Forschungs- und Innovationsprojekt
Satellitengestützte Schätzung von Grünland- und Feldfuttererträgen

Ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche Bayerns ist Grünland und die Rinder- und Milchviehwirtschaft ist eine der wichtigsten Einkommensquellen der bayerischen Landwirtschaft. Effizienzsteigerungen in diesem Bereich haben somit einen großen Hebel bei der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der landwirtschaftlichen Betriebe. Hierzu ist jedoch eine genaue Erfassung der Grünlanderträge Vorraussetzung.

Ausgangssituation

Grünlandbestand bei Willing, Landkreis Rosenheim
Aktuell kann die Erntemenge von Grünland in Bayern (wie auch in anderen Bundesländern) aufgrund der geringen Datendichte und einer Vielzahl von Einflussgrößen nur grob anhand - im Vergleich zum Ackerbau - weniger Versuchsergebnisse, in Fortschreibung einer mittlerweile acht Jahre alten Erhebung und Expertenwissens abgeschätzt werden. Auch der Einzelbetrieb kann - zum Beispiel im Vergleich zum Getreidebau - die Erträge oft nur grob abschätzen.
Grund für die mangelnde Datenbasis ist die traditionell unterschiedliche Erfassung am Betrieb selbst. Während Ackerfrüchte in aller Regel gehandelt werden und damit spätestens an der Erfassungsstelle des Handels gewogen und in ihrer Qualität erfasst werden, findet dies bei Grobfutter, das den Hof wenn überhaupt nur zu geringen Anteilen verlässt, nicht statt, da hierzu nötige Wiegeeinrichtungen kaum in den Betrieben vorhanden sind. Eine möglichst flächendeckende, kostengünstige Unterstützung der Praxis bei der Erfassung der Grünlanderträge hat daher eine große Bedeutung bei der Unterstützung der Betriebe im Rahmen der bayerischen Eiweißoffensive wie auch der Energiewende.

Zielsetzung

Ziel der Studie ist die Entwicklung eines satellitengestützten Verfahrens zur flächendeckenden Bestimmung der Schnittzeitpunkte im Grünland. Die damit gewonnene Kenntnis über Schnittzeitpunkte und Schnitthäufigkeit als ertragsbestimmende Faktoren kann zu einer besseren Abschätzung der Grünlanderträge führen. Darüber hinaus kann eine Kombination dieser satellitengestützten Schnittterminerfassung mit einem an bayerisches Grünland angepassten Ertragsmodells in Zukunft Grünlanderträge flächendeckend berechnen.

Projektablauf

Im ersten Projektjahr wurden an einzelnen Grünlandstandorten im Testgebiet Schnitttermine erhoben und Aufwuchs- und Qualitätskurven durch eine regelmäßige Beprobung erstellt. Darüber hinaus wurden standorttypische Faktoren (nutzbare Feldkapazität, Witterung, Bestandszusammensetzung) erfasst. Diese Daten dienten der Anpassung eines Ertrags-und Qualitätsmodells der Christian-Albrechts-Universität Kiel (Hermann et al. 2005) an bayerisches Grünland. Es wurde ein Verfahren entwickelt, das durch den Vergleich von Radarbildern vor und nach den jeweiligen Schnitten im Testgebiet automatisch die Termine der Grünlandschnitte im Testgebiet detektiert. Die im Feld beobachteten Schnitttermine dienten ebenfalls als Referenz für die Auswertung der Radarbilder.
Im zweiten Jahr wurden an weiteren Grünlandstandorten Schnitttermine, Futterwerte und Erträge bestimmt, die dann der Validierung der Methode der satellitengestützten Schnittzeitpunktdetektion sowie des Ertrags-und Qualitätsmodells dienten. Weiterhin wurde die Methode der Schnittterminerfassung aus Radarbildern mit dem angepassten Ertragsmodell verknüpft, um Grünlanderträge flächendeckend berechnen zu können. In einem letzten Schritt wurde der Anpassungsbedarf für eine Ausdehnung des Verfahrens von dem Testgebiet auf ganz Bayern abgeschätzt, dass die verschiedenen Regionen Bayerns mit ihrer Vielgestaltigkeit an Grünlandgesellschaften berücksichtigt.

