Haltungsformen in der Putenmast

Einfluss der Haltungsformen 1 bis 4 auf das Tierwohl, die biologischen Leistungsmerkmale und die Wirtschaftlichkeit bei der Mast von Putenhähnen

Seit 2019 gibt es die sogenannte Haltungsformkennzeichnung (zunächst 4-stufig, seit 1. Juli 2024 5-stufig) des Lebensmitteleinzelhandels speziell für Milch- und Molkereiprodukte sowie Fleisch und Fleischprodukte. Sie soll es Verbrauchern erleichtern, eine informierte Entscheidung beim Lebensmitteleinkauf zu treffen.Definiert wurden die Haltungsformen von der Initiative Tierwohl in Zusammenarbeit mit den Lebensmitteleinzelhändlern Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto Marken-Discount, Penny und Rewe. Sie legen Mindestanforderungen für die Milchviehhaltung, sowie die Rinder-, Schweine-, Kaninchen-, Enten-, Puten- und Hähnchenmast fest.

Hintergrund und Problemstellung

Seit 2019 verwendet ein Großteil des deutschen Lebensmitteleinzelhandels diese freiwillige Kennzeichnung. Viele der Lebensmitteleinzelhändler planen eine Abkehr vom Verkauf von Milch- und Fleischprodukten aus den Haltungsformen eins und zwei bis zum Jahr 2030. Aldi begründet diesen Schritt damit, dass die Kunden bereit seien für einen Bewusstseinswandel und dass dieser Schritt der richtige für höheres Tierwohl sei. Rewe und Aldi haben sich das Ziel gesetzt bereits bis Ende 2025 auf Frischfleisch, verarbeitet Fleischerzeugnisse und Trinkmilch aus der Haltungsform eins zu verzichten. Seit März 2024 bietet Aldi nur noch Putenfrischfleisch aus der Haltungsform drei oder höher und ausschließlich aus deutscher Herkunft an.

Definition der Haltungsformen für die Mast von Putenhähnen

Haltungsform eins – Stall
Entspricht zum Großteil dem, was die bundeseinheitlichen Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen angeben. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung der Putenhalter Deutschlands, die beispielsweise eine Besatzdichte von maximal 58 kg Körpergewicht pro m² angibt. Zudem muss der Betrieb im QS-System zugelassen sein. Das QS-Prüfzeichen steht für die Einhaltung bestimmter Standards für die Produktion und Vermarktung, sowie gesicherte Prozesse und Produktqualität.
Haltungsform zwei – Stall und Platz
Im Vergleich zu den Anforderungen von Haltungsform eins kommt ein größeres Platzangebot (mindestens +10 %, also maximal 53 kg/m²) für die Tiere hinzu. Außerdem ist zusätzliches (organisches) Beschäftigungsmaterial für die Tiere vorgeschrieben, also zum Beispiel Strohballen oder Picksteine.
Haltungsform drei – Frischluftstall
Ermöglicht den Zugang zu einem Außenklimabereich. Zudem ist hier das vorgeschriebene Platzangebot im Vergleich zu Haltungsform eins um 30 % erhöht, was 41 kg/m² entspricht. Weiterhin kommen Vorschriften für die Wachstumsgeschwindigkeit der Tiere und das Futter hinzu. Es muss sich bei Tieren dieser Haltungsform um langsam wachsende Zuchtlinien handeln oder die Tiere müssen, wenn sie schneller wachsen als 110 g am Tag, ein Mindestschlachtalter von 140 Tagen erreichen. Mindestens ab zehn Wochen vor der Schlachtung müssen gentechnikfreie Futtermittel zum Einsatz kommen.
Haltungsform vier – Auslauf/Weide
Schreibt mehr Platz im Stall vor (60 % mehr als bei Haltungsform eins, also maximal 21 kg/m²). Zusätzlich zu den Vorgaben aus Haltungsform drei wird den Tieren noch ein bewachsener Auslauf angeboten, in dem Strukturelemente wie zum Beispiel Unterstände oder Büsche Unterschlupf bieten. Hier muss außerdem über die gesamte Haltungsdauer gentechnikfreies Futter eingesetzt werden und mindestens 20 % des Futters muss aus der Region oder dem Betrieb stammen.

Die Umstellung auf höhere Haltungsformen bei Puten bietet mehrere Vorteile, die sowohl das Tierwohl als auch die wirtschaftliche Situation der Betriebe betreffen können:

  1. Verbessertes Tierwohl: Die Haltungsformen drei und vier bieten den Tieren mehr Platz, Bewegungsfreiheit und Zugang zum Außenbereich. Das höhere Platzangebot bietet den Tieren die Möglichkeit Rangkämpfen eher aus dem Weg zu gehen, was Verletzungen vorbeugen könnte.
  2. Marktvorteile: Verbraucher legen zunehmend Wert auf tiergerechtere Haltung. Produkte aus den Haltungsformen drei und vier könnten daher besser vermarktet werden und möglicherweise höhere Preise erzielen, was die Rentabilität der Betriebe steigern könnte.
  3. Betriebe, die auf höhere Haltungsformen umstellen, können ihr öffentliches Image verbessern und das Vertrauen der Verbraucher stärken.

