Forschungs- und Innovationsprojekt
Historische Maissorten in Bayern

Bunte Kolben historischer Körnermaissorten in Schalen

In diesem Forschungsvorhaben werden historische Landsorten aus Bayern wiederentdeckt und charakterisiert

Heutzutage werden fast ausschließlich moderne Hybridsorten für die Produktion von Körner- und Silomais verwendet. Muster von historischen Landsorten lagern dagegen in staatlichen und privaten Genbanken, obwohl sie aufgrund ihrer genetischen Diversität durchaus interessant für die heute Züchtung sein können. Über die Herkunft und Eigenschaften dieser alten Landsorten ist in der Regel kaum etwas bekannt. Durch die phänotypische Beschreibung, markergestützte Verwandtschaftsanalysen und Ertragserfassungen werden in diesem Forschungsvorhaben eine Vielzahl von Informationen erarbeite, die den Zugang zu diesem interessanten Material erleichtern sollen.
Hintergrund und Zielsetzung
Mais wird seit mehr als 500 Jahren in Europa und auch in Deutschland angebaut. Er gelangte wohl bereits im 16 Jahrhundert von Italien, über Tirol und der Schweiz den Rhein abwärts nach Deutschland. Das Sortenmaterial, damals ausschließlich offen abblühende Sorten, wurde regional selektiert und dadurch adaptiert. Erst seit einer relativ kurzen Zeitspanne von etwa 60 Jahren hat sich bei Mais auch in Deutschland die Hybridzüchtung durchgesetzt. Diese züchterische Errungenschaft hatte zur Folge, dass die seit Jahrhunderten an hiesige Verhältnisse adaptierten Landsorten durch Hybridsorten aus dem Anbau verdrängt wurden. Heute werden fast ausschließlich Hybridsorten verwendet.
Lediglich Muster der historischen Landsorten lagern noch in staatlichen oder privaten Genbanken. Über ihre Herkunft und Eigenschaften ist meist nicht mehr bekannt als der Name und eventuell das Jahr der Akquisition. Das Wissen über die regionalen Maissorten insbesondere aber die genetischen Ressourcen und damit adaptierte Zuchtmerkmale aus deutschen Mais-Landsorten drohen damit verloren zu gehen.
LiniendiagrammZoombild vorhanden

Abb.2: Sortenentwicklung 1932-2014

Mais findet heute in Deutschland fast ausschließlich Verwendung in der Tierernährung oder der industriellen Stärkeproduktion. Gerichte aus Mais sind nahezu unbekannt und haben keine Verbreitung mehr. Einzig in der Allergikerernährung findet Mais wegen seiner Glutenfreiheit verstärkt Bedeutung.
Ziel unseres Projekts ist es, die in Genbanken aufbewahrten Sorten aus Bayern und dem süddeutschen Raum zu sichten, Saatgut für weitere Forschungsvorhaben zu produzieren und sie merkmalsbezogen bzw. abhängig von ihren genetischen Eigenschaften der Wissenschaft und auch der landwirtschaftlichen Praxis wieder zugänglich zu machen. Für den ökologischen Landbau aber auch für die historische Beschreibung (Definition und Charakterisierung dieses Ausgangsmaterials) könnten diese, über Jahrhunderte an bayerische Bedingungen angepassten Sorten gerade heute wieder von größerer Bedeutung sein. Die Züchtungsforschung interessiert sich sehr stark für die genetische Drift und Evolution züchtungsrelevanter Eigenschaften durch die Beschreibung dieses, insbesondere an Bayern adaptierten Genpools (genetische Diversität).

Ergebnisse

Phänotypische Beschreibung

Aus 19 verschiedenen staatlichen und privaten Genbanken wurden etwa 200 Landsorten zusammengetragen, die aus Deutschland und den angrenzende Regionen stammen sollen. Sie konnten 2010 in einem Beobachtungsanbau ausführlich phänotypisch beschrieben werden, hierfür wurden 13 metrische, fünf ordinale und 11 nominale Merkmale erfasst, wie z.B. die Kornfarbe und Kolbenform (Abb.3).

