Diskussion um Fütterung, Verarbeitung und Vermarktung ohne Gentechnik

Männer sitzen auf einer Bühne bei einer Diskussion
Heimisches und GVO-freies Soja – Welche Herausforderungen bestehen für die Gestaltung nachhaltiger Wertschöpfungsketten? Zu dieser Frage diskutierten am 07. Mai 2015 vier Akteure aus den verschiedensten Bereichen der Wertschöpfungskette bei einem Workshop auf dem Donau-Soja Ost-West Protein Forum in Berlin. Der Workshop wurde von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) gemeinsam mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) organisiert und war von rund 50 Teilnehmern besucht.
Blick in den Saal mit den Teilnehmern des WorkshopsZoombild vorhanden

Teilnehmer des Workshops mit Übersetzung in Deutsch und Englisch

Christian Stockinger, Vizepräsident der LfL und Leiter des Instituts für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur führte als Moderator durch die Diskussion. Zu Beginn sprach er das Kernthema des Nachmittags – die Akzeptanz der Landwirtschaft bei den Verbrauchern an. Auch wies er auf eine mögliche Näherung einer fundamentalen Krise in diesem Bereich hin. Von den auftretenden Referenten forderte er, auch abweichende Meinungen auszusprechen, denn nur Solche würden schließlich zu einer Weiterentwicklung beitragen.

Verbraucherumfrage zur Herkunft von Futtermitteln in tierischen Produkten

Referentin Anne JägerZoombild vorhanden

Anne Jäger zur Einschätzung der Relevanz von heimischen Eiweißfuttermitteln beim Verbraucher

Anne Jäger, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ernährung und Märkte, sprach als erste Referentin über das Forschungsprojekt Markt - Wertschöpfung – Transparenz. Kern des Projekts waren Expertengespräche und eine Verbraucherumfrage zu heimischen Eiweißfuttermitteln in tierischen Produkten und deren Positionierung auf dem Markt. Die Expertengespräche zeigten grundlegende Probleme beim vermehrten Einsatz heimischer Eiweißfuttermittel in der Fütterung: so zum Beispiel der erhöhte Aufwand bei der Beschaffung und Vermarktung. Der Begriff „Eiweißfuttermittel“ wurde allgemein als schwer kommunizierbar eingeschätzt. Bei der Umfrage mit über 1000 Verbrauchern bestätigte sich dies. Futter aus Bayern stuften 23% der Befragten als „sehr wichtig“ und weitere 40% als „wichtig“ ein. Die Studie zeigte auch, dass der Verbraucher bei einer gestützten Befragung tierischen Produkten ohne Gentechnik von der Wichtigkeit her an dritter Stelle einordnet, gleich nach den Kriterien Frische und Geschmack. Die Chancen in der Markteinführung von Lebensmitteln aus heimischem Futter sah Jäger in ausgewählten Markenprogrammen, Nischenmärkten und Regionalinitiativen sowie in der Kombination von heimischem Futter mit Regionalität, Nachhaltigkeit, Tierwohl und der Auslobung ‚ohne Gentechnik‘.

"Ohne Gentechnik" aus Sicht der Futtermittelindustrie

Referent Dr. Hermann-Josef BaakenZoombild vorhanden

Dr. Hermann-Josef Baaken zur Fütterung in Deutschland

Das zweite Input des Nachmittags kam von Dr. Hermann-Josef Baaken vom Deutschen Verband Tiernahrung e.V., ein Verband, der 280 der 300 Unternehmen der Futtermittelwirtschaft in Deutschland vertritt. Bei seinem Vortrag veranschaulichte Dr. Baaken, dass rund 88% der in Deutschland verbrauchten Futtermittel aus dem Inland kommen und nur rund 12% importiert werden. Als Hindernis bei der Nutzung von Rohstoffen ohne Gentechnik in der Fütterung sieht er unter anderem die unterschiedlichen GVO-Grenzwerte in den Ländern und die zunehmende Anzahl unbeabsichtigter Verunreinigungen. Er sprach sich auch dafür aus, die Grüne Gentechnik nicht zu einem Nachhaltigkeitskriterium per se zu machen, da beim Anbau viele weitere Kriterien wie Fruchtfolgen, Einsatz von Pestiziden und Düngemittel etc. in die Nachhaltigkeitsbewertung mit einfließen müssen. Außerdem hob er auch eine Aussage aus einem aktuellen Gutachten des wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hervor, nachdem der vermehrte Anbau von Leguminosen in Deutschland andere Produkte verdrängt, die dann wiederum importiert werden müssen und somit keine Änderung der Bilanz der virtuellen Flächenimporte erfolgt.

