeführt wurden.
Je Durchgang wurden in jeweils vier Mastbuchten insgesamt 105 Jungeber in den Eberbuchten und 105 Mastsauen und Kastraten in Mischbuchten mit vier verschiedenen Flächenangeboten aufgestallt. Ausgehend von 0,75 m² uneingeschränkt nutzbarer Buchtenfläche je Tier wurde um 10 %, 20 % und 50 % gesteigert. In den vorhandenen gleich großen Buchten wurde dazu die Tierzahl je Bucht verringert und die Troglänge zur Einhaltung eines identischen Tier-Fressplatzverhältnisses angepasst. Die Tiere erhielten Flüssigfutter ad libitum am Sensor-Kurztrog.
Insgesamt ergab sich die in Tab.1 dargestellte Kombination an Faktoren.
Tab. 1: Ausstattung der Versuchsbuchten
Fläche je Tier, m²0,750,820,901,05
Tiere je Bucht30282522
Troglänge, cm150140125110
Tiere je Fressplatz3,13,13,13,1

Einsatz der Genesungsbuchten

Bei Bedarf wurde durch das Einsetzen eines Trennwandelements ein Teil der Mastbucht so abgeteilt, dass das zur Genesung separierte Tier noch Zugang zum gemeinschaftlichen Trog hatte. Das Trennwandelement war im unteren Bereich bis auf 60 cm Höhe geschlossen, darüber mit Querstangen ausgeführt. Auf diese Weise bestand für das von der Gruppe abgetrennte Schwein einerseits eine Rückzugsmöglichkeit und zugleich während der gesamten Behandlungszeit Nasen-, Geruchs- und Blickkontakt mit den übrigen Buchtengenossen. Dadurch sollte die spätere Wiedereingliederung in die Mastgruppe erleichtert werden.
Ausführlicher beschrieben werden diese Genesungsbuchten im Beitrag

Genesungsbuchten in der Schweinemast nach dem „Bucht-in-Bucht-Prinzip“

Zur Beurteilung der Wirkung des Flächenangebots erfolgte eine umfangreiche Datenaufnahme am lebenden und am toten Tier.

Datenerhebung am lebenden Tier:

  • Lebendmasse der Einzeltiere zu verschiedenen Zeitpunkten: Einstallen, 42., 63. und 84. Masttag, Mastende
  • Futterverbrauch je Bucht wöchentlich

Jeweils um den Zeitpunkt der Wiegungen:

  • Verletzungen und Kratzer der Haut (nur zwei Mastdurchgänge)
  • Gangweise (Lahmen) (nur zwei Mastdurchgänge)
  • Liegeverhalten ( über Videoaufzeichnungen) in Mastwoche 12 und Mastwoche 6

Datenerhebung am toten Tier:

  • Schlachtdaten (z. B. Ausschlachtung, Muskelfleischanteil)
  • Nackenfettproben der Eber zur Bestimmung der geruchsbeeinflussenden Inhaltsstoffe Androstenon, Skatol und Indol (nur ein Mastdurchgang)
  • Verletzungen und Veränderungen an den Eberpenissen

Ergebnisse

Mast- und Schlachtleistung

Die Jungeber wie auch die Mischgruppen erreichten bei den Mast- und Schlachtleistungen in allen Mastdurchgängen ein sehr hohes Leistungsniveau. Sie waren mit etwa 30 kg Lebendmasse eingestallt worden. Das Mastendgewicht der Eber betrug knapp 123 kg nach 103 Masttagen, das der Mischgruppen gut 121 kg nach 105 Masttagen. Die täglichen Zunahmen lagen bei 909 g in den Ebergruppen und bei 872 g in den Mischgruppen. Die Futterverwertung betrug 2,4:1 (Eber) bzw. 2,5:1 (Mischgruppen). Bei einem Schlachtgewicht von 95,9 kg erreichten die Jungeber eine Ausschlachtung von 78,5 % und einen Muskelfleischanteil von 59,4 %. In den Mischgruppen lag das Schlachtgewicht bei 96,3 kg, die Ausschlachtung betrug 79,6 % und der Muskelfleischanteil 59,4 %.

