Öko-Modul an der Handwerkskammer Oberfranken
Bio als Chance für zukünftige Bäcker- und Konditormeister
Im Rahmen der Meisterausbildung der Bäcker und Konditoren an der Handwerkskammer Oberfranken hat auch 2025 wieder ein Öko-Modul Einzug in den Unterricht gefunden. Fachbereichsleiter Ronny Vogel setzt der fundierten fachlichen Ausbildung der Meisterschülerinnen und Meisterschüler noch eins oben auf: Ihm ist besonders höchste Backqualität, Persönlichkeitsentwicklung, die Zukunft des Handwerksberufes und der Blick über den Tellerrand wichtig.
Seit nunmehr 3 Jahren hat sich das Modul aus Theorie und Exkursion zum Thema "Bio" im Stundenplan etabliert. Gemeinsam mit der Bildungsoffensive Ökolandbau, der Ökopakt-Vernetzungsstelle, dem BioRegio Betriebsnetz und dem Bio-Lebensmittelhandwerkernetz wurden die Inhalte in Theorie und die Exkursion organisiert.
Unterricht digital und in Präsenz
Keine Scheu als Meisterinnen und Meister ihres Handwerks
Den Auftakt des diesjährigen Öko-Moduls machte Referentin Nanetta Ruf von der KondiTOURei. Sie stellte ihr Konzept der mobilen Konditorei in einem LKW-Wagen vor, mit welchem sie auf landwirtschaftliche Betriebe fährt und dort deren Produkte zu Konditorei-Köstlichkeiten verarbeitet – alles zu 100% Bio. Für Nanetta Ruf „[…] bedeutet Handwerk, mit den gegebenen Rohstoffen umgehen zu können.“ Sie ist überzeugt: „Meister ihres Handwerks können das“ und nimmt so die Scheu vor weniger standardisierten Rohstoffen. Wertvolle Einblicke gab sie auch in ihre Erfahrungen und Wege bei der Neugründung.
"Bio" ist mehr als drei Buchstaben
Zur Klärung, was hinter „Bio“ steckt, trug der Vortrag von Sophia Weisensee vom Kompetenzzentrum Ökolandbau der LfL, bei. Etwas Entstehungsgeschichte und eine Einordnung der verschiedenen Bio-Siegel und Verbandslogos inclusive des Bayerischen Bio-Siegels, das als Qualitätssiegel Bio aus Bayern bestätigt, kam zur Sprache. Es durfte nicht fehlen, einen Einblick in die Bedeutung von Bio bei den Rohstoffproduzenten in der Landwirtschaft zu geben. Dass ökologischer Getreideanbau beispielsweise auf chemisch-synthetische Mittel gegen Unkraut, Schadpilze und Schadinsekten sowie Pflanzenwachstumsregler vollständig verzichtet, wurde dabei thematisiert. Mehrwerte für gesunde Böden, die Biodiversität auf dem Feld und für das Tierwohl waren interessante Informationen für die Teilnehmenden.
Angebot und Nachfrage für Bio-Lebensmittel
Holger Reising, ebenfalls vom Kompetenzzentrum Ökolandbau der LfL, erläuterte den Markt für Bio-Backwaren anhand von Daten der Agrarmarktinformationsgesellschaft AMI: Während der gesamte Bio-Markt wieder wächst, gehen die Verbraucherausgaben für Bio-Lebensmittel in Bäckereien zurück. Discounter und Vollsortimenter sind in den Bio-Markt eingestiegen und verzeichnen steigende Mengen. Die Bevölkerung fragt nach und gibt mehr Geld für Bio aus. Könnte ein Bio-Angebot, das sich abhebt und höchste Qualität und handwerkliche Verarbeitung verspricht, die nachhaltigkeitsaffine Bevölkerung wieder mehr in die Handwerksbäckereien vor Ort holen? So zeigte sich Bio als eine Chance für die zukünftigen Bäckermeisterinnen und -meister, ihren Platz und ihre Kundschaft zu finden.
Der Weg zur Bio-Zertifizierung
Von der Bio-Rohstofferzeugung und dem Markt für Bio-Backwaren ging es weiter in die Bio-Verarbeitung. Entscheidende Fragen standen im Raum: Was ist beim Einsatz von Bio-Rohstoffen, der Verarbeitung und schließlich bei der Auslobung als Bio-Produkte zu beachten? Hier war Wolfgang Kraus von einer Öko-Kontrollstelle als Experte vor Ort. Aus seiner Sicht bedeutet „eine Umstellung auf Bio mehr als nur Marketing. Die Betriebe, die mit Herz dabei sind, haben Erfolg“, sagte er. Grundlegend für eine erfolgreiche Bio-Zertifizierung sei eine nachvollziehbare Rohstoffbilanz. Mengen an eingekauften Rohstoffen und hergestellten Produkten müssen zusammenpassen. In der Verarbeitung sei eine Teilumstellung möglich, es muss nicht gleich der ganze Betrieb 100% Bio sein. Wolfgang Kraus empfiehlt, sich wohl zu überlegen was umgestellt wird. „Das können beispielsweise die Signature-Produkte sein, oder Produkte, die preislich nicht allzu weit über der konventionellen Variante bisher liegen. Vor allem in der Konditorei sollten zu Beginn Produkte mit möglichst wenigen verschiedenen Rohstoffen gewählt werden, das kann zum Beispiel Eis oder Feingebäck sein.“ Das Thema Bio-Zertifizierung zeigte regen Gesprächsbedarf und die Meisterschülerinnen und Meisterschüler konnten ihre Fragen direkt an den Experten stellen. So wurden auch häufige Fehlerquellen aufgeklärt und Hinweise zu Hilfestellungen auf dem Weg zur Bio-Zertifizierung gegeben.