Milchprodukte ohne Gentechnik – Chancen und Risiken

Referent Georg MüllerZoombild vorhanden

Georg Müller zur Erzeugung und Vermarktung von Milchprodukten ohne Gentechnik

Als größten Erfasser von Milch "ohne Gentechnik" in Bayern betitelte Georg Müller die Privatmolkerei Bechtel, in der circa 600 Millionen kg Milch pro Jahr verarbeitet werden. Für die Milcherzeuger sieht Müller einige Chancen in der "ohne Gentechnik"-Sparte, zum Beispiel für bäuerliche Familienbetriebe und Betriebe mit unterdurchschnittlicher Größe. Als Risiken stehen dem gegenüber eventuelle Mehrkosten für Futtermittel und externe Einflussfaktoren, etwa der Einsatz überbetrieblicher Technik von Mahl- und Mischanlagen oder der Tierzukauf. Müller betonte aber vor allem, dass in seinem Unternehmen der Bauernhof als das wichtigste und gleichzeitig schwächste Glied in der Wertschöpfungskette betrachtet wird. Im Bechtel Qualitätsprogramm gilt daher grundsätzlich: wenn Gentechnik nachgewiesen werden kann wird dies nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb zugeschrieben. Im Gegenzug ist der Betrieb aber verpflichtet für Sonderaudits offen zu sein und einige weitere Verhaltensregeln einzuhalten.

Nachhaltigkeit und Kundenwunsch – Rewe will Verantwortung zeigen

Dr. Breloh stehend am PultZoombild vorhanden

Dr. Breloh zur Positionierung der Rewe Group hinsichtlich Gentechnik in der Fütterung

Dass sich Unternehmen nicht nur an Marktanalysen orientieren, sondern auch von sich aus aktiv werden sollen, wenn es um nachhaltige Produktion geht, dafür sprach sich Dr. Ludger Breloh von der Rewe Group aus. Da der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen große Nachhaltigkeitsdefizite mit sich bringt, und zwar durch die Vernachlässigung der guten landwirtschaftlichen Praxis, durch enge Fruchtfolgen und durch die Ausbildung von Resistenzen wirbt die Rewe Group für den Einkauf von Produkten ohne Gentechnik durch Plakate, Handzettel und TV-Spots. Auch hat der Bundesverband des deutschen Lebensmitteleinzelhandels am 5. Mai geschlossen ein Positionspapier veröffentlicht, indem er sich kritisch gegenüber dem Import gentechnisch veränderter Soja als Eiweißfuttermittel ausspricht.

Diskussion: Zwischen Hochleistungsfutter, Mehrkosten und Nachhaltigkeit

Christian Stockinger am Pult stehendZoombild vorhanden

Christian Stockinger, Moderator der Veranstaltung

Die verschiedenen Standpunkte der Referenten mündete in eine rege Podiumsdiskussion bei der einerseits die Qualität und ernährungsphysiologische Überlegenheit von HP Soja aus Übersee für die Hochleistungsproduktion hervorgehoben wurde, andererseits aber die Nachhaltigkeit in der Produktion. Ein Teil des Podiums verstand Nachhaltigkeit in der Produktion als Kundenwunsch, auch wenn dieser aufgrund der Komplexität der Produktionsprozesse nicht immer sichtbar ist. Auch wurde der Begriff Mehrkosten an sich kritisiert, hier wurde das Zuschlagdenken als nicht zielführend eingeschätzt. Außerdem sollte das Kriterium ohne Gentechnik nicht alleine stehen, da vom Kunden ein umfassendes Produktkonzept erwartet wird.