Biogasrüben Monitoring

Agrarökologische Probleme und gesellschaftliche Ablehnung haben dazu geführt, dass eine Ausweitung des Silomaisanbaus für die Biogasproduktion auch politisch nicht mehr gewollt ist. In diesem Zusammenhang hat die Zuckerrübe als Alternativkultur zum Silomais in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Zuckerrüben können sich an guten Ackerbaustandorten ertraglich neben Silomais behaupten und werden in der Landschaft von der Bevölkerung im Allgemeinen nicht als störend wahrgenommen.

Ausgangssituation

In Biogasanlagen, die große Mengen an Energiepflanzen oder Festmist ohne Zugabe nennenswerter Mengen an zusätzlicher Flüssigkeit verarbeiten, ist die Viskosität des Gärgemischs in der ersten Vergärungsstufe typischer Weise hoch. Nicht nur unter solchen Bedingungen kann der Einsatz von Zuckerrüben mit ihrem hohen Anteil an rasch vergärbaren Inhaltsstoffen zur Verringerung der Viskosität und Verbesserung der Rührfähigkeit des Gärgemisches beitragen. Anlagenbetreiber berichten zudem, dass durch eine selektive Beschickung des Gärprozesses mit Zuckerrüben eine Modulation der Biogasproduktion innerhalb relativ kurzer Ansprechzeiten realisiert werden kann.

Rübenmiete am FeldrandZoombild vorhanden

Rübenmiete am Feldrand

Die Vergärung von Zuckerrüben bringt neben den genannten Vorteilen aber auch gewisse verfahrenstechnische Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen mit sich. So gelangen je nach Bodenart der Rübenanbaufläche, Ernteverfahren und Nachreinigung der Zuckerrüben Erd- bzw. Schmutzanhang mit in die Gärbehälter. In Abhängigkeit der Korngrößen der Schmutzpartikel kann es hierdurch zur Bildung von Sinkschichten/Sedimentkörpern in den Gärbehältern kommen, die das effektive Arbeitsvolumen deutlich reduzieren. Auch die Konservierung von ZR für den ganzjährigen Einsatz in Biogasanlagen stellt aufgrund der leichten Verderblichkeit der Rüben besondere Anforderungen an die Verfahrenstechnik, um Lagerungsverluste zu minimieren.
Die hauptsächlichen technischen Herausforderungen bei der Biogasproduktion aus Zuckerrüben stellen sich also zum einen im Vergärungsprozess selbst – bei überwiegendem oder stark wechselndem Einsatz –, mehr noch aber bei der Aufbereitung und Lagerung/Konservierung des Materials für die Vergärung. Ein Standardverfahren für die (Zwischen-)Lagerung und Konservierung der Rüben für die Biogasproduktion kann derzeit nicht benannt werden.

Projektziele

Das „Biogas-Monitoring“ zielt darauf ab, Messdaten und Erfahrungswerte aus der Praxis zum Betrieb landwirtschaftlicher Biogasanlagen mit unterschiedlichsten Einsatzstoffen und technischen Konfigurationen zu gewinnen. Ausgehend von den oben dargestellten Herausforderungen sollte auf fünf bayerischen Biogas-Pilotbetrieben, welche schon seit längerer Zeit Erfahrungen im Umgang mit Zuckerrüben zur Biogaserzeugung sammeln, untersucht werden, welche Verfahrenstechnik für die Lagerung und Ko-Vergärung von Zuckerrüben am besten geeignet ist und wie sich der Einsatz von Zuckerrüben auf den Gärprozess auswirkt.