Überlegungen und Möglichkeiten zum Einkauf von Zutaten in Bio-Qualität
Wer Bio produzieren will, braucht Rohstoffe in Bio-Qualität. Sebastian Funk, Geschäftsführer eines bayerischen Naturkostgroßhändlers zeigte in seinem Beitrag unterschiedliche Möglichkeiten des Rohstoffbezugs im Bio-Bereich in Bayern auf. Zu Grunde sollten wichtige konzeptionelle Entscheidungen gelegt werden: Um welche Lebensmittel geht es? Wie wichtig ist mir die Entstehungsgeschichte und Herkunft der bei mir im Betrieb verarbeiteten Lebensmittel? Können daraus wirtschaftliche Vorteile abgeleitet werden? Und welche Aspekte müssen in den Bereichen Belege, Buchhaltung, Bestellung und Datenmanagement erfüllt sein? Es wurde sowohl der Bezug direkt beim Erzeuger als auch der Bezug über den Bio-Großhandel dargestellt. Klares Fazit war: „Es sollte kein ‚entweder oder‘ sein, sondern ein ‚sowohl als auch‘“.
Zu Besuch auf einem Bio-Bauernhof
Gesättigt vom Theorie-Vormittag ging es am Nachmittag und am zweiten Tag darum, Einblicke in die Praxis vor Ort zu bekommen. Der erste Besuch war dem Ausgangspunkt der Wertschöpfungskette gewidmet, ein Besuch auf dem Naturlandhof Weiß in Laibarös. Wo zu Beginn noch Skepsis ob der Relevanz für Bäcker und Konditoren herrschte, war spätestens am Getreideacker klar: hier beginnt die Geschichte vom Korn übers Mehl zum Brot. Und hier kann man einen Einblick direkt in die Praxis gewinnen, was beim Anbau von Getreide in Bio-Qualität passiert. Eindrücklich erklärte der Junior-Betriebsleiter Johannes Weiß, warum er und seine Frau auch in zweiter Generation den Betrieb mit voller Überzeugung nach Bio-Richtlinien bewirtschaften.
Auch stellte er dar, welche Einflussmöglichkeiten er selbst auf eine gute Ernte hat und wie sich der Klimawandel bei ihm auf dem Acker bemerkbar macht. Die Meisterschülerinnen und Meisterschüler wurden bestens einbezogen, durften verschiedene Getreideähren zuordnen, die stickstoffspeichernden Knöllchenbakterien an den Wurzeln der Getreidevorfrucht entdecken und zum Einblick in den Gesamtbetrieb auch noch den Rindermaststall und den Schweinestall ansehen. Besonders geschätzt haben sie die ehrlichen Einblicke in die Kreislaufwirtschaft und das ökologische Wirtschaften in der Praxis sowie die Wichtigkeit des Netzwerkens.
Müllerei beeindruckt und verbindet
Im Netzwerk für Bio-Bäckereien und Bio-Konditoreien nehmen Mühlen eine zentrale Stellung ein. So ging die Exkursion entlang der Wertschöpfungskette am zweiten Tag zu einer bio-zertifizierten Mühle, der Gailertsreuther Mühle im Landkreis Neustadt an der Waldnaab. Der Gang durch die unterschiedlichen Mühlen-Etagen und die dabei eindrückliche Erklärung der Aufreinigungs- und Mahlprozesse waren für die gesamte Gruppe sehr interessant und äußerst wertvoll. Mit welcher Akribie und Detailarbeit und in welcher Vielfalt an Getreidearten und Vermahlungsgraden Mehl für verschiedene Zwecke hergestellt wird, war beeindruckend. Der Betriebsleiter und Müllermeister Gerald Meierhöfer war offen für alle Fragen der Meisterschülerinnen und Meisterschüler und hat ein gutes Bewusstsein vermittelt, wie eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Bio-Mühle und Bio-Konditorei/Bio-Bäckerei funktionieren kann.