Tierverluste

Aus den Eberbuchten wurden insgesamt 7 Tiere vorzeitig ausgestallt (2,2 %), aus den Mischbuchten 8 Tiere (2,5 %). Totalverluste traten nicht auf. In den Eberbuchten traten damit im Vergleich zu den Mischbuchten keine erhöhten Tierverluste bzw. häufigere vorzeitige Abgänge auf.
Dies könnte auf den frühzeitigen Einsatz der Genesungsbuchten zurückzuführen sein, da durch die in der Genesungsbucht gegebenen Ruhe die Heilungschancen bei Lahmheit größer sein dürften als in der Gruppenbucht.

Gangweise

Insgesamt wurden 90,7 % der Bewertungen für die Gangweise als unauffällig mit Note 1 eingestuft. 6,4 % wurden der Kategorie „steifer oder veränderter Gang“ (Note 2) zugeordnet. Bei 1,9 % der Bewertungen lahmte das Tier auf einer Gliedmaße (Note 3), bei 0,8 % betraf die Lahmheit mehrere Gliedmaßen (Note 4) und bei 0,2 % wurde „Festliegen“ notiert (Note 5). Eber und Tiere der Mischbuchten unterschieden sich nicht in der Bewertung.

Hautverletzungen

Die Eber wiesen signifikant mehr Hautverletzungen auf als die Tiere der Mischgruppen. Über zwei Mastdurchgänge mit je drei Boniturterminen waren nur 12,2 % der Eber an einzelnen Boniturterminen vollständig unverletzt, aber 18,8 % der Tiere in der Mischgruppe.
Der Unterschied zwischen den Geschlechtern lag in den oberflächlichen Verletzungen, die bei den Ebern vor allem die vordere Körperhälfte betrafen und Folge der ausgeprägteren Auseinandersetzungen waren. Von insgesamt 4976 für die Eber vergebenen Einzelnoten waren 45,2 % oberflächliche Hautverletzungen, aber nur 33,7 % der 4992 Einzelnoten für die Tiere der Mischbuchten (Unterschied signifikant). Die oberflächlichen Hautverletzungen stellen vermutlich keine Belastung für das Wohlbefinden der Eber dar.
Tiefe Hautverletzungen traten mit 1,3 % der Einzelnoten bei Ebern und Mischgruppen gleichermaßen selten auf.

Kombination aus zwei Einzelbildern. Im linken Bild wird ein Mastschwein mit oberflächlichen Hautverletzungen gezeigt, im rechten Bild ein Tier mit tief Hautverletzungen.

Abb. 3: Oberflächliche Verletzungen (links) heilten schnell ab. Rechts: Beispiel einer als tief bewerteten Verletzungen

Liegeverhalten

Insgesamt lagen 67 % der Tiere in Mastwoche 12 (etwa 105 kg Lebendmasse) während der aufgezeichneten Nachtstunden von 20 Uhr bis 4 Uhr in Seitenlage, 17 % in Bauch-Seitenlage und 3 % in Bauchlage. 10 % der Liegepositionen konnten nicht eindeutig bestimmt werden. 3 % der Tiere saßen oder standen.
Bei den noch jüngeren Tieren in Mastwoche 6 (etwa 67 kg Lebendmasse) lagen nur 49 % der Tiere in Seitenlage, 28 % in Bauch-Seit- und 3 % in Bauchlage. 15 % der Liegepositionen konnten nicht eindeutig bestimmt werden. 5 % der Schweine standen oder saßen.
Eber- und Mischbuchten unterschieden sich nicht.

Kreisdiagramm zur Angabe der Häufigkeit verschiedener Liegepositionen und der Häufigkeit sitzender und stehender Schweine.

Abb. 4: Liegepositionen in Eber- und Mischbuchten während der Nachtstunden in Mastwoche 12

Verletzungen am Penis

Zu sehen sind zwei vom Schlachtkörper entnommene Eberpenisse. Links ein unverletzter Penis, rechts ein Penis mit mehreren länglichen Verletzungen im Bereich der Penisspitze.ternativtext eingeben

Abb. 5: Penis mit mehreren länglichen Verletzungen im Bereich der Spitze (rechts), daneben unversehrter Penis (links)

Verletzungen bzw. Veränderungen an den Penissen traten in verschiedener Form auf. 62,9 % der Penisse hatten punktförmige oder längliche Wunden bzw. Kratzer im Bereich der Penisspitze, 10,3 % im Bereich des Penisköpers. Abschürfungen wiesen 3,6 % der Penisse auf, Verluste eines Teils des Penisgewebes waren zu 1,6 % zu beobachten. Über alle drei Durchgänge hinweg wiesen 64,2 % der Penisse Veränderungen auf, 35,8 % waren gänzlich unverletzt.

