Forschungs- und Innovationsprojekt
Etablierung und Validierung hoch sensitiver PCR-basierter Verfahren zum Monitoring von Verzwergungsviren und deren Vektoren im Getreide

Problematik

Das Auftreten von Gerstengelbverzwergungsviren (Barley yellow dwarf virus, BYDV; Cereal yellow dwarf virus, CYDV, früher BYDV-RPV-Stamm) in Deutschland ist schon seit mehreren Jahrzehnten belegt. Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre verursachte BYDV/CYDV in Deutschland vor allem in Weizen beachtliche wirtschaftliche Schäden. Das Weizenverzwergungsvirus (Wheat dwarf virus, WDV) wurde Ende der 1980er Jahre zum ersten Mal in Deutschland entdeckt. Die vormals als Weizen- und Gerstenstamm unterschiedenen Stämme des WDV werden neuerdings Wheat dwarf virus (WDV) bzw. Barley dwarf virus (BYD) benannt. Die Verzwergungsviren treten - wie eigene langjährige Untersuchungen belegen - alljährlich mit schwankendem Schadensausmaß auf.
Die Problematik mit den Verzwergungsviren scheint sich in den letzten Jahren jedoch zu verschärfen. Eine wesentliche Rolle dabei spielte die oftmals praktizierte Vorverlegung des Aussaattermins im Herbst. Dazu kommt, dass - einhergehend mit dem sich allmählich vollziehenden Klimawandel mit häufigeren, verlängerten trocken-warmen Perioden insbesondere im Herbst und dem damit verbundenen verlängerten Flugperioden der Vektoren - das Befallsrisiko für insektenübertragbare Viruskrankheiten in den jungen, empfindlichen Getreidebeständen zunimmt und die Gefahr erheblicher Ertragsverluste, wie zuletzt im Jahr 2008, steigt.
Schäden durch Verzwergungsviren sind stark abhängig vom Vorhandensein etwaiger Virusreservoirs (Ausfallgetreide!), vom Saattermin und Infektionszeitpunkt, von der Sorte, vom Vektorenaufkommen und speziell bei BYDV/CYDV vom Virus-Stamm. Wintergetreide ist meist stärker als Sommergetreide betroffen. Die Verluste bei Hafer sind meist am stärksten, bei Roggen am geringsten. Mais ist durchaus eine Wirtspflanze speziell für BYDV/CYDV, der Schaden an Mais ist bislang jedoch unwesentlich, da die meisten Sorten hochtolerant sind. Mais kommt hingegen aus epidemiologischer Sicht Bedeutung zu, können doch vom grün geschnittenen Silomais Vektoren in benachbarte Getreidebestände einfliegen und dort primäre Infektionen setzen.
Im Gegensatz zu den bodenbürtigen Viren ist das Auftreten der durch Insekten übertragenen Viren eng mit dem witterungsabhängigen Auftreten der tierischen Vektoren gekoppelt, sodass diese Viren nicht in jedem Jahr und nicht in allen Regionen in ertragsrelevantem Umgang auftreten. Da sich die Biologie der Vektoren - also der entsprechenden Blattläuse und Zikaden - unterscheiden, treten BYDV und WDV nicht mit gleicher Abundanz in Erscheinung, somit verlaufen auch die durch diese Viren verursachten Schädigungen nicht parallel.
Anders als die bodenbürtigen Viren des Getreides können die insektenübertragenen Viren durch Pflanzenschutzmaßnahmen, die sich gegen die Vektoren richten, d. h. durch optimal terminierte Insektizidmaßnahmen zur Blattlauskontrolle, indirekt bekämpft werden. Ziel kann und darf es dabei keinesfalls sein, jede einfliegende, potenziell Viren-übertragende Blattlaus zu bekämpfen, sondern vielmehr gilt es, pflanzenbauliche Maßnahmen zur Schadensbegrenzung auszunutzen (keine verfrühten Aussaaten) und den Pflanzenschutzmitteleinsatz möglichst gering zu halten. In Abhängigkeit vom zu erwartenden Befallsdruck sind die Ausbreitung der primären Befallsherde wie auch das Abwandern der Vektoren auf andere Bestände zu verhindern und so das Schadensausmaß zu begrenzen. Es ist zu beachten, dass zur Kontrolle von Zikaden derzeit keine Insektizide zugelassen sind. Die Blattlausbekämpfung soll Bekämpfungsschwellen-orientiert jedoch nur dann erfolgen, wenn mit ernstzunehmendem Befall zu rechnen ist.
Bekämpfungsschwellen
Die Bekämpfungsschwelle orientiert sich dabei an der Zahl der Blattläuse: Bekämpfungswürdig anzusehen sind 20 % mit Blattläusen befallene Pflanzen ab dem 2-3 Blattstadiums des Getreides und bei Frühsaaten (Auflauf vor dem 25. September) 10 % befallene Pflanzen. Ein Insektizideinsatz vor dem Erreichen der Bekämpfungsschwelle sichert keine wirtschaftlichen Mehrerträge; außerdem ist aus Gründen des erhöhten Risikos der Resistenzbildung gegenüber den eingesetzten insektiziden Wirkstoffen und des Umweltschutzes von allzu häufigen Insektizidapplikationen abzuraten. Unberücksichtigt bleibt bei dem auf den Blattlauszahlen basierenden Bekämpfungsschwellenkonzept die „Virusbeladung“ der Vektoren. Unberücksichtigt bleibt auch der bestehende Infektionsdruck ausgehend von infiziertem Ausfallgetreide oder benachbarten infizierten Beständen.
Insektizide zur Bekämpfung der Zikaden bzw. zur Kontrolle der von ihnen übertragenen Viren stehen derzeit nicht zur Verfügung, zudem sind keine Bekämpfungsschwellen oder Schadschwellen im Hinblick auf Zikaden beschrieben.