Gleichzeitig bringt die Umstellung auf höhere Haltungsformen bei Puten verschiedene Herausforderungen mit sich:

  1. Investitionsbedarf: Die Umstellung erfordert oft erhebliche Investitionen in die Stallinfrastruktur, um den Anforderungen der Haltungsformen gerecht zu werden. Dazu gehören größere Stallflächen, Auslaufmöglichkeiten und geeignete Einrichtungen für die Tiere.
  2. Betriebswirtschaftliche Aspekte: Die höheren Kosten für die Umstellung können die Wirtschaftlichkeit des Betriebs beeinträchtigen. Zudem verteilen sich die Kosten des Stalles und der Tierbetreuung auf eine wesentlich geringere Tierzahl.
  3. Biosicherheit: Ein Zugang zum Auslauf erhöht die Keimbelastung, da sich Grasflächen nicht desinfizieren lassen und auch eine Krankheitsübertragung durch Wildvögel möglich ist. Insbesondere ist dies im Hinblick auf die aktuelle Vogelgrippe-Thematik kritisch zu betrachten.
  4. Marktzugang und -akzeptanz: Es besteht die Herausforderung, dass die Verbraucher die Produkte aus diesen Haltungsformen akzeptieren und bereit sind, höhere Preise zu zahlen. Eine umfassende Vermarktungsstrategie ist erforderlich, um das Bewusstsein für die Vorteile höherer Haltungsformen zu schärfen.

Zielsetzung

Das Projekt soll die Auswirkungen der verschiedenen Haltungsformen eins bis vier auf das Tierwohl, die biologische Leistung und die Wirtschaftlichkeit bei der Mast von Putenhähnen zu untersuchen.

Material und Methoden

Diese Ziele sollen anhand von zwei Versuchsdurchgängen im Sommer 2024 (21.05. bis 17.10.24) beziehungsweise Winter/Frühjahr 2025 (08.01. bis 05.06.2025) erreicht werden.
Beide Versuchsdurchgänge werden mit Tieren der Genetik B. U. T. 6 am Versuchs- und Bildungszentrum Geflügel, Staatsgut Kitzingen, durchgeführt. Die Tiere werden als Eintagsküken mit gekürztem Schnabel von einer Brüterei bezogen.

Nach einer 5-Wöchigen Aufzucht unter einheitlichen Bedingungen (7,9 Tiere/m², Picksteine zur Beschäftigung) wird der Stall in acht Abteile mit je 30 m² unterteilt. Somit ergeben sich pro Haltungsform zwei Abteile. Die Tieranzahl je Abteil variiert, sodass die vorgegebene Besatzdichte der jeweiligen Haltungsform zum Mastende eingehalten wird:

  • Haltungsform 1: 75 Tiere pro Abteil, Besatzdichte 58 kg/m²
  • Haltungsform 2: 68 Tiere pro Abteil, Besatzdichte 53 kg/m²
  • Haltungsform 3: 73 Tiere pro Abteil + Außenklimabereich (Grundfläche 22,5 m²), Besatzdichte 41 kg/m² (Anrechnung von 50 % des Außenklimabereichs)
  • Haltungsform 4: 37 Tiere pro Abteil + Außenklimabereich + Auslauf (Grundfläche 500 m²), Besatzdichte 21 kg/m² (Anrechnung von 50 % des Außenklimabereichs)

Ein weiterer Unterschied zwischen den Varianten ist das angebotene Beschäftigungsmaterial:

  • Haltungsform 1: Pickstein
  • Haltungsform 2: Pickstein
  • Haltungsform 3: Pickstein, Luzerneballen, Heu, Stroh im Außenklimabereich, erhöhte Ebene
  • Haltungsform 4: Pickstein, Luzerneballen, Heu, Stroh im Außenklimabereich, erhöhte Ebene, Strohballen
Die Fütterung erfolgt in sechs Futterphasen. Alle Tiere erhalten das gleiche Futter.
Zu jedem Futterphasenwechsel nach der 2., 5., 9., 13., 17. und 21. Lebenswoche werden die Tiere gewogen und die verbrauchten Wasser-, sowie Futtermengen je Abteil erfasst.
Auch Bonituren des Integumentzustands werden vorgenommen, um den körperlichen Zustand der Tiere zu beurteilen. Dazu zählen Beschädigungen am Gefieder, Verletzungen und andere Veränderungen (zum Beispiel Fußballenveränderungen).
Täglich werden Verletzungen sowie Abgänge erfasst, wobei Art und von der Verletzung betroffene Körperstelle beziehungsweise das Gewicht der verendeten Puten und die Abgangsursache dokumentiert werden. Auch der Verbrauch von Beschäftigungsmaterial wird aufgezeichnet.
Daraus lassen sich Leistungsmerkmale wie die täglichen Tageszunahmen, der tägliche Futterverbrauch und der Futteraufwand berechnen.
Am Ende der Mast des jeweiligen Durchgangs werden von sechs Tieren je Abteil die Schlachtleistungsmerkmale erhoben. Dazu zählen Schlachtgewicht, Ausschlachtung, Gewicht der bedeutendsten Teilstücke (Brust, Keule, Flügel) und Organgewichte (Herz, Leber, Magen).
Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit werden der Zeitaufwand für die Tierbetreuung und andere Arbeitsvorgänge erfasst.

Ergebnisse

Die Datenerfassung des ersten Durchgangs ist abgeschlossen. Derzeit läuft die Datenerfassung im zweiten Durchgang des Projekts. Anschließend erfolgt die gemeinsame Auswertung beider Durchgänge. Sobald erste Ergebnisse vorliegen, werden diese an geeigneter Stelle veröffentlicht.
Logo des STMELF und Forschungsland Bayern

Projektinformation
Projektleitung Dr. Philipp Hofmann
Projektbearbeitung: Markus Stadelmann, Isabel Roth
Projektpartner: Bayerische Staatsgüter, Staatsgut Kitzingen
Laufzeit: 01.04.2024 bis 01.04.2026
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus (StMELF)
Förderkennzeichen: L/a-7490-1/1384/6