Verletzungen können von einer oralen Manipulation durch Buchtengefährten während des Aufreitens mit ausgeschachtetem Penis rühren („Penisbeißen“) oder durch den Kontakt mit der Haut bzw. dem Haarkleid der besprungenen Tiere verursacht werden. Die Schmerzhaftigkeit der beobachteten Penisverletzungen ist nicht sicher einzuschätzen. Keines der betroffenen Tiere fiel aber infolge von durch länger anhaltende Schmerzen bedingten Verhaltensabweichungen auf. Ebenso wurden bei keinem Tier am Schlachtband Hinweise auf ein Entzündungsgeschehen bemerkt worden.

Androstenon-, Skatol- und Indolgehalte

Der mittlere Gehalt an Androstenon je Gramm Nackenfett der Eber betrug 145 ng, an Skatol 75 ng und an Indol 21 ng. 95,2 % der Proben blieben sowohl unter dem Schwellenwert von 500 ng/g Fett für Androstenon wie auch unter dem Schwellenwert von 160 ng / g Fett für Skatol, keine Probe lag über 500 ng / g Androstenon, nur eine Probe über 350 ng / g Fett Skatol.
Alle Eber der drei Mastdurchgänge wurden im Versuchsschlachthaus der LfL am Standort in Schwarzenau geschlachtet. Kein Eberschlachtkörper musste wegen Geruchsauffälligkeit verworfen werden.

Zweidimensionales Diagramm mit Darstellung der Gehalte an Androstenon und Skatol im Nackenfett der Eber als Punktewolke. Die Y-Achse-Achse gibt die Androstenonwerte und die X-Achse die Skatolwerte an.

Abb. 6: Verteilung der Leitsubstanzen des Ebergeruchs Androstenon und Skatol

Kein Einfluss des Flächenangebots

Die geprüften Stufen des Flächenangebots ausgehend vom gesetzlichen Mindeststandard von 0,75 m² uneingeschränkt nutzbarer Buchtenfläche je Tier mit den Steigerungsstufen + 10 %, + 20 % und + 50 %, gekoppelt mit einer unterschiedlichen Tieranzahl je Bucht hatten auf keinen der erhobenen Parameter einen gerichteten und signifikanten Einfluss.

Schlussfolgerungen

Aus den vorliegenden Ergebnissen ergibt sich kein Hinweis darauf, dass eine Erhöhung des Flächenangebots je Tier in Verbindung mit einer Verringerung der je Bucht gehaltenen Tiere die Leistungsparameter erhöht oder zu einer Reduzierung der unerwünschten Verhaltensweisen von Ebern (Aufreiten, Penisbeißen) führt. Ebenso werden die geruchsbeeinflussenden Substanzen Androstenon, Skatol und Indol im Nackenfett der Eber dadurch nicht reduziert.
Darüber hinaus ergibt sich auch kein Hinweis darauf, dass die Haltungsbedingungen für Eber von den Haltungsbedingungen für Kastraten und weibliche Mastschweine abweichen müssen.
Unter der Voraussetzung, dass die genannten häufigeren oberflächlichen Hautverletzungen sowie die Veränderungen an den Penissen mit Blick auf das Wohlbefinden der Tiere akzeptiert werden können, präsentierte sich die Jungebermast in den vorliegenden Versuchen als erfolgreich durchführbares Verfahren. Die von anderen Versuchsanstellern beobachteten zu Kastraten vergleichbaren Cortisolwerte der Eber könnten als ein Indiz für eine gleiche, zumindest für eine nicht höhere Stressbelastung der Eber gewertet werden.
Projektinformation
Projektleitung: Dr. Christina Jais
Projektbearbeitung: Manfred Otting, Peter Oppermann, Miriam Abriel, LVFZ Schwarzenau
Laufzeit: 01.07.2013 - 31.12.2016
Versuchsort: LVFZ Schwarzenau
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Förderkennzeichen: A/13/14