Reinigung und Desinfektion in der Milcherzeugung

Melkzeug während der Reinigung vor weiß gefliestem Hintergrund

Melkzeug während der Reinigung

Milch ist ein hochwertiges Nahrungsmittel und unterliegt in der Erzeugung seit vielen Jahren strengen gesetzlichen Vorschriften.

Der Landwirt ist der Definition nach Lebensmittelunternehmer und unterliegt dessen gesetzlichen Vorgaben. Besonders hervorzuheben sind spezifische Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischer Herkunft, für die Rohmilcherzeugung, für Milcherzeugerbetriebe sowie Kriterien für die Rohmilch. Beispielsweise müssen alle Oberflächen, die mit Milch in Berührung kommen einmal täglich (oder vor erneuter Verwendung) gereinigt und desinfiziert werden.
Eine komplette Übersicht über die gesetzlichen Vorgaben, die sich auf Milcherzeuger beziehen, sind von der LfL Bayern unter folgendem Link zusammengefasst:

Gesetzliche Grundlagen für die Erzeugung von Qualitätsmilch

Probleme bei der Reinigung und Desinfektion der Melkanlage und des Tanks werden durch den Milcherzeuger häufig dadurch bemerkt, dass die Grenzwerte von z.B. Keimgehalte nach der Rohmilchgüteverordnung überschritten werden. Bei einer solchen Überschreitung der Grenzwerte der Prüfkriterien kann es sowohl zu Abzügen beim Milchpreis als auch zur Liefersperre kommen. Die Ursachenforschung für erhöhte Zell- oder Keimgehalte ist oftmals komplizierter als erstmal gedacht und externe Hilfe durch z. B. einen Berater ist erforderlich. Hinzu kommt, dass die Thematik von Rückständen von Reinigungs- und Desinfektionsmittel in der Rohmilch zunehmend und auch immer wiederkehrend ein großes Thema sind.
Was ist Reinigung? Was bedeutet Desinfektion?
Eine Reinigung ist das Entfernen von Verschmutzungen (z. B. organischen Resten ), wodurch aber auch die potenzielle Keimzahl auf den Oberflächen reduziert wird.
Bei der Desinfektion wird die Zahl der Keime auf Flächen oder Gegenständen durch chemische und physikalische Verfahren so weit reduziert, dass von ihnen keine Infektion bzw. Erregerübertragung mehr ausgehen kann.
Reinigungsarten von Melkanlagen
Für die Reinigung der Melkanlage kennt man drei Reinigungsarten: Zirkulations-, Stapel- und Kochend-Wasserreinigung.
Allen drei Reinigungsverfahren ist gemein, dass der Reinigungsautomat Wasser und Reinigungsmittel in einem vorgegebenen Verhältnis mischt und so das Spülwasser für die Melkanlagenreinigung herstellt. Die Melkbecher werden in einer Spülaufnahme positioniert, die mit dem Reinigungsautomaten verbunden sind. Durch das erzeugte Vakuum saugt der Milchabscheider das Spülwasser über die Melkzeuge und die Milchleitung an und leitet es durch die gesamte Anlage.

Die Verfahren unterscheiden sich in ihrer Vorgehensweise

  • Zirkulationsreinigung: das Spülwasser wird mehrmals durch die Anlage befördert.
  • Stapelreinigung: das Nachspülwasser wird zurückgehalten („gestapelt“) und für das Vorspülen der darauffolgenden Reinigung wiederverwendet.
  • Kochendwasserreinigung: die Melkanlage wird einmalig mit kochend heißem Wasser unter Zusatz von Säuren durchgespült.
Grundprinzip einer Reinigung
Jede Reinigung wird von vier Faktoren ("Sinnersche Kreis") beeinflusst, die ihren Erfolg bestimmten: Mechanik, Zeit, Temperatur und Chemie (Abbildung 1).
Grafik mit 4 verschiedenen grünen Symbolen

