Forschungs- und Innovationsprojekt
Funktionale Merkmale ferkelführender Sauen – Ein Beitrag zur Züchtung und Eigenremontierung

Ferkel liegen neben der Muttersau im Stroh

Ferkel fühlen sich "sauwohl"

Im Fokus des Projektes stand das Verhalten der Sau rund um die Geburt. Freies Abferkeln erhöht das Wohlbefinden der Sau. Doch sollte es nicht zu vermehrten Ferkelverlusten und zur Gefährdung des Tierhalters bei Maßnahmen am Tier führen. Das Verhalten der Sau bei der Geburt und an den darauffolgenden Tagen hat maßgebenden Einfluss auf die Aufzuchtleistung und den Arbeitsaufwand, insbesondere bei freien Abferkelsystemen. Daher wird dem Verhalten der Sau in der Zucht zunehmend mehr Bedeutung zukommen.

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Bewertung der Sauen mit der Mütterlichkeitskarte
Volltextalternative
Der Film veranschaulicht, wie Sauen mit der Mütterlichkeitskarte bewertet werden können. Für das freie Abferkeln werden Sauen mit bestimmten Eigenschaft benötigt. Sie müssen ruhig im Umgang mit dem Menschen sein, ein ruhiges und komplikationsfreies Geburtsverhalten zeigen, wenige Ferkel erdrücken und homogene und vitale Ferkel haben. Die Landwirtin Heidi Zinner und Elisabeth Sinz von der LfL stellen vor, wie die einzelnen Merkmale auf der Mütterlichkeitskarte bewertet werden können. Dies ermöglicht Landwirt*innen wie Heidi Zinner passende Sauen für das freie Abferkeln auszuwählen und diese für die Nachzucht einzusetzen.

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Mütterliche Sauen statt Kastenstand | Beitrag des BR aus der Sendung "Unser Land", 03.07.2020
Volltextalternative des Videos "Mütterliche Sauen statt Kastenstand"
Der Film zeigt den Sauenbetrieb von Christian Zellner in Kelheim (Lkr. Kelheim). Er erfasst seit eineinhalb Jahren für die LfL die Mütterlichkeitsdaten seiner 230 Sauen. Alle drei Wochen ferkeln 34 Sauen bei ihm ab. Elisabeth Sinz, die das Projekt an der LfL bearbeitet, besucht Christian Zellner. Sie hat mit ihrem Team für das Forschungsprojekt den Erhebungsbogen entwickelt. Wichtig sind hierbei bestimmte Merkmale, die Einfluss auf die Mutterqualitäten haben. Das sind das Nestbauverhalten kurz vor der Geburt, die Geburt an sich, die Homogenität des Wurfes, die Vitalität der Ferkel, der Gesundheitsstatus der Sau nach der Geburt und ihr Verteidigungsverhalten.
Gute Muttereigenschaften, wie z.B. vorsichtiges Ablegen und umgängliches Verhalten dem Landwirt gegenüber, sind für ihn wichtiger als früher, da in seinem neuen Stall sog. Bewegungsbuchten eingebaut sind. Die Sauen haben hier mehr Platz und werden nur noch kurzzeitig fixiert. Im alten Stall mit den Ferkelschutzkörben hat er bislang 4 Prozent weniger Verluste als in den Bewegungsbuchten. Elisabeth Sinz ist jedoch überzeugt, dass sich die Ferkelverluste in den Bewegungsbuchten minimieren lassen, wenn der Sauenbestand schrittweise durch mütterliche Sauen ersetzt wird. Die Projektdaten unterstreichen das. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass z.B. das Geburtsverhalten eine wichtige Rolle spielt, ebenso homogene und vitale Würfe.
Im weiteren Verlauf des Films besucht Elisabeth Sinz den Bio-Betrieb von Florian Doll in Nittenau (Lkr. Schwandorf). Öko-Ferkelerzeuger Florian Doll ist einer der Pioniere im Projekt. Bereits seit fünf Jahren erfasst er die Mütterlichkeitsmerkmale seiner Tiere. Gerade bei der Bio-Sauenhaltung, bei der die Sau nur in Ausnahmefällen fixiert werden darf, ist es wichtig, umgängliche Sauen gegenüber dem Landwirt zu haben, die gleichzeitig auch gut auf ihre Ferkel aufpassen. In den letzten fünf Jahren hat Florian Doll nur noch Sauen mit guten Mütterlichkeitsmerkmalen aus der eigenen Nachzucht gedeckt. Beim freien Abferkeln im Stall mit Stroh kann die Sau ihr natürliches Nestbauverhalten vor der Geburt ausleben.
Genügt es, die Sauen auf Mütterlichkeit zu selektieren? Florian Doll berichtet von seinen Erfahrungen, dass gute Muttereigenschaften nicht nur Tier-, sondern auch Rassebedingt sind. Mit den Erfahrungen aus dem Projekt hat Florian Doll zwei Ferkel pro Sau und Jahr mehr. Florian Doll beschreibt auch den Gruppenabferkelstall, in dem fünf bis sechs Sauen gemeinsam abferkeln und danach zusammen ihre Ferkel aufziehen. Auf seinem Betrieb hält Florian Doll 40 Muttersauen mit ca. 4-6 Geburten alle drei Wochen. Er diskutiert die Übertragbarkeit freien Abferkelns für größere Betriebe hinsichtlich Platzbedarf, Management und Genetik.
Das Forschungsprojekt zeigt deutlich, dass es für tiergerechtes freies Abferkeln ohne Kastenstand nicht nur eine andere Aufstallung braucht, sondern auch andere Sauen.
Abstract
In organic farming free farrowing is required by law. Free farrowing systems are also increasingly being considered in conventional pig farming. They allow sows to perform their natural behaviours and meet growing demands for increased animal welfare. However, there are two significant disadvantages: higher piglet losses, in particular due to crushing, and a potentially dangerous situation for the farmer, who has to deal with the defensive behaviour of the sow protecting her piglets. Therefore, free farrowing requires sows that show good maternal behaviour and are easy to deal with.

