LfL-Jahresbericht 2017
Die LfL: wir gestalten gemeinsam die Digitalisierung der Landwirtschaft

Auf ein Wort

Die LfL bearbeitet Themen wie die Digitalisierung übergreifend und bezieht Aspekte aus verschiedenen Fachdisziplinen mit ein, beispielsweise aus dem Pflanzenbau, der Tierhaltung oder dem Bereich Technik. Die Leiterinnen und Leiter der Institute und Abteilungen stehen dazu Rede und Antwort, schildern Chancen aus ihrer Sicht.
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Wissenstransfer

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Monitoring

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Wiesen als Pixel

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Wetterdaten und Zahlen

Wenn Sie frei von allen Zwängen eine neue Digitallösung für die Landwirtschaft erfinden könnten, welche wäre das?

Dr. Peter Doleschel, Leiter Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung:
Ich würde eine App entwickeln, die alle landwirtschaftlich relevante Aspekte integriert und mechanisierbare Eingaben automatisch erledigt. So zum Beispiel bei sämtlichen Arbeitsgängen auf dem Feld. Diese Methode integriert Maschinen, Smartphones, Betriebsrechner, Prozessrechner sowie die unterschiedlichsten Fachverfahren wie Buchführung, Antragstellung und Dokumentation.
Prof. Dr. Kay-Uwe Götz, Leiter Institut für Tierzucht:
Meine Digitallösung wäre eine Software, die es ermöglicht, mit der Handykamera jedes Tier in einem Bestand automatisch zu erkennen. Das ist eine große Herausforderung, weil Tiere, vor allem Schweine, sich sehr ähnlich sehen, und weil wir es oft mit wachsenden Tieren zu tun haben. Eine solche Software wäre aber eine tolle Grundlage, um darauf viele mobile Datenerfassungen durch den Landwirt aufzusetzen, und damit das Merkmalsspektrum für die Tierzucht deutlich zu vergrößern.
Dr. Annette Freibauer, Leiterin Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz:
Ich stelle mir die Zukunft des Pflanzenbaus so vor: Ein Entscheidungssystem bündelt das Wissen über den Standort, die Erträge der Vergangenheit, die Nährstoffsituation im Boden und mittelfristige Wettervorhersagen, um mit minimalem Ressourceneinsatz stabile Erträge und Ökosystemleistungen zu generieren.
Der Landwirt verfolgt kleinräumig die Entwicklung seiner Kulturen digital und durch Feldbegehungen und dokumentiert diese durch Fotos. Seine Erfahrungen und Feldbegehungen gehen direkt in sein digitales, lernendes Entscheidungssystem ein. Abschließend erhält er die Ergebnisse für die Erträge, aber auch die ökonomischen und ökologischen Erfolge.

Abgesehen von modernen Smartphone-Anwendungen bedeutet Digitalisierung auch Arbeiten im online-basierten Netzwerk: Wie genau funktioniert das in der Praxis zwischen den neun Instituten und sechs Abteilungen der LfL?

Dr. Holger Friedrich, Leiter Abteilung Information und Wissensmanagement:
Die Zusammenarbeit funktioniert über Shares und Workspaces im Collaboration Center. Wir arbeiten im Team an Übersichten für Controlling-Aufgaben. Webbasierte und abgesicherte Fachverfahren, wie beispielsweise die IT-Benutzerverwaltung, nutzen wir, um Informationsströme und Abläufe aus Instituten und Standorten zu normieren und zu lenken.
Dr. Hermann Lindermayer, Leiter ehemalige Abteilung Versuchsbetriebe:
Die Lehr-, Versuchs- und Fachzentren beschäftigen sich in erster Linie mit spezialisierten Versuchsdurchführungen sowie der Aus- und Fortbildung. Vieles davon passiert im Normalfall online: Von der subjektiven Beurteilung der Versuchstiere oder der Pflanzenparzellen wandern die Daten über mobile Datenerfassungssysteme direkt in die Auswertung, GPS-gesteuert wird gesät, geerntet, beprobt. Tiergewichte, Futter- und Wasserverbräuche werden parallel im Stall und im Computer des Forschers erfasst. Lehrgangsanmeldungen, entsprechende Evaluierungen sowie die Pflege des Kundenstammes verläuft im Zwiegespräch übers Internet.