Abbildung 1: Schematische Darstellung der Grundprinzips einer Reinigung

Mechanik
Die mechanische Reinigung kann durch verschiedene Verfahren erfolgen.
Wird das Melkgeschirr von Hand gewaschen, erfolgt die Reinigung mittels Bürste und Schwamm. Bei der Verwendung von Bürsten bei Gummiteilen ist zu beachten, dass die Oberflächen rau werden und so Keime besser haften können.
Bei der Reinigung einer Rohrmelkanlage im Melkstand/ beim AMS sind keine Werkzeuge (Bürste oder Schwamm) vorhanden. Während des Melkens soll eine konstante Vakuumversorgung in der Milchleitung vorhanden sein und die Milch soll möglichst gleichmäßig durch die Melkleitung fließen (Abbildung 2).
Rohr halbvoll mit Flüssigkeit

Abbildung 2: Die Milch soll möglichst gleichmäßig durch die Melkleitung fließen

Bei der Reinigung soll dagegen die komplette Oberfläche im Rohr gereinigt werden soll. Hierfür sind Turbulenzen notwendig (Abbildung 3).
Rohr halbvoll mit Flüssigkeit und Propfen in der Mitte

Abbildung 3: Bei der Reinigung der kompletten Oberfläche im Rohr sind Turbulenzen notwendig.

Um Turbulenzen entstehen zu lassen, werden z. B. durch Luftinjektoren abwechselnd Luft und Wasser eingelassen, wodurch Pfropfen, die stoßweise die Rohroberfläche berühren, entstehen (siehe Abbildungen 2 und 3).
Bei einer Rohrmelkanlage im Anbindestall wird ein Schwamm durch die milchführenden Leitungen gespült. Dieser bewirkt, dass die milchführenden Teile restentleert werden.
Zeit
Grundsätzlich gilt:
Je länger die Einwirkzeit, desto besser der Reinigungserfolg. Zu beachten ist, dass das Spülwasser nicht zu kalt werden darf, da sich ansonsten ein Fettfilm bilden kann. Bei einer Zirkulationsreinigung sollte der Hauptspülgang ca. 15 Minuten dauern (mit einem Rücklauf der Spülwassertemperatur von über 40 - 45°C).
Temperatur
Die verschiedenen Reinigungsabschnitte haben unterschiedliche Ansprüche an die Temperatur der Reinigungslösung. Zudem muss die Temperatur des Spülwassers auf das Reinigungsmittel abgestimmt sein.
Für eine optimale Reinigung ist heißes Wasser notwendig, da sich Fette und Eiweiße erst bei einer höheren Temperatur gut entfernen lassen. Zu heißes Wasser (über 70°C) führt jedoch dazu, dass Eiweiß gerinnt und haften bleibt.
Eine Zirkulationsreinigung gliedert sich in drei Spülabschnitte: Vor-, Haupt- und Nachspülung.
  • 1. Vorspülung: Das Ziel der Vorspülung ist das Entfernen von Schmutz und Milchresten. Die Temperatur des Wassers sollte lauwarm (ca. 30°C) sein.
  • 2. Hauptspülung: Beim Rücklauf sollte die Temperatur 40 - 45° betragen. Die Rücklauftemperatur sollte die oben angesprochene, auf das Reinigungsmittel abgestimmte, Temperatur erreichen. Dies beträgt i.d.R. 40-45 °C.
  • 3. Nachspülung: Zur Entfernung von Resten an Reinigungs- und Desinfektionsmittel, erfolgt der letzte Spülgang nochmals mit lauwarmem Wasser in Trinkwasserqualität.
Bei der Kochendwasserreinigung wird bei durch einen einmaligen Durchlauf von kochend heißem Wasser (ca. 95 °C) die Melkanlage gereinigt. Durch die Erhitzung aller milchführenden Teile auf min. 77 °C für min. 2 min Länge wird zudem desinfiziert.
Reinigungsmittel
Die Milchinhaltsstoffe und die daraus gebildeten Ablagerung (Milchstein) haben unterschiedliche Verhalten gegenüber Reinigungsmaßnahmen. Ein saures Reinigungsmittel weist einen pH-Wert kleiner gleich drei auf. Alkalische Reiniger enthalten Laugen, besitzen einen pH-Wert über zehn und verfügen zudem über eine entkeimende Wirkung. Häufig wird auch von kombinierten Reinigungs- und Desinfektionsmitteln gesprochen.
In der folgenden Abbildung werden die Milchinhaltsstoffe nach ihrer Löslichkeit in verschiedenen Reinigungslösungen unterschieden.