Blattläuse (links und rechts) und Zikade (Mitte) sind Vektoren der Verzwergungsviren

Zielsetzung

Im Rahmen des Projekts soll eine Strategie erarbeitet werden für ein effektives Monitoring des Gerstengelbverzwergungsvirus und des Weizenverzwergungsvirus und deren Vektoren zur frühzeitigen Abschätzung des bestehenden Befallsrisikos. Dieses Monitoring soll eine auf ihre Notwendigkeit ausgerichtete, gezielte und erfolgreiche Vektorenbekämpfung unter besonderer Berücksichtigung bayerischer Standort- und Produktionsbedingungen ermöglichen. Die Entwicklung geeigneter Montitoringsysteme für die genannten Viren und deren Vektoren sowie die Erarbeitung und Optimierung von PCR-basierten qualitativen und quantitativen, für den Einsatz in der Routine geeigneten Nachweisverfahren für BYDV und WDV in Pflanzen und Vektoren ist hierfür eine Grundvoraussetzung.

    Methode

    Virusnachweis
    Zum Nachweis der Viren werden eine serologische (DAS-ELSA) und zwei molekularbiologische Techniken (PCR und RT-PCR) eingesetzt. Im DAS-ELISA (Enzyme linked immunosorbent assay) werden bestimmte Viruseiweiße detektiert. Mit Hilfe der PCR oder RT-PCR (Polymerase-Kettenreaktion bzw. Reverse Transkriptase-Polymerasekettenreaktion) wird die Erbsubstanz der Viren nachgewiesen: DNA über PCR bei WDV/BDV, RNA über RT-PCR bei BYDV/CYDV.
    Identifizierung der Virusvektoren
    Die Identifizierung der Virusvektoren wurde mit Hilfe des Binokulars vorgenommen unter Verwendung einschlägiger Bestimmungsliteratur (Remane und Wachmann; Kunz, Nickel und Niedringhaus; Biedermann und Niedringhaus).