Ausgewählte Ergebnisse

Schnittdetektion

In dieser Studie wurde ein robustes technisches Verfahren entwickelt, aus frei und flächendeckend verfügbaren Radardaten des Europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus über die Veränderung der Radarwellenrückstreuung in zeitlich nah aufeinanderfolgenden Radaraufnahmen Schnittereignisse im Grünland auf Einzelschlagebene zu detektieren.
2014
Im Vergleich der Radaraufnahmen der jeweils 12 Tage auseinanderliegenden Zeitpunkte im Oktober 2014 sind Oberflächenveränderungen in den Grünlandflächen sowohl in den hochaufgelösten COSMO-SkyMed-Radardaten als auch in den weniger gut aufgelösten Sentinel-1A Daten ersichtlich. Diese Veränderungen wurden durch Schnittnutzungen im Grünland verursacht, welche durch in situ Beobachtungen verifiziert werden konnten. Es konnten 74 % aller bekannten Schnitte mit beiden SAR Systemen trotz ihrer unterschiedlichen Aufnahmegeometrien (z.B. Polarisation, Wellenlänge, Pixelauflösung, Aufnahmeuhrzeit) und trotz des langen Zeitabstandes (12 Tage) erfasst werden.
Im Bild nebenstehend sind die Unterschiede in der Radarrückstreuintensität (sichtbar als Wechsel von dunkelgrau zu hellgrau) aufgrund durch Schnittnutzung verursachter Oberflächenveränderung auf Grünlandflächen (weiß umrandet) zu sehen. Radaraufnahmen des COSMO-SkyMed System vom 3. und 15. Oktober 2014 wurden von e-GEOS zur Verfügung gestellt. Radaraufnahmen vom 5. und 17. Oktober 2014 sind frei verfügbare Sentinel-1A Aufnahmen.
2015
Für das Jahr 2015 waren Sentinel-1A Daten in regelmäßigen Abständen von 12 bzw. 24 Tagen (Ausnahmen Ende September/Oktober 48 Tage) während der gesamten Vegetationsperiode (April-Oktober) verfügbar. Zusätzlich konnten zu den Hauptschnittzeiträumen im Testgebiet COSMO-SkyMed Daten (Abstände 1 - 9 Tage) erworben werden.
Der erste Schnitt Anfang Mai konnte sehr gut mittels Sentinel-1A Aufnahmen detektiert werden. Die Detektionsrate der im Testgebiet kartierten Schnitte lag hier im Zeitraum 04.05.-16.05. und 16.05.- 09.06. bei 91,7% und 69,6%. Im vergleichbaren Zeitraum konnten mit COSMO-SkyMed Aufnahmen (1., 9. und 17.5.) 83,5 % der kartierten Schnitte richtig erfasst werden.
Die Detektionsraten für das gesamte Jahr 2015 lagen auf Grundlage der ungefilterten Sentinel-1A Aufnahmen zwischen 28,4 und 95,0 %. Die mittlere Detektionsrate betrug 63,6 %. Mit Hilfe einer multi-temporalen Filterung konnte die Detektionsrate leicht verbessert werden (64,1 %).
Allgemein kamen fehlerhafte Detektionen in der Regel durch falsch erkannte Schnitte zustande, d.h. es fanden keine tatsächlichen Schnitte vor Ort statt, aber laut Radarbild wurden Oberflächenänderungen registriert, die auf Schnitte hindeuteten. Tatsächliche Schnitte, die nicht vom Radarbild erfasst wurden, waren eher seltener. Es sieht danach aus, als würden mehr Schnitte nicht erkannt, wenn die Abstände zwischen den Radaraufnahmen größer werden (S1: 24 Tage, CSK: >8). Im Verlauf des Jahres ist erkennbar, dass niedrige Detektionsraten vor allem bei dem Vergleich von Sentinel-Bildpaaren auftraten, die 24 Tage auseinander lagen, insbesondere im Zeitraum Juni bis August. Hierbei könnte die ungewöhnlich niedrigen Niederschläge im Testgebiet eine Rolle für evtl. langsamere und geringere Aufwuchs des Grases, und damit für kaum Veränderungen in der Oberflächenstruktur gespielt haben.
Ab Herbst 2016 sind weitere Daten des baugleichen Sentinel-1B Satelliten verfügbar, so dass sich die Abstände zwischen den einzelnen Radarbildern auf ca. 6 Tage verkürzen werden. Es ist eine Verbesserung der Schnittdetektion durch den Einbezug dieser zusätzlichen Daten zu erwarten.