Tabelle mit 5 Spalten

Abbildung 4: Tabellarische Darstellung der Wirksamkeit verschiedener Reinigungsmittel auf bestimmte Milchinhaltsstoffe.
Die Reinigung wird zusätzlich durch die Entstehung von Ablagerungen aus verschiedenen Milchinhaltsstoffen erschwert. Die unterschiedlichen Löslichkeiten der Milchinhaltsstoffe und der daraus gebildeten Komponenten erfordern deswegen eine alternierende Verwendung von Reinigungsmitteln. Der Milchstein setzt sich beispielsweise aus 60 % Mineralsalzen, 30 % Fett und 10 % Eiweiß zusammen. Er lässt sich demnach gut in sauren und alkalischen Mitteln lösen. Die Kalkablagerungen lösen sich hingegen nur mithilfe von sauren Reinigungsmitteln.
Die Qualität von Reinigungs- und Desinfektionsmittel wird von der DLG überprüft. Dabei werden regelmäßig Einhaltung der Rezeptur, reinigende und desinfizierende Wirkung, Materialverträglichkeit und Schaumverhalten getestet. Die Ergebnisse werden in einer Liste im Internet zur Verfügung gestellt (https://www.dlg.org/tests/landtechnik-betriebsmittel/dlg-gepruefte-betriebsmittel).
Wo können bei der Reinigung Probleme eintreten?
Problematik: erhöhte Keimzahlen in der Rohmilch

Mögliche typische Ursachen für Keimproblematik sind:

  • Hygienemängel bei Melktechnik (z. B. überaltete Gummiteile)
  • Hygienemängel bei der Milchgewinnung (z. B. Euterreinigung)
  • Mängel bei der Lagerung und Kühlung der Milch
  • Mängel bei Reinigung und Desinfektion bei der Melkanlage und/oder des Milchtanks
Problematik: Rückstände von Reinigungs- und Desinfektionsmittel in der Milch
Die Thematik von Rückständen von Reinigungs- und Desinfektionsmittel in der Rohmilch ist ein zunehmend relevantes und immer wiederkehrendes Thema.
Durch die Nutzung von Reinigungs- und Desinfektionsmittel werden chemische Prozesse gestartet, deren Endprodukte potenziell negative Auswirkungen auf die Weiterverarbeitung oder auf den Konsumenten haben können. Obwohl die Konzentration dieser Endprodukte in einem optimal eingestellten Reinigungsprozess erheblich reduziert wird, lassen sich je nach Untersuchungsverfahren stets minimale Rückstände nachweisbar sein.
Grundvoraussetzung für eine möglichst rückstandsarme Reinigung und Desinfektion von Milchgewinnungsanlagen ist der sachgerechte Einsatz von korrekt gewarteten und eingestellten Reinigungs- und Desinfektions-Anlagen.
Die Grenzwerte für diese Rückstände in der Milch hat der Gesetzgeber festgesetzt, um den Konsumenten zu schützen. Bisherigen Erfahrungen beispielsweise mit quartären Ammoniumverbindungen zeigen, dass Grenzwerte bei vermehrten Rückstandsproblematiken teilweise so verschärft werden, dass sie praktisch nicht mehr einzuhalten sind.

Produktion von qualitativ hochwertiger Rohmilch

Dies führt zu einem Verschwinden der betreffenden Reinigungsmittel vom Markt. Die Milcherzeuger müssen in dieser Situation auf alternative Wirkstoffe bzw. R/D-Mittel ausweichen, die teilweise weniger gut für den jeweiligen Einsatzzweck geeignet sind. Gleichzeitig sind auch bei anderen Wirkstoffen Rückstände in der Milch nicht ausgeschlossen (z. B. Trichlormethan, Jod ...).
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