    Ergebnisse

    Methodik
    Für den Nachweis der Verzwergungsviren wurden hoch sensitive und spezifische PCR- und RT-PCR-basierte Nachweisverfahren etabliert bzw. entwickelt, die sowohl für die Untersuchung von Pflanzen als auch für den Virusnachweis in einzelnen Blattläusen und Zikaden erfolgreich verwendet werden können. Zugleich erlauben diese Verfahren eine Diskriminierung der sehr nahe verwandten Viren und ihrer Serotypen. Für die routinemäßige Anwendung zur Testung von Einzelpflanzen im Rahmen eines groß angelegten Monitorings bleibt nach wie vor der vergleichsweise kostengünstigere und einfacher durchzuführende ELISA die zu favorisierende Methode. Monitoringinstrumente wie Gelbschalen, Insektensauger, Kescher und Pinsel wurden im Hinblick auf ihre Einsetzbarkeit in der Praxis erprobt. Für die routinemäßige Anwendung zum Vektorenmonitoring hat sich ausschließlich die Gelbschale als tauglich erwiesen, da der Aufwand für den kontinuierlichen Einsatz der anderen Monitoringinstrumente (Insektensauger, Pinsel, Kescher) vor Ort zu groß ist.
    Virusmonitoring
    Insgesamt war während der Projektlaufzeit der Befall (2010 bis 2013) mit Verzwergungsviren als nicht gravierend einzustufen; dies gilt besonders im Hinblick auf die Blattlaus-übertragbaren Gelbverzwergungsviren BYDV und CYDV, so dass zu keiner Zeit Bekämpfungsempfehlungen ausgesprochen wurden. Auch der Befall mit Getreideverzwergungsviren (WDV, BDV) war insgesamt gesehen nicht besorgniserregend, dennoch wurde auf bestimmten Schlägen ein erhöhtes Befallsaufkommen beobachtet. Generell ergaben unsere Untersuchungen, dass der Befall mit Verzwergungsviren stark schwanken kann. Es zeigten sich jährliche wie auch regionale Befallsunterschiede und insbesondere auch drastische Unterschiede in der Befallshäufigkeit von Schlag zu Schlag. Generell ist also davon auszugehen, dass stets eine schlagspezifische Bewertung des Infektionsrisikos anhand vorhandener Infektionsquellen und des lokal bestehenden Vektorendrucks notwendig ist.
    Fazit
    Ein möglichst breitangelegtes und engmaschiges Monitoring im Hinblick auf die Virusbefallshäufigkeit und das Vektorenaufkommen vor allem im Ausfallgetreide zur Abschätzung der aktuellen Gefährdung der Neusaaten ist anzustreben, um den Praktikern die notwendigen Informationen für Bekämpfungsentscheidungen geben zu können. Der Umsetzbarkeit eines intensiven und breiten Monitorings ist allerdings vor dem Hintergrund knapper Personalkapazitäten, mangelnden oder fehlenden Expertenwissens bei der Vektorenbestimmung vor Ort wie auch hoher Kosten Grenzen gesetzt.

    Perspektive

    In der Praxis wird künftig jeweils im Herbst ein Verzwergungsvirusmonitoring im Ausfallgetreide durchgeführt, in dem in jedem Regierungsbezirk Bayerns zufällig Proben von Ausfallgetreideschlägen durch die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten entnommen werden und an der LfL zeitnah auf Verzwergungsviren untersucht werden. Den Landwirten wird auf diesem Weg eine Entscheidungshilfe bei der Durchführung möglicher Blattlausbekämpfungsmaßnahmen an die Hand gegeben. Die Ergebnisse werden über Beratungsfaxe der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und über das Internet verfügbar gemacht.

    Untersuchungen auf Verzwergungsviren bei Getreide - Ergebnisse aus dem bayernweiten Virusmonitoring und Versuchen, die in Kooperation mit den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erarbeitet wurden Externer Link

    Projektinformation
    Projektleitung: Dr. L. Seigner, IPS 2c; S. Weigand, IPS 3a/c; Dr. U. Benker, IPS 2d; Dr. M. Zellner, IPS 3d Projektbearbeitung: N. A. Gund, wissenschaftliche Mitarbeiterin; D. Eisenbraun, technischer Mitarbeiter
    Laufzeit: Mai 2010 bis Dezember 2013
    Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten
    Kooperation: Pflanzenschutzdienste der Länder, Wissenschaftler weltweit
    Förderkennzeichen: A/10/03