Methode

Zwei der im Vorgängerprojekt “Diversifizierung der Einsatzstoffe und Verfahrenstechnik “ untersuchten Pilotbetriebe setzten bereits saisonal ZR ein und wurden weitergeführt. Für die Aufnahme neuer Betriebe wurden aus einem Pool von zehn besichtigten Biogasbetrieben diejenigen drei ausgewählt, die hinsichtlich des Verfahrenskonzeptes für die Zuckerrübenlagerung und die Vergärung am vielversprechendsten erschienen. Ein wichtiges Auswahlkriterium war zudem, dass die Betriebe ein ausgereiftes Konzept zur Wärmenutzung aufwiesen. Die fünf „Biogasrüben-Pilotbetriebe“ werden in der nachfolgenden Tabelle kurz vorgestellt.
Betriebskennung0822252728
Einsatzstoffe - pflanzlich*Maissilage
Grassilage
Triticale-GPS
ZR
Maissilage
ZR
Getreideschrot Grassilage Sommergerste-GPS
Maissilage
Grassilage
ZR
Sommergerste-GPS
CCM
Getreideschrot
Maissilage
Grassilage
ZR
CCM
Getreideschrot
Maissilage
ZR
Sommergerste-GPS
Einsatzstoffe - tierisch*keineMilchviehgülle RindermistRindergüllekeinePutenmist
Schweine-/
Rindergülle
AnlagenkonstellationF1 / F2 → N1 → N2 → GLG1 → GLG2F1 / F2 → GLG → GLOHY → F → N → GLOHY1 → HY2 → F → FBR1 → FBR2 → GLOF → N → GLG
Netto-Gärvolumen Gesamt4.300 m³1.620 m³1.385 m³1.660 m³2.800 m³
Gärrestlagervolumen
→ mit Gaserfass.
→ ohne Gaserfass.

8.200 m³
n.v.

[1.400 m³]
700 m³

n.v.
1.950 m³

n.v.
1.500 m³

4.200 m³
n.v.
BHKW
- Nennleistung
- Höchstbemessungs-
leistung

1.150 kW
713 kW

103 kW
98 kW

290 kW
276 kW

400 kW
380 kW

1.049 kW
490 kW
Art der RübenlagerungMiete im FahrsiloMiete im FahrsiloMiete am Feldrand, Zwischenlager in Halle, Kosilierung mit GPS und StrohMiete am Feldrand,
Breisilierung in Edelstahlbehälter
Miete im Fahrsilo
Rübenreinigung und zerkleinerungTrockenreinigung und RübenschnitzlerTrockenreinigung und Silostockfräse am FuttermischwagenTrockenreinigung und Rübenschnitzler-SchaufelTrockenreinigung und BiomasseschredderTrockenreinigung und Rübenschnitzler
Erläuterungen zur Tabelle:

*) in Reihenfolge nach abnehmendem Frischmasseanteil; HY = Hydrolyse; F = Fermenter; N = Nachgärer; FBR = Festbettreaktor; GLG = Gärrestlager mit Gaserfassung; GLO = Gärrestlager offen; GPS = Ganzpflanzensilage; ZR = Zuckerrüben; CCM = Corn-Co-Mix; n.v. = nicht vorhanden

Auf den Pilotbetrieben wurden die zur Bewertung der Biogaskette erforderlichen Daten über einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens zwei Jahren erfasst. Der Fokus lag hierbei auf den Kettengliedern der Biogasproduktion und der Biogasverwertung. Die Schnittstelle zum Forschungsvorhaben „Biogasrüben-Lagerung“ bildete der Eintrag der ZR-Biomasse in die Biogasanlage. Die Datenerfassung und -fernübertragung erfolgte mit dem im Institut entwickelten elektronischen Betriebstagebuch „BAMILT“ für Tablet-PC/Smartphone sowie mittels Datenloggern und regelmäßiger Kontaktaufnahme mit den Betreibern.
Das Monitoring wurde ergänzt durch ein verfahrenstechnisches Benchmarking der Biogasanlagen und die Berechnung einer Treibhausgasbilanz der Strom- und Wärmeerzeugung aus Biogas.