Ist dann das Abbilden von Know-how im World Wide Web schon alles – oder was verstehen Sie unter Digitalisierung?

Dr. Helmut Tischner, Leiter Institut für Pflanzenschutz:
Es ist viel mehr: Intern können Informationen jetzt wesentlich schneller zusammengeführt, aufbereitet und als Basis für Entscheidungen genutzt werden. Aber auch interaktive Verfahren mit der Eingabe von persönlichen oder betrieblichen Daten zählen dazu, so zum Beispiel die feldspezifische Prognose des Auftretensvon Kartoffelkäfern durch die Verbindung von Wetterdaten und Felddaten.
Dr. Annette Freibauer:
Digitalisierung ist mehr als ein Schaufenster. Digitale Daten fallen an vielen Stellen in großer Fülle an. Nur wenn es gelingt, die Daten zu bündeln, mit Mehrwert zuverknüpfen und zu nutzen, dann können wir dabei schrittweise etwas lernen und Abläufe optimieren. Wenn wir die Chance nutzen, die digitale Welt smart zu nutzen, dann ist Digitalisierung mehr als eine coole Worthülse.
Dr. Georg Wendl, Leiter Institut für Landtechnik und Tierhaltung:
Dem schließe ich mich an: Digitalisierung geht weit über die reine Datenspeicherung, -vernetzung und Informationsverarbeitung hinaus. Sie umfasst auch die Weiterentwicklung von Maschinen und Geräten in Richtung intelligente und autonome Maschinen. In Zukunft werden vielfältige Informationen aus landwirtschaftlichen Prozessen automatisch erfasst, mit externen Daten verknüpft und mit intelligenten Auswertealgorithmen Handlungsempfehlungen erarbeitet, die eine effizientere, umwelt- und tiergerechtere sowie ressourcenschonendere Landwirtschaft ermöglichen.

Vielen scheint die Digitalisierung eine von der Industrie angetriebene Entwicklung. Stimmt das, oder welchen Beitrag können Sie als Wissenschaftler dazu leisten?

Dr. Holger Friedrich:
Digitalisierung ist eine allgemeine, weltweite, gesellschaftliche Entwicklung, zu der die Wirtschaft, die Politik, aber auch jede Privatperson beiträgt. Unser wissenschaftlicher Beitrag ist, relevante Forschungsergebnisse in entsprechend aufbereiteter Form bereitzustellen und selbst die Möglichkeiten zu nutzen, die Ergebnisse anderer Wissenschaftler für die Landwirtschaft anzuwenden.
Dr. Georg Wendl:
Jedes Industrieunternehmen versucht, mit innovativen Produkten seine Konkurrenzfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Aber nicht jedes neue Produkt kann sich am Markt durchsetzen. Unsere Aufgabe als LfL ist es, im Rahmen der angewandten Forschung eine objektive Bewertung der neuen Lösungen vorzunehmen, Beratungsempfehlungen zu erarbeiten und zusammen mit der Industrie auch neue digitale Lösungen zu entwickeln. Dazu gehört beispielsweise ein GPS-gestütztes Ortungssystem für Rinder auf der Weide.

Wenn sich nun Ortungssysteme, Weide- und Melkroboter völlig automatisiert untereinander abstimmen können, ist dann die Tätigkeit des klassischen Bauern nicht bald überflüssig?

Dr. Gerhard Strauß, Leiter Abteilung Qualitätssicherung und Untersuchungswesen:
Auf keinen Fall. Ein Landwirt hat so vielfältige Aufgaben, dass die Digitalisierung als modernes, zusätzliches Werkzeug zu sehen ist, das ihn bei seiner Arbeit unterstützt. Hier sehe ich die Digitalisierung wie einst die Motorisierung in der Landwirtschaft: Ohne Traktoren wäre die heutige Form der Landwirtschaft undenkbar.
Prof. Dr. Hubert Spiekers, Leiter Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft:
Nach meiner Meinung sind die Kühe selbst die besten „Weideroboter“, wenn zum Beispiel mit der Kurzrasenweide das passende Weidesystem gewählt wird. Durch die Automatisierung und die verstärkte Nutzung von Sensoren kann der Landwirt sein Augenmerk viel mehr auf das Tier und die Steuerung der Abläufe legen. Die anfallenden Informationen gilt es, zum Wohl des Tieres, der Tierhalter und des Ökosystems Weide zu nutzen. Sicherlich müssen die Landwirte dazu passend ausgebildet und stetig fortgebildet werden. Hier kann unsere Landesanstalt die entsprechenden Fachinformationen an die Multiplikatoren in Schule und Beratung weitergeben.