Schnittfrequenz

Dargestellt sind alle Wiesenflächen im Testgebiet. Unterschiedliche eingefärbte Flächen zeigen an, wie oft im Jahr die jeweilige Wiese geschnitten wurden. Die Schnitthäufigkeit variiert von 1 bis 7mal im Jahr. (Hellgraue Fläche wurden einmal geschnitten, rosa 2mal, grün 3mal, petrol 4mal, hellblau 5mal, leuchtendblau 6mal und dunkelblau 7mal. Am Häufigsten sind petrol und hellblaue Flächen zu sehen.) Ein Ausschnitt zeigt vergrößert die unterschiedlich oft geschnittenen Wiesen.Zoombild vorhanden

Ermittelte Schnittfrequenzen aller Wiesenflächen im Testgebiet.

Aus der Radarbildauswertung des Zeitraumes 10.04. - 14.09.2016 ergaben sich außerdem die Schnittfrequenzen für die einzelnen Wiesenfeldstücke im Testgebiet. Der Großteil (>70 %) der Wiesenflächen im Testgebiet unterlagen einer intensiven Nutzung mit 4 - 5 Schnitten. 1 - 2 schnittige Wiesen waren eher selten vertreten. Diese Daten sind leider nicht verifizierbar, jedoch passt die Verteilung in das Testgebiet, wo Grünland sehr intensiv genutzt wird. Eine siebenfache Nutzung ist für das Testgebiet eher selten, die wenigen Flächen mit 7 detektierten Flächen sind wahrscheinlich fehlerhaft, jedoch fallen sie mit unter 0,01 bzw. 0,08 % nicht ins Gewicht.

Ertragsabschätzung auf Grundlage der Schnittfrequenz

Basierend auf den per Radar ermittelten Schnittfrequenzen für die Dauergrünlandflächen im Testgebiet (siehe Bild bei Schnittfrequenz), die eine Gesamtfläche von ca. 16.510 ha umfassen, sowie der Schätztabelle für Nährstoffabfuhren (Wendland et al. 2012) kann der Grünlandertrag für das Testgebiet im Jahr 2015 berechnet werden. Der Ertrag, der auf Basis der mit Sentinel-1A ermittelten Schnittfrequenzen errechnet wurde, ist 102 dt/ha. Die tatsächlichen, simulierten und aus Schnittfrequenzen geschätzten Erträge können für die vier Untersuchungsstandorte im Jahr 2015 gegenüber gestellt werden.
Gegenüberstellung Grünlanderträge an den Untersuchungsstandorten im Jahr 2015
StandortSchnitt-
frequenz
(SF) real
Schnitt-frequenz detektiert mit COSMO-SkyMedSchnitt-frequenz detektiert mit Sentinel-1ATrocken-
masse gemessen
Trocken-
masse simuliert mit Modell
Trocken-
masse aus SF real
Trocken-
masse aus SF detektiert COSMO-SkyMed
Trocken-
masse aus SF detektiert mit Sentinel-1A
         
Grub46388105*10012085
Willing5549992110110100
Karolinenfeld64312510712010085
Bruckmühl66597115120120110
Mittelwert   10210511311395
         
* 10 dt/ha höher als angegebenes Simulationsergebnis wegen eines 4. Schnittes (Modellierung nur bis 3.)
**Datengrundlage nur bis 30.09.2015

Anpassung eines Ertragsmodells an bayerisches Grünland

Im Projekt wurde zusätzlich ein Ertrags- und Qualitätsmodell auf den Grünlandtyp (intensiv genutzte, Weidelgras dominierte Wiese) im Testgebiet süd-östlich von München angepasst. Dies geschah an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Dort wurde bereits vor einiger Zeit ein an norddeutsche Verhältnisse angepasstes Ertragsmodell erarbeitet. Das FOPROQ (FOrage PROduction Quality) ist ein Grünlandmodell, das neben der Ertragsbildung auch eine umfassende Simulation von Futterqualitätsparametern unter Berücksichtigung von Umweltfaktoren, Bestandes-Charakteristika und pflanzenbaulichem Management ermöglicht (Herrmann et al. 2005).
Die Resultate der Modellanpassungen ergaben für den TM-Ertrag eine gute Übereinstimmung zwischen gemessenen und simulierten Werten. Die Simulation der Futterqualitätsparameter zeigte für den Rohproteingehalt und die Energiekonzentration (ME, NEL) im Vergleich zur Ertragsmodellierung weniger zufriedenstellende Ergebnisse. Hier besteht noch weiterer Anpassungsbedarf. Durch zusätzliche Ertrags- und Qualitätserhebungen an weiteren Standorten und zusätzlichen Jahren, d.h. eine Erweiterung der Kalibrationsdatenbasis, könnte eine weitere Steigerung der Prognosegüte der Qualitätsmodellierung erreicht werden.