Ergebnisse

In drei der fünf beobachteten Biogasanlagen wurden ZR zu einem mittleren FM-Anteil von ca. 7 % und an einzelnen Tagen bis zu 73 % eingesetzt; die zwei übrigen Betriebe realisierten einen deutlich höheren FM-Anteil aus ZR von etwa einem Fünftel. Drei der fünf Betriebe setzten ZR-Substrat saisonal in der kalten Jahreszeit zur Abdeckung einer höheren Wärmenachfrage ein. Die Nutzung von ZR für die intermittierende (Variation der Beschickungsrate im Tagesverlauf) oder selektive Beschickung (gezielte Zugabe eines schnell verfügbaren Substrats zur Abdeckung von Lastspitzen) zum Zwecke der „elektrischen Flexibilisierung“ erfolgte in den Betrieben hingegen nicht.
Eindeutige negative Auswirkungen der Fütterung von ZR-Substrat auf die Gärbiologie konnten in keinem Fall festgestellt werden. Im Gegenteil führte der Einsatz von ZR im teilweisen Austausch für Maissilage in zwei Betrieben dazu, dass sich ausgehend von eindeutig kritischen Werten der chemischen Prozessindikatoren bald nach Beginn der Fütterung von ZR die Gärbiologie stabilisierte. Die Wirkungsmechanismen waren hierbei unterschiedlich – wie auch die jeweiligen Kennwerte und der Einsatzstoffmix der Biogasanlagen – und unter den Bedingungen des Monitorings nicht eindeutig nachzuweisen: als wahrscheinlich kommen der Ausgleich eines Mangels an Spurenelementen und eine Verdünnung des Gärgemisches in Frage. Ein modifizierender Einfluss des ZR-Einsatzes auf die Prozessmikrobiologie war auch anhand molekularbiologischer Analysen nicht zu erkennen. Vielmehr zeigte sich mit dieser Methodik ein deutlicher Einfluss der Prozesstemperatur und des Anteils an tierischen Wirtschaftsdüngern im Einsatzstoffmix.
Die Treibhausgasbilanz der Energiebereitstellung in den untersuchten Biogasbetrieben war deutlich mit dem Anteil an Energiepflanzen korreliert, während ein signifikanter Unterschied zwischen der THG-Intensität von Mais und ZR nicht festgestellt werden konnte. Der Strombedarf für die Förder- und Rührtechnik der Anlagen war in hohem Maße abhängig vom gesamten Einsatzstoffmix und der Verfahrenstechnik, während ein systematischer Einfluss des ZR-Einsatzes diesbezüglich nicht erkennbar war. Für den Spezialfall der zweiphasig-vierstufigen Anlage (Betriebskennung: 27) war die Energieeffizienz der Biogaskette während des Einsatzes von ZR aufgrund der sehr aufwändigen Aufbereitungs- und Fütterungstechnik allerdings merklich verringert, folglich erhöhten sich die damit verbundenen Umweltwirkungen. Der Aspekt der Energieeffizienz, unter Einbeziehung der Lagerung und Aufbereitung von ZR-Substraten, verdient demnach in der Praxis besondere Aufmerksamkeit, um negative Umwelteffekte zu vermeiden.

Projektbericht "Biogasrüben Monitoring" (zum Herunterladen) pdf 9,5 MB

Ausblick

Mit Blick auf die Praxis der Nutzung von ZR zur Biogaserzeugung blieben zum Abschluss dieses Forschungsprojektes vor allem folgende Fragen offen: Wie kann die Prozesssteuerung beim Einsatz von ZR für die weitergehende biologische Flexibilisierung in landwirtschaftlichen Biogasanlagen umgesetzt werden? Und wie ist es um die wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit des Ersatzes von Silomais als intensive Ackerkultur durch Zuckerrübe als eine andere intensive Ackerkultur bestellt?

Projektinformation
Projektleitung: Dr. S. Neser
Projektbearbeitung: Dr. M. Effenberger, R. Kissel, G. Streicher
Kooperationspartner: LfL-AQU1c
Laufzeit: 2015 – 2020
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Förderkennzeichnen: N/15/06