Sie nutzen also immer mehr Big Data aus dem Kuhstall. Was bedeutet die Datenflut für die Arbeit der LfL?

Prof. Dr. Kay-Uwe Götz:
Big Data bietet uns grundsätzlich fantastische neue Möglichkeiten zur züchterischen Bearbeitung, weil viele Daten regelmäßig anfallen. Es muss aber sichergestellt werden, dass die Daten aus den zahlreichen verschiedenen Systemen auch zugänglich sind, und dass für gleiche Merkmalsbezeichnungen auch gleiche Definitionen verwendet werden. Diese Vergleichbarkeit herzustellen, ist eine große Herausforderung für Wissenschaft und die Industrie.

Welche neuen Aufgaben und Forschungsfelder sehen Sie durch die Digitalisierung auf sich zukommen?

Prof. Dr. Kay-Uwe Götz:
Tierzüchter sehnen sich derzeit vor allem nach der objektiven Erfassung von Verhaltensmerkmalen. Das geht vom Fress- und Liegeverhalten bis hin zu Aggressionen oder Brunsterkennung. Bisher sind diese Merkmale züchterisch unzugänglich, weil ihre Erhebung nur durch geschultes Personal erfolgen kann, was für die Praxis viel zu teuer ist. Durch die Verbindung von Kameras und automatischer Tiererkennung ergeben sich in diesem Bereich faszinierende neue Möglichkeiten.
Dr. Helmut Wedekind, Leiter Institut für Fischerei:
Was für die Landtiere gilt, ist auch für die Aquakultur von Bedeutung. So lässt sich zum Beispiel das Tierwohl in großen Beständen am besten durch eine kontinuierliche, apparative Erfassung des Tierverhaltens objektiv beurteilen. Digitale Systeme könnten zur Steuerung und Optimierung der Haltungsbedingungen beitragen.
Dr. Helmut Tischner:
Im Pflanzenschutz sehe ich vor allem Chancen in der Beikrautregulierung. Maschinen oder Roboter eliminieren gezielt die Beikräuter, ohne die Kulturpflanzen zu schädigen. Pflanzenschutzmittel werden dadurch ersetzt. Auch für die Entwicklung von Prognosemodellen zum Auftreten von Krankheiten und Schädlingen gibt es neue Ansätze.

Das alles geht natürlich nicht ohne Unterstützung. Wie kann die Politik in Bayern die Arbeit der LfL konkret unterstützen?

Dr. Annette Freibauer:
Die Politik muss sicherstellen, dass die LfL mit den nötigen Ressourcen und der nötigen Flexibilität die schnelle Entwicklung bei der Digitalisierung fachlich adäquat begleiten kann.

Einer der drei LfL-Schwerpunkte heißt Fördern: Was fördern Sie in Bezug auf die Digitalisierung in der Landwirtschaft, und welche Unterstützung benötigt die LfL, um die eigenen Ziele zu erreichen?

Dr. Peter Doleschel:
Wir fördern die bei uns entwickelten Methoden – sie sind wichtige Bausteine für die Digitalisierung der gesamten Branche. In der Züchtung ermöglichen wir unseren Mittelständlern, direkt am Fortschritt teilzuhaben. Zum Beispiel durch die genomische Selektion, um so der Monopolisierung in der Pflanzenzüchtung weltweit entgegenzuwirken. Aber wir brauchen dafür auch Unterstützung.
Prof. Dr. Hubert Spiekers:
Darüber hinaus unterstützen wir die Entwicklung sachgerechter Anwendungen und deren Nutzung in Forschung, Beratung, Schule und Praxis. Im Bereich der Futterwirtschaft ist dies zum Beispiel das sogenannte webFuLab für Futteruntersuchungen. Dazu gibt es eine Verknüpfung mit dem Rationsberechnungsprogramm Zifo 2.
Wir als LfL brauchen immer gute und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier sind wir in eigener Verantwortung. Ferner benötigen wir die entsprechenden Finanzmittel für Technik, Software und Personal. So kann ein Projekt wie die „Demonstration Farms“ im Bereich der Schweinefleischerzeugung erfolgreich umgesetzt werden.