Von Bäcker zu Bäcker
Riech mal, Foto: LfL
Unter dem Motto „von Berufskollegen lernen“ durfte ein Besuch bei einer bereits zertifizierten Bio-Bäckerei im Exkursionsprogramm natürlich nicht fehlen. So wurde die Gruppe in der Backstube der Bio-Bäckerei Popp im Fichtelgebirge empfangen. Bäckermeister Popp „hatte noch keinen Tag, an dem er gar keine Lust hatte“. Er erzählte aus seiner langjährigen Bio-Bäcker-Erfahrung und war offen für die Fragen seiner Besuchenden. Auch wenn er seit vielen Jahren bereits Bio-Bäcker ist, probiert er während dem Arbeitstag oder am Nachmittag /Abend immer wieder Neues aus. Er hält direkten Kontakt mit den Landwirten, von denen er Rohstoffe bezieht, und ist trotz des höheren Preises überzeugt, „dass Bio-Eier die besten sind“. Auch bei dieser abschließenden Station der Exkursion haben die Meisterkursler wertvolle Einblicke und Erfahrungswerte mitnehmen können. Ein Einkauf in der Bäckerei, um noch mehr der biozertifizierten Backwaren zu verkosten, war selbstverständlich.
Zurück im Unterricht beim Folgetermin
Mehl ist nicht gleich Mehl
Für die Lebensmittelhandwerker stellt sich beim Thema Bio immer die Frage, ob sich Bio-Rohstoffe von konventionellen Rohstoffen in der Verarbeitung unterscheiden. Vor allem im Brot-und Semmelbereich fällt der Blick hier schnell auf die Backeigenschaften von Mehl. Diese werden unter anderem von professionellen Laboren analysiert. Sabine Kempf, Leiterin eines auf Getreide- und Mehlanalytik spezialisierten Labors, gab beim Folgetermin einen Einblick in die wichtigsten Analysemethoden und verglich die Parameter Feuchtkleber, Proteingehalt, Backvolumen, Wasseraufnahme sowie Dehnbarkeit und Dehnwiderstand von konventionellen und ökologischen Mehlen. Auch der Verlauf der Jahreswitterung hat Einfluss auf die Getreidequalität bei der Ernte und somit diese Parameter. Mit den richtigen Hinweisen kann in der Backstube entsprechend darauf eingegangen und reagiert werden.
Herausforderungen annehmen
Neben der Backqualität von Bio-Mehl wurde beim Folgetermin auch das Bio-Backen aus der Erfahrung eines Bäckerberaters beleuchtet. Für Bäckermeister und Brotsommelier Christoph Heger ist Bio ein Qualitätsmerkmal, das sich auszahlt. Es ist verbunden mit Herausforderungen wie schwankenden Mehlqualitäten, Verzicht auf Hilfsstoffe und möglicherweise eingegrenzter Auswahl an Rohwaren, vor allem noch im Konditorbereich. Doch aus Sicht des selbständigen Bäckerberaters gibt es klare Gründe, diese Herausforderungen anzunehmen. Denn Bio bietet den Bäckern ein Alleinstellungsmerkmal mit qualitativ hochwertigen Produkten und den Kunden ein Einkaufserlebnis. Darüber hinaus leisten der Bäcker und seine Kundschaft mit Bio ganz einfach einen Beitrag zum Klimaschutz, der Bodenfruchtbarkeit, der Wasserqualität, der Artenvielfalt und der Gesundheit.
Blick in die Zukunft
Mit dem Öko-Modul zeigte sich wieder klar: Bio ist so umfangreich, dass zweieinhalb Tage fast zu wenig sind. Nichtsdestotrotz waren die Meisterkursler interessiert und dankbar für die Einblicke, die sie gewinnen durften. Fünf Teilnehmende könnten sich in Zukunft Bio vorstellen, sechs bräuchten noch mehr Infos oder sind sich noch nicht sicher. Bei den Konditoren zeigte sich, dass durchaus Interesse an Bio vorhanden ist, eine Umsetzung aber aus unterschiedlichen Gründen (noch) schwierig ist. Das Öko-Modul wird es sicher auch im nächsten Meisterkurs 2026 wieder geben, der Termin steht bereits fest. Kursleiter Ronny Vogel ist sich sicher: „das wertvolle am Öko-Modul liegt vor allem in der Transparenz und dem Transfer von Erfahrungen, Schwierigkeiten und Chancen für das Lebensmittelhandwerk. Besonders der offene Austausch mit den Praxis-Betrieben ist inspirierend und ein großer Mehrwert für den Kurs. Durch dieses Verständnis können kürzere Wertschöpfungsketten geschaffen und Kooperationen gebildet werden, was das regionale Handwerk insgesamt stärkt und mehr Individualität und Qualität für den Endverbraucher fördert.“
Was ist das Bio-Lebensmittelhandwerkernetz?
Das Bio-Lebensmittelhandwerkernetz ist eine Anlaufstelle für Bäcker, Konditoren und Müller, die Fragen rund um das Thema Bio haben. Es vernetzt zudem mit bereits bestehenden Expertinnen und Experten sowie erfahrenen Bio-Inspirationsbetrieben, um den Austausch und die Zusammenarbeit zu fördern. Zudem soll in der Meisterausbildung ein Einblick in Bio als Qualitätsstandard und Zukunftschance für das Lebensmittelhandwerk in Bayern vermittelt werden.