LfL-Standpunkt
Sind Kühe "Klimakiller"?

Sehr kontroverse Diskussionen werden mitunter darüber geführt, inwieweit die Haltung von Rindern zur menschengemachten Klimaerwärmung beiträgt. Die eine Seite führt an, dass Rinder große Mengen des besonders klimaschädlichen Gases Methan ausstoßen. Sie fordert, diese Methanemissionen zu verringern. Die andere Seite weist darauf hin, dass Methan nur wenige Jahre in der Atmosphäre verbleibt, bevor es abgebaut wird. Somit trage die Rinderhaltung nicht zu einer Anreicherung von Treibhausgasen in der Atmosphäre bei. Außerdem gingen die Methanausscheidungen der Rinder in Deutschland und Bayern mit sinkenden Tierzahlen ohnehin zurück. Im Folgenden möchten wir die Faktenlage anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Ergebnisse einordnen.

Anteil der Treibhausgasemissionen aus der Rindehaltung

Weltweit waren Landwirtschaft, Forstwirtschaft und andere Landnutzung im Zeitraum 2007 bis 2016 für rund 23 % der gesamten anthropogenen Nettotreibhausgasemissionen verantwortlich. Etwa ein Viertel davon stammte aus Verdauungsvorgängen von Wiederkäuern (IPPC, 2019).
In Deutschland trug die Landwirtschaft im Jahr 2019 etwa 8 % zu den Treibhausgasemissionen bei (Rösemann et al., 2021; Umweltbundesamt, 2022). Die direkte und indirekte Nutzung von Energieträgern in der Landwirtschaft ist in diesen Zahlen nicht berücksichtigt. Eine indirekte Nutzung von Energieträgern erfolgt beispielsweise über chemisch-synthetische Dünger. Vergleichsweise viel Treibhausgase stammen aus der Rinderhaltung. 27,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente bzw. 3,4 % von Deutschlands Gesamtemissionen kamen 2019 aus Verdauungsvorgängen von Rindern sowie der Lagerung und der Ausbringung von deren Wirtschaftsdünger (Rösemann et al., 2021). Zusätzlich entstanden Emissionen im Zusammenhang mit der Futterbereitstellung. Die unmittelbare Klimawirksamkeit der Rinderhaltung ohne Futterbereitstellung beruht zu 95 % auf Methanemissionen und zu 5 % auf Emissionen von Lachgas.
83,6 % der gesamten Treibhausgasemissionen Deutschlands kamen im Jahr 2019 aus der energetischen Nutzung fossiler Energieträger. Dies ist 25-mal mehr als der direkte Beitrag der Rinder zum Klimawandel.

Rückläufige Treibhausgasemissionen aus der Rinderhaltung in Deutschland

Zwischen 1990 und 2019 gingen die Treibhausgasemissionen aus der Rinderhaltung rechnerisch um 25 %
(Bayern) bzw. 28 % (Deutschland) zurück (Rösemann et al., 2021). Grund hierfür sind nicht gezielte Maßnahmen zum Klimaschutz, sondern sinkende Tierzahlen. Ein wichtiger Treiber für diese Entwicklung waren steigende Milchleistungen bei lange Zeit gedeckelter Gesamterzeugung. Bis 2015 gab es eine "Milchquote", welche die Erzeugungsmengen reglementierte.
Von 1990 bis 2019 verringerten sich jedoch die gesamten Treibhausgasemissionen Deutschlands um 36 %. Dies hatte zur Folge, dass der relative Anteil der Rinderhaltung an den Gesamtemissionen von 3,1 % auf 3,4 % zunahm. Soweit absehbar, wird der Ausstoß an Treibausgasen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe massiv zurückgehen. Deshalb ist damit zu rechnen, dass der relative Anteil der Landwirtschaft bzw. der Rinderhaltung an den Treibhausgasemissionen in Zukunft weiter steigen wird.
Weltweit stellt sich die Entwicklung deutlich anders dar als in Deutschland. Zwischen 1990 und 2019 sind die Rinderbestände um 17 % gewachsen und dementsprechend auch die Treibhausgasemissionen. Das hohe Bevölkerungswachstum in Afrika und Südasien, wo Wiederkäuer eine große Bedeutung für die Sicherung des Lebensunterhalts besitzen, führt tendenziell zu immer größeren Rinderbeständen.