Neben dem Fördern sind die Themen Forschen und Bilden zwei weitere Schwerpunkte: Wie sorgen Sie dafür, dass Ihre Erkenntnisse unter allen Interessierten in der Landwirtschaft verbreitet werden?

Dr. Peter Doleschel:
Am effektivsten ist natürlich das Internet – hier hat jeder überall und jederzeit Zugriff. Unsere Webseiten aktualisieren wir konsequent. Trotzdem sind Printmedien nicht außen vor. Auflagenstarke Fachzeitschriften werden intensiv beachtet. Auch an der Erstellung von Lehrbüchern beteiligen wir uns. Hier hält die Digitalisierung langsam Einzug. Nur die Verlage schrecken derzeit noch vor interaktiven Konzepten zurück.
Dr. Helmut Wedekind:
Wir verbreiten unsere Ergebnisse auch über unsere Schulungsveranstaltungen und Vorträge auf Fachtagungen innerhalb und außerhalb Bayerns. Unsere Angebote an Online-Anwendungen werden von der Praxis intensiv genutzt.

Noch stehen wir also am Anfang. Was sind die derzeit größten Herausforderungen, denen Sie bei der Digitalisierung der Landwirtschaft und der Weiterbildung der Landwirte begegnen?

Dr. Holger Friedrich:
Wir müssen Organisationen, Organisationsmodelle und Abläufe anpassen. Vieles ist noch immer zu eng geregelt und daher mit der Dynamik einer digitalisierten Gesellschaft nicht vereinbar. Die Notwendigkeit etablierter Funktionen und Abläufe muss überdacht und neu geregelt werden.
Dr. Gerhard Strauß:
Oftmals ist aber die Akzeptanz neuer Digitalentwicklungen nur eingeschränkt vorhanden. Daran müssen wir dringend arbeiten.
Dr. Helmut Tischner:
Die Entwicklungen schreiten schnell voran, die Angebote werden immer unübersichtlicher. Wir als LfL müssen den Überblick behalten, um den Landwirten gezielt empfehlen zu können, was für sie nützlich ist.

Und was sagen Sie Internet- Muffeln, die doch lieber an alten Strukturen festhalten wollen?

Dr. Helmut Tischner:
Diese Internet-Muffel werden zwangsläufig von vielen Dienstleistungen abgehängt, die nur noch über den digitalen Weg zur Verfügung stehen.
Dr. Gerhard Strauß:
Früher hieß es bei den Betrieben in der Landwirtschaft: Wachsen oder weichen. Heute heißt es: Web oder weichen.

Wie kann die LfL hier die Ängste vor dem Wandel nehmen und passende Lösungen anbieten?

Dr. Helmut Wedekind:
Dazu möchte ich ein Beispiel anführen: In der Einführungsphase der Online-Fischerprüfung hat es sich bewährt, durch Infoveranstaltungen und Schulungen die zunächst skeptischen Fachanwender für das System zu begeistern und ihnen den eigenen zeitlichen Vorteil gegenüber dem alten schriftlichen Prüfungsverfahren zu zeigen. Durch praktische Übungen mit dem Online-System konnten die Berührungsängste allmählich abgebaut werden.
Ulrich Keymer:
Die Vorteile liegen einfach auf der Hand, so hat beispielsweise unsere interaktive Anwendung zur Berechnung von Deckungsbeiträgen seit Jahren eine konstant hohe Nachfrage. Sie wird im Durchschnitt pro Tag mehr als Tausend Mal aufgerufen. Ein Grund dafür ist die intuitive Benutzerführung, die Aktualität derhinterlegten Daten und die Möglichkeit, mit wenigen Klicks ein Ergebnis zu erzielen. Gleichwohl kann der versierte Benutzer alle Vorgabewerte überschreiben und ganz individuelle Berechnungen für seinen Betrieb vornehmen. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft kann mit der Verbindung von Know-how und neuen digitalen Anwendungen die heimische Landwirtschaft deutlich voranbringen.