Bunte Kolben historischer Körnermaissorten

Abb.3: Die Vielfalt der verschiedenen Maissorten wird im Kolben sichtbar

Es konnten 18 alte Landsorten für Deutschland identifiziert werden. Fünf Landsorten sind aufgrund der Namensgebung dem bayerischen Anbaugebiet zuzuordnen (Abb.1).

Markergestützte Verwandtschaftsanalysen

In den Genbanken lagert das Material meist nur mit der Angabe der Bezeichnung der Sorten, welche oftmals von der historischen Anbauregion abgeleitet ist. Häufig sind mehrere Sorten mit ähnlichen zum Teil gleichen Namen verfügbar. Eine Marker gestützte DNA- und anschließende Clusteranalyse von diesen namensgleichen oder ähnlichen Landsorten hat ergeben, dass es sich bei gleichnamigen Sorten nur in Ausnahmefällen tatsächlich um die genetisch gleichen Sorten handelt. Bei der zum Teil großen genetischen Unterschiedlichkeit von Material gleicher oder ähnlicher Bezeichnung (sowohl phänotypisch als auch genotypisch), muss davon ausgegangen werden, dass sie im Verlauf der Einlagerung und Erhaltung entweder falsch zugeordnet wurden oder eine Fremdbestäubung stattgefunden hat. Bei Material aus ausländischen Genbanken führten möglicherweise Übersetzungs- oder Übertragungsfehler zu den abgeänderten Sortenbezeichnungen. Dabei stellt sich die Frage, welche der vorhandenen Akzessionen dann die Ursprungssorte darstellt, die tatsächlich dem in der entsprechenden Region angebauten Material entspricht. Anhand der genetischen Ergebnisse ist eine neue Erfassung und Zuordnung des untersuchten Materials möglich und nötig.

Leistungsvergleich und Züchtungsfortschritt

Einige Sorten wurden einer Leistungsprüfung unterzogen. Die älteren Landsorten erreichen in der Regel ein Ertragsniveau von etwa 40-50 % des Kornertrags moderner Hybriden. Hier wird die durch die Hybridzüchtung der letzten Jahrzehnte realisierte Leistungssteigerung in den Hybridsorten deutlich. Eine Gegenüberstellung von den aktuellen Ertragsergebnissen mit Ergebnissen der ehemaligen Bayerischen Landessaatzuchtanstalt Weihenstephan (als Vorläuferorganisation der LFL, Abbildung 5) aus den Jahren 1926 bis 1964 erlaubt Rückschlüsse auf den Züchtungsfortschritt und eventuell die Qualität der Sortenerhaltung.
Säulendiagramm zum Kornertrag

Abb.4: Aktuelle Erträge (2010-2015)

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Säulendiagramm zum Kornertrag

Abb.5: Historische Erträge (1924-1964)