Bedeutung des Methanabbaus für die Klimawirksamkeit

Rinder beeinflussen das Klima insbesondere durch Methanemissionen. Methan verbleibt im Mittel rund 12 Jahre in der Atmosphäre, bevor es durch chemische Reaktionen oder durch Bodenlebewesen zu Kohlendioxid abgebaut wird (IPCC, 2013). Dieses Kohlendioxid kann wiederum von Pflanzen verwertet werden, wodurch sich der Kohlenstoffkreislauf schließt. Damit ist das Methan nicht weiter klimawirksam.
Bevor Methan abgebaut wird, absorbiert es im Ver-gleich zu Kohlendioxid allerdings ein Vielfaches an Wärmestrahlung. Das liegt daran, dass dessen Moleküle durch Wärmestrahlung wesentlich stärker zu Schwingungen angeregt werden als Kohlendioxid-Moleküle. Dieser physikalische Hintergrund sowie die mittlere Verweilzeit von Methan in der Atmosphäre werden bei der Umrechnung von Methanemissionen in Kohlendixid-Äquivalente berücksichtigt. Dahinter steckt das international gebräuchliche Konzept des Global Warming Potentials (GWP). Meist wird die Klimaschädlichkeit eines Gases über einen Zeitraum von 100 Jahren angegeben. Auch für die oben genannten Zahlen zum Beitrag der Rinderhaltung an den Treibhausgasemissionen wurde die Klimawirksamkeit über einen Zeitraum von 100 Jahren (GWP100) berücksichtigt.

Kurzfristige Verbesserungen für das Klima durch die Reduzierung von Methanemissionen

Der Weltklimarat (IPCC) bewertet das Erwärmungspotenzial von Methan aus biogenen Quellen mit einem GWP100 von 28. Das bedeutet, dass 1 kg biogenes Methan über einen Zeitraum der folgenden 100 Jahre 28-mal stärker zur globalen Erwärmung beiträgt als
1 kg Kohlendioxid, auch wenn es im Durchschnitt nur 12 Jahre vorhanden ist (IPPC, 2013). Da der Kohlenstoff im biologischen Kreislauf bleibt, wird Methan aus biogenen Quellen etwas niedriger bewertet als fossiles Methan (GWP100 = 30).
Je kurzfristiger die Betrachtung, desto stärker ist der Einfluss von Methan im Vergleich zu Kohlendioxid auf die globale Erwärmung. Über einen Zeitraum von 20 Jahren gesehen ist Methan 84-mal klimawirksamer als Kohlendioxid (GWP20 = 84; IPCC, 2013). Damit eröffnet sich andererseits die Chance, die globale Erwärmung durch die Senkung von Methanemissionen kurz- bis mittelfristig zu bremsen.Forster et al. (2021) errechneten für eine Reduktion der globalen Methanemissionen um 30 % eine Verringerung der globalen Erwärmung im Jahr 2050 um 0,1 °C. Die weltweiten Methanemissionen von Wiederkäuern betragen ca. 15 % der globalen Methanemission (Saunois et al., 2020). Der Effekt einer kompletten Entfernung aller Wiederkäuer wäre deshalb sicher weniger als 0,1 °C.
Maßgeblich für die langfristige globale Erwärmung ist hingegen der Ausstoß von langlebigen Treibhausgasen, insbesondere Kohlendioxid aus fossilen Quellen, das sich in der Atmosphäre anreichert.

Ansätze zur Verminderung der Methanemissionen aus der Rinderhaltung

Zahlreiche Ansätze zur Verminderung der Methanemissionen aus der Rinderhaltung wurden bereits erforscht. Dabei ist es wichtig, jeweils das Gesamtsystem von der Futtererzeugung über die Tierhaltung bis zur Lagerung und Ausbringung der Wirtschaftsdünger im Blick zu behalten. Wesentlich ist zunächst die Minderung des insgesamt eingesetzten Futters durch eine Optimierung der Lebensleistung (Milch und Fleisch) je Lebenstag. Darüber hinaus können über die Rationsgestaltung und Futterzusatzstoffe unter Umständen relevante Beiträge zur Senkung der Methanemissionen aus Verdauungsvorgängen resultieren. So hat etwa die Substanz 3-Nitrooxypropanol im Versuch eine nennenswerte Reduktion der Methanemissionen bewirkt. Ihre Akzeptanz für eine zukünftige Milcherzeugung und die Wirksamkeit über längere Einsatzzeiträume und alle Verfahren der Rinderhaltung sind aber noch nicht geklärt. Verschiedenste weitere Futterzusätze wurden bereits untersucht, wobei solche aus natürlichen Quellen entweder wenig wirksam sind oder unerwünschte Substanzen für Mensch, Tier oder Umwelt enthalten. Eine weitere, generell wirksame Maßnahme ist die Steigerung des Stärkeanteils in der Ration, z. B. über mehr Getreide. Diese ist jedoch unerwünscht, weil die Tiere dann weniger tiergerecht gefüttert werden und die Wiederkäuer damit stärker zu Konkurrenten um menschliche Nahrung werden.
Die Erhöhung der Einzeltierleistung bzw. die Vermeidung unproduktiver Phasen bei gleichzeitiger Deckelung der Gesamtproduktion ist ein wirkungsvoller Weg, der in vielen Regionen der Welt noch große Reserven birgt. In Europa haben allerdings alle wichtigen Milchkuhrassen bereits ein relativ hohes Leistungsniveau, so dass eine weitere Steigerung der Leistung keine wesentlichen Einsparungen beim Treibhausgasausstoß mehr ermöglicht. Durch eine längere Nutzungsdauer und ein optimales Erstkalbealter lassen sich die Methanemissionen senken, weil zur Aufzucht weniger Tiere gehalten werden müssen. Eine effizientere Futterwirtschaft, z. B. über die Minderung von Verlusten, ist ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt. Auch der Umgang mit dem Wirtschaftsdünger bietet Möglichkeiten, um Methanemissionen zu reduzieren. Hierzu gehören beispielsweise der Zusatz von Kalkstickstoff in die Gülle und die Verwertung von Gülle in Biogasanlagen.