Fazit

Es konnte im Projekt gezeigt werden, dass aus den frei und flächendeckend verfügbaren Sentinel-1 Radardaten des Europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus über die Veränderung der Radarwellenrückstreuung in zeitlich nah aufeinanderfolgenden Radaraufnahmen Schnittereignisse im Grünland auf Einzelschlagebene detektiert werden können. Daraus lassen sich grundsätzlich flächendeckend die Schnittfrequenzen der Wiesenfeldstück in einem Gebiet bestimmen und folglich kann der jeweilige Grünlandertrag abgeschätzt werden. Diese Ertragsbestimmung kann durch die Kombination der satellitengestützten Schnittdetektion mit einem Ertragsmodell weiter verbessert werden.

Abschlussbericht zum Projekt "Satellitengestützte Schätzung von Grünland- und Feldfuttererträgen" pdf 3,6 MB

Das im Projekt entwickelte Verfahren kann künftig auf die breite Fläche angepasst werden, um eine landesweite Erfassung der Schnittzeitpunkte und verbesserte Schätzung von Grünlanderträgen zu gewährleisten. Für Bayern geschieht dies momentan im Rahmen des Projektes „Geoinformationstechnologie für landwirtschaftlichen Ressourcenschutz und Risikomanagement – GeoCare“.

Geoinformationstechnologie für landwirtschftlichen Ressourcenschutz und Risikomanagement - GeoCare

Hintergrund
Logo des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus
Das europäische Erdbeobachtungsprogramm Copernicus (früher GMES: Global Monitoring for Environment and Security) der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) hat zum Ziel Informationen auf Basis von Erdbeobachtungsdaten bereitzustellen, die als Entscheidungsgrundlagen für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft benötigt werden. Dazu schafft es eine leistungsfähige Infrastruktur an Erdbeobachtungssystemen die Messungen von Satelliten, Flugzeugen, boden- oder seegestützten Beobachtungs-Infrastrukturen beinhaltet.
Langfristig soll Copernicus auch dazu dienen über fernerkundungsgestützte Geoinformationsdienste deutsche öffentliche Einrichtungen bei ihren Aufgaben zu unterstützen.

Copernicus umfasst sechs Kerndienste zur Bereitstellung von Grundlageninformationen:

  • Landüberwachung
  • Überwachung der Meeresumwelt
  • Katastrophen- und Krisenmanagement
  • Überwachung der Atmosphäre
  • Überwachung des Klimawandels
  • Sicherheit
Satellit "Sentinel 1"Zoombild vorhanden

Foto: ESA – P. Carril, 2014

Durch die kontinuierliche Erhebung von Geodaten können thematisch Karten erarbeitet und Veränderungen beobachtet werden. Dies verbessert Prognosen und unterstützt Planungen zukünftiger Entwicklungen zum Beispiel im Bereich Umwelt und Landnutzung.
Als eine besonders wichtige Weltraumkomponente dienen die SENTINELs, sieben für Copernicus entwickelte Satellitenmissionen, die in den nächsten Jahren umfangreiche Daten für die Kerndienste des Programmes liefern werden. Ein großer Nutzen entsteht durch die Sentinel Data Policy – die ESA gewährt offenen und kostenlosen Zugriff auf die von SENTINEL gewonnenen Daten. Der Satellit Sentinel-1A startete am 3. April 2014 und wird nach einer Kalibrierungsphase vorraussichtlich im Herbst 2014 für dieses Projekt nutzbare Radardaten liefern. Weitere Satelliten werden in den nächsten Jahren installiert werden.

Quelle Abbildung: Vortrag Prof Liebig "Die Sentinels – eine neue Ära beginnt" Externer Link

Projekt als erstes Best-Practice-Beispiel durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. ausgewählt:

Weitere Informationen

Literatur
Logo des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
Projektinformation
Projektleitung und –bearbeitung: Dr. S. Hartmann, Dr. K. Grant
Laufzeit: 01.02.2014 - 31.03.2016
Finanzierung: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi): Förderung von Vorhaben im Bereich Erdbeobachtung zum Thema „GMES-Dienste für den öffentlichen Bedarf in Deutschland“
Förderkennzeichen: 50EE1318