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Ausblick

  • In Anbetracht der Ergebnisse sollten besondere Anstrengungen unternommen werden diese historische genetische Ressource, die auch in Zukunft von Bedeutung sein könnte, nicht für immer unwiederbringlich zu verlieren.
  • Deshalb sollen die Ergebnisse in einer Datenbank zusammengetragen werden, so dass die historischen Kenntnisse, die phäno- und genotypische Beschreibung sowie die agronomischen Daten (Leistungsprüfungen) zugänglich gemacht werden können.
  • Das Saatgut des für bayerische Verhältnisse adaptierten Maismaterials soll vermehrt und dauerhaft eingelagert werden und für Forschungszwecke zur Verfügung stehen.
    Ökoverbände und Landwirte interessieren sich für regionale Populationssorten, welche derzeit nicht verfügbar sind.
  • Auch in der Ernährung könnte Mais wieder auf Interesse stoßen. Die historischen Landsorten verfügen über einige interessante ernährungsphysiologische Eigenschaften, wie zum Beispiel eine hohe puffernde Wirkung durch hohe Magnesium und Kaligehalte. Für Sportler ist dies besonders wichtig. Oder etwa Lutein, das für das Sehen wichtig ist, findet sich in Landsorten besonders hoch.
  • In der Forschung ist die genetische Diversität und die Beschreibung auffälliger genetischer Allele die Basis und Ausgangsplattform für die Züchtung von morgen.
Fachartikel und Veröffentlichungen
  • Bitocchi, E. (2009) Introgression from modern hybrid varieties into landrace populations of maize (Zea mays ssp. mays L.) in central Italy. Molecular Ecology 18(4).
  • Eschholz, T. W., P. Stamp, R. Peter, J. Leipner, A. Hund (2009): Genetic structure and history of Swiss maize (Zea mays L. ssp. mays) landraces. Genetic Resources and Crop Evolution.
  • Dierauer, H. & C. Arncken (2005): Hybridsorten im Biogetreide? Perspektiven und Akzeptanz der Hybridzüchtung für den Bio-Anbau. Schlussbericht Coop Naturaplan-Fonds Biosaatgutprojekt Modul 1.4.Forschungsinstitut für biologischen Landbau, Schweiz.
  • Geiger, H.H., Burger, H., Schmidt, W. (2010): Validation eines neuen Genpoolkonzeptes für die Energiemaiszüchtung. 60. Tagung der vereinigung der Pflanzenzüchter und Saatgutkaufleute Österreichs BAL Gumpenstein, 2009. 41-45.
  • Heckenberger, M., A.E. Melchinger, D. Klein, M. Bohn (2003): Identifikation von abgeleiteten Sorten bei Mais (Zea mays L.) mit molekularen Markern, morphologischen Distanzen und Heterosis. Bericht über die 54. Tagung der vereinigung der Pflanzenzüchter und Saatgutkaufleute Österreichs BAL Gumpenstein, 25.-27. November 2003.
  • Nagel, M., Pistrick, S., Börner, A. (2007): Langlebigkeit von Saatgut in der ex situ Genbank in Gatersleben. Bericht über die 58. Tagung der vereinigung der Pflanzenzüchter und Saatgutkaufleute Österreichs, BAL Gumpenstein, 20.-22. November 2007.
  • Peter, R. (2007): Early vigour of Swiss maize landraces (Zea mays L.) in cool environments, Dissertation ETH Zürich No. 17398.
  • Reif, J.C., Hamrit, S., Heckenberger, M., Schipprack, W., Maurer, Bohn, M., Melchinger, A.E. (2005): Trends in genetic diversity amond European maize cultivars and their parental components during the past 50 years. Theor Appl Genet (2005)111:838-845.
  • Reif, J.C., Hamrit, S., Heckenberger, M., Schipprack, W., Maurer, Bohn, M., Melchinger, A. E.. (2005): Genetic structure and diversity of European flint maize populations determined with SSR analyses of individuals and bulks. Theor Appl Genet (2005)111:906-913

Biodiversitätsstrategie

Die bayerische Staatsregierung hat bereits im Jahre 2008 eine Biodiversitätsstrategie unter dem Motto „Natur. Vielfalt. Bayern“ beschlossen. In Umsetzung dieser Strategie hat das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nun den Startschuss für ein Projekt gegeben, in dem gezielt nach historischem Sortenmaterial, alten, bayerischen Landsorten von Getreide (Weizen, Gerste, Hafer, Roggen, Dinkel), Leguminosen, Kartoffeln, Linse, Rüben, Hopfen u.a. geforscht werden soll. Diese alten Sorten blicken auf eine jahrhundertelange Anpassung an unseren Klimaraum. Sie besitzen dadurch interessante Eigenschaften, die drohen verloren zu gehen.
Projektinformation
Projektlaufzeit: 01.03.2011 bis 28.02.2014
Kostenträger: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF)
Projektleitung: Dr. Joachim Eder
Projektbearbeitung: Dr. Barbara Eder
Förderkennzeichen: A/11/09