Argumente für die Haltung von Rindern

Etwa zwei Drittel der weltweit landwirtschaftlich genutzten Flächen sind Wiesen und Weiden. Über 70 % davon sind absolutes Grünland, können also nur über Grasfresser zur Ernährung der Menschen genutzt werden (FAO, 2009). In Bayern ist etwa ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche Grünland. Wiederkäuer und darunter insbesondere auch Rinder machen es möglich, den Aufwuchs der Wiesen und Weiden effektiv in Milch und Fleisch umzuwandeln und damit für die menschliche Ernährung verfügbar zu machen. Weltweit ist diese Möglichkeit für viele Familien von existentieller Bedeutung, nicht nur als Einkommensquelle, sondern vor allem auch zur Sicherung der eigenen Ernährung. Bis zum Jahr 2050 wird sich die verfügbare Ackerfläche pro Erdbewohner von derzeit etwa 2.000 m² auf 1.500 m² reduzieren. Dies spricht dafür, insbesondere solche Nutztiere zu halten, die vorrangig mit Neben- und Koppelprodukten des Ackerbaus sowie vom Grünland gefüttert werden können (vgl. auch van Kernebeek et al., 2014; van Selm et al., 2022).
Daneben darf nicht vergessen werden, das Kot und Harn wertvolle Düngemittel sind. Im Falle von Rindern entstehen diese zu großen Teilen durch die Verdauung von für Menschen nicht essbaren Pflanzenbestandteilen. Der organische Dünger fördert das Bodenleben und verbessert die Bodenstruktur sowie das Wasserhaltevermögen der Böden.
Die Haltung von Rindern kann außerdem dazu beitragen, eine abwechslungsreiche Kulturlandschaft mit einem großen Artenreichtum zu erhalten. Besonders extensive Rinderhaltungsformen auf Weiden sind gut für die Biodiversität. Mehr als die Hälfte aller in Deutschland vorkommenden Tier- und Pflanzenarten sind auf Wiesen und Weiden beheimatet (BUND, 2022). Zudem speichert Grünland auf der gleichen Fläche im Schnitt etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie Acker (Jacobs et al., 2018). Ein Umbruch von Grünland wegen Aufgabe der Rinderhaltung wäre im Hinblick auf den Klimaschutz kontraproduktiv.

Fazit

Die Haltung von Rindern ist mit Emissionen klimaschädlicher Gase verbunden, darunter insbesondere Methan. Auch wenn die von Rindern in Deutschland emittierten Treibhausgase wegen der zurückgehenden Tierzahlen seit einigen Jahren weniger werden, steigt deren relativer Anteil an den gesamten Treibhausgasemissionen an. Die von Rindern emittierten Methanmengen haben eine Wirksamkeit vor allem für die Klimaentwicklung im nächsten Jahrzehnt, da Methan nach einer durchschnittlichen Verweilzeit in der Atmosphäre von etwa 12 Jahren wieder abgebaut wird. Eine Reduzierung der Methanemissionen kann somit das Fortschreiten der Erderwärmung verzögern und das Risiko verringern, dass sogenannte Kipppunkte im Klimasystem überschritten werden. Darüber hinaus ist es hingegen nach wie vor unabdingbar, die Anreicherung von Kohlendioxid und anderen langlebigen Treibhausgasen in der Atmosphäre zu stoppen, um die langfristige globale Erwärmung zu bremsen.
Allerdings darf die Haltung von Rindern, ebenso wenig wie andere wirtschaftliche Aktivitäten, nicht ausschließ-ich unter dem Aspekt der Treibhausgasemissionen bewertet werden. Vielmehr ist zu überlegen, welche Rolle die Rinderhaltung in einer umfassend nachhaltigen Entwicklung (ökologisch, sozial, ökonomisch) spielen soll und wie sich die Haltung von Rindern möglichst klimafreundlich gestalten lässt. Dies kann bedeuten, dass Rinder insbesondere dort gehalten werden, wo damit positive Effekte verbunden sind. Zu denken ist dabei beispielsweise daran, Wiesen, Weiden und Koppelprodukte des Ackerbaus für die Lebensmittelbereitstellung nutzbar zu machen, Stoff- und Nährstoffkreisläufe zu schließen und/oder eine vielfältige Kulturlandschaft zu pflegen. Wiederkäuer sind grundsätzlich nützliche Elemente einer optimalen Kreislaufwirtschaft. Insbesondere auch angesichts einer steigen-den Weltbevölkerung und eines steigenden Wohlstands darf deren Zahl aber nicht die Tragfähigkeit der Erde überschreiten.
Literatur