The project “Functional features of lactating sows – a contribution to breeding and restocking” therefore focusses on the behaviour of the sow during and after farrowing. The behaviour of the sow during farrowing and the period thereafter significantly influences rearing performance and the amount of work required, particularly in free farrowing systems.

The aim of the project is the development of a tool to assist piglet producers in choosing sows with good maternal behaviours for restocking. It is intended that the sows are assessed in terms of functional criteria, and that these results can then be used when making breeding decisions.

Hintergrund

Freies Abferkeln ist im ökologischen Landbau gesetzlich vorgeschrieben. Aber auch in der konventionellen Schweinehaltung werden freie Abferkelsysteme zunehmend diskutiert. Sie ermöglichen den Sauen, sich frei zu bewegen und so ihre natürlichen Verhaltensweisen besser auszuleben. Damit entsprechen sie den wachsenden Forderungen seitens der Verbraucher nach mehr Tierwohl.

Doch es gibt zwei wesentliche Nachteile des freien Abferkelns, die bislang noch nicht zufriedenstellend gelöst wurden:

  • Die Höhe der Saugferkelverluste, insbesondere der Anteil an erdrückten Ferkeln, steht der aus der fixierten Haltung immer noch nach. Sie lassen sich zwar durch die Optimierung von Geburtsüberwachung, Haltung, Ferkelnestnutzung und eine intensive Tierbetreuung reduzieren, erreichen aber meist noch nicht das Niveau der konventionellen Haltung.
  • Der Sauenhalter ist dem Verteidigungsverhalten der Sau zum Schutz ihrer Ferkel direkt ausgesetzt. Dies kann die Arbeitssicherheit sowie das Arbeitszeitmanagement beeinträchtigen.
Folglich erfordert das freie Abferkeln besonders mütterliche und umgängliche Sauen.

Ziel

Ziel war die Entwicklung eines Tools, mittels dessen Ferkelerzeuger*innen mütterliche und umgängliche Sauen für die Nachzucht auswählen können. Die Sauen wurden hinsichtlich funktionaler Kriterien bewertet und die Ergebnisse flossen in züchterische Entscheidungen ein.

Methode

Sau und Ferkel im Auslauf mit Stroh.
Im vorliegenden Projekt wurde eine Methode zur Beurteilung des Sauenverhaltens (Mütterlichkeit und Umgänglichkeit) rund um die Geburt entwickelt. Verschiedene Verhaltensmerkmale wurden auf Validität und Erfassbarkeit getestet.
Mit der entwickelten Methode sollten die Mütterlichkeit und Umgänglichkeit von Sauen im laufenden Betrieb mit wenig Aufwand erfasst und ausgewertet werden können. Diese Daten wurden zunächst zur Eigenremontierung genutzt und können später als Basis für die Zuchtwertschätzung auf Umgänglichkeit dienen. Es wurden Nestbauverhalten, selbstständiges Abferkeln und Wurfqualität, kontrolliertes Abliegeverhalten im Zusammenhang mit Saugferkelverlusten durch Erdrücken sowie Verteidigungsverhalten bewertet.
Das Projekt erfolgte in Zusammenarbeit mit ökologischen und konventionellen Ferkelerzeugerbetrieben in Bayern. Diese führten Verhaltensbeobachtungen in der kritischen Phase, das heißt in der ersten Lebenswoche der Ferkel, durch. Das LKV Bayern e.V. unterstützte bei der Datenerfassung. Die LKV-Ringberater übertrugen die Beobachtungen der Tierhalter zum Verhalten der Sau sowie die Leistungsdaten der Sau in den Sauenplaner. Eine anschließend erstellte Auswertung der aktuellen Würfe wurde den Ferkelerzeugern als Entscheidungshilfe für die Eigenremontierung zur Verfügung gestellt.

Ergebnisse

Im Laufe des Projektes kristallisierten sich drei Merkmale als langfristig entscheidende Parameter für die Eigenremontierung in der Praxis heraus:

  • Das Geburtsverhalten
  • Die Wurfqualität zur Geburt
  • Die Umgänglichkeit der Sauen bei Maßnahmen an den Ferkeln
Insbesondere das Geburtsverhalten hatte einen großen Einfluss auf die Aufzuchtleistung. Eine gute Geburt ging mit einer geringeren Anzahl tot geborener Ferkel (p < 0,001), einer höheren Anzahl abgesetzter Ferkel (p = 0,002) und folglich mit geringeren prozentualen Saugferkelverlusten einher (p = 0,027).
Darüber hinaus hing die Aufzuchtleistung sehr stark von der Wurfqualität ab. Bei vitalen und homogenen Würfen waren die durchschnittlichen Geburtsgewichte signifikant höher (p < 0,001). Zwar wurden durchschnittlich weniger lebende Ferkel geboren (p < 0,001), durch deutlich reduzierte prozentuale Saugferkelverluste wurden nach durchschnittlich 49 Tagen Säugezeit jedoch mehr Ferkel abgesetzt (p < 0,001). Zusätzlich war die Anzahl Totgeborener bei einer guten Wurfqualität signifikant niedriger (p = 0,004).
Außerdem konnten die Ergebnisse zeigen, dass die Aufzuchtleistung und die Umgänglichkeit nicht negativ miteinander korreliert sind. Folglich können Tierhalter Sauen mit einem starken Verteidigungsverhalten ohne Leistungseinbußen aus dem Bestand nehmen.

Tools für Betriebe mit Eigenremontierung: Auswahl mütterlicher und umgänglicher Sauen für die Nachzucht

Bio-Muttersau liegt im Stroh mit Ferkel
Im Rahmen des Projektes entwickelte die LfL für Eigenremontierer*innen die Mütterlichkeitskarte und den Mütterlichkeitsindex, um die im eigenen Betrieb optimal angepassten Sauen selektieren zu können. Mit der Mütterlichkeitskarte kann der Betrieb Verhaltens- und Wurfmerkmale, welche die Überlebensrate der Ferkel und die Aufzuchtleistung der Sau entscheidend beeinflussen, dokumentieren. Der Mütterlichkeitsindex fasst die Merkmale zusammen und ermöglicht damit den Betrieben mit Eigenremontierung die Selektion mütterlicher Sauen. Für die Berechnung des Mütterlichkeitsindex steht zudem ein kostenfreies Programm Praxis und Beratung zur Verfügung.

Informationen und Anwendung der Mütterlichkeitskarte und Programm Mütterlichkeitsindex für Sauen (Möglichkeit des Downloads)

Vortrag zum Einfluss von Verhaltensmerkmalen und Wurfeigenschaften auf eine erfolgreiche Ferkelerzeugung im ökologischen Landbau

Eine Person hält einen Vortrag
Der Beitrag von Elisabeth Sinz am 8. Öko-Landbautag 2020 befasste sich mit dem Einfluss der Merkmale Ferkelvitalität, Wurfhomogenität, Nestbauverhalten, Abliegeverhalten und Verteidigungsverhalten gegenüber dem Menschen auf bestimmte Merkmale der Aufzuchtleistung (Anzahl aufgezogener Ferkel, Ferkelverluste gesamt und durch Erdrücken). Sie stellte dar, dass Sauen mit mütterlichem Verhalten sowie vitalen und homogenen Würfen eine bessere Aufzuchtleistung aufwiesen. Muttersauen mit ausgeprägtem Nestbauverhalten, die sich aufmerksam und kontrolliert ablegten, erdrückten weniger Ferkel und zogen mehr Ferkel auf. Zukünftig werden die konsequente Beobachtung und systematische Beurteilung des Verhaltens der Muttersauen rund um die Geburt sowie die züchterische Weiterentwicklung dieser Merkmale für eine erfolgreiche Ferkelerzeugung insbesondere unter freien Haltungsbedingungen von großer Bedeutung sein.

Video: Einfluss von Verhaltensmerkmalen und Wurfeigenschaften auf eine erfolgreiche Ferkelerzeugung im ökologischen Landbau Externer Link

Informationsmaterialien und Publikationen

Projektinformation
Projektleitung: Sabine Obermaier, LfL Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz (IAB)
Projektbearbeitung: Elisabeth Sinz, Dr. Simone Helmreich, IAB
Projektpartner: LfL Institut für Tierzucht (ITZ), LfL Institut für Landtechnik und Tierhaltung (ILT), LVFZ für Ökologischen Landbau Kringell, Öko-Erzeugerringe Bayern, LKV Bayern e.V., HBLFA Raumberg-Gumpenstein
Laufzeit: (06/2015 - 04/2018) 05/2018 - 12/2020
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Fördernummer: A/15/09, A/18/09