Beantragtes Projekt
Bewertung, Zertifizierung und Überprüfung der Qualität von Online-Sensoranwendungen bei der Digitalisierung in der Landwirtschaft

Mit den Neuregelungen der Düngeverordnung wird sich die Düngepraxis in der Landwirtschaft in den kommenden Jahren drastisch verändern. Dabei kommen die Änderungen und die neuen Formen der Digitalisierung, sowohl der guten fachlichen Praxis der Düngung, dem Gewässerschutz, der Umwelt und letztendlich der Artenvielfalt und auch der Landwirtschaft selbst zugute. Gemeinsam mit dem angepassten Düngegesetz wird mit dem so genannten „Dünge-Paket“ die EG-Nitratrichtlinie in Deutschland umgesetzt. Zwingend notwendig für diese Maßnahmen ist eine standortgerechte Düngebedarfsermittlung für Stickstoff auf Acker- und Grünland und eine ertragsabhängige laboranalytische Messung des Stickstoffgehalts (N-Gehalts) am Standort. Dies bedeutet nahezu eine Verdoppelung der bisherigen mineralischen Stickstoffproben (Nmin-Proben). Weiterhin ist eine möglichst präzise Messung der ausgebrachten Düngemenge erforderlich um eine standort- und kulturartenbezogene Obergrenze für die Stickstoff-, Phosphat-, die Gülle- und Gärrestdüngung und die 170 kg N/ha Regelung durchzuführen. Dafür werden jedoch die vorhandenen Kapazitäten der Labordienstleister nicht ausreichen. Für diese Messungen an den ausgebrachten Wirtschaftsdüngern oder Gärresten gibt es mehrere Ansätze:
  • Ein schnelles und effektives Labornetzwerk das sehr effizient und genau die Inhaltsstoffe der Gülle- und Gärrestbehälter misst, wobei hier ein problematischer Faktor die „manuelle“ Probenahme ist.
  • Automatisierung der Probenahme und Messung an den Güllegruben oder Biogas Endlagern um schnell und effizient die Ergebnisse vor Ort bereitzustellen.
  • Nutzung der Online-Messtechnik, wie sie bereits von Firmen wie z. B. John Deere auf Güllefässern angeboten wird. Hier entfällt dann die Probenahme. Aber die nachhaltige Nutzung solcher Messsysteme entspricht zum jetzigen Zeitpunkt nicht den gesetzlichen Anforderungen. So ist eine kontinuierliche Validierung und Zertifizierung solcher Messtechnik erforderlich.

Nah-Infrarot-Reflexions-Messtechnik (NIR) in der digitalisierten Landwirtschaft

Mittels eines Sensors soll der Durchfluss und die Güllezusammensetzung aus der Gülleleitung direkt ermittelt werden. Die Gülle kann nach Aussagen von Geräteherstellern stationär, beim Befüllen, Ausbringen oder Rühren untersucht werden. Neben Stickstoff (N) sollen auch andere Parameter wie Kalium (K), Phosphat (P) oder Trockenmasse (TM) aufgezeichnet werden. Je nach System können noch weitere Parameter parallel bestimmt werden. Eine Anbringung des Systems an älteren Gülle-Zugfahrzeugen ist nur bedingt möglich.
Durch die Anwendung der Online-NIRS-Technik sollte die gezielte Ausbringung von Nährstoffen in Form von Gülle in Echtzeit präzise gesteuert werden. Der Landwirt könnte durch die Dosierung der vorgegebenen Nährstoffe, die Vorschriften der DüV einhalten sowie zusätzlich seine eigenen Düngekosten senken. Die Aufzeichnung der Daten kann live ausgewertet werden und für spätere Analysen gespeichert werden.
Neben der Analytik im Güllewagen wie oben dargestellt hat sich die NIRS-Technik auch bereits bei der Ernte von z.B. Grasschnitt oder Mais bewährt. Hier kann z.B. der Nährstoffgehalt/Mineralstoffgehalt des Schnitts ermittelt werden. Durch die vollautomatische Messung ergeben sich weitere Vorteile, so entfällt die Probennahme die häufig fehlerbelastet ist. Die Messwerte werden automatisch erzeugt und normiert.
Darstellung eines durch NIRS-Technik gesteuerten Güllewagen (schematisch) - Abbildung entnommen aus: „Einsatz von Nahinfrarotspektroskopie für eine nährstoffgesteuerte Gülleausbringung“ (Institut für Landwirtschaftliche Verfahrens-technik - Christian-Albrechts-Universität - Kiel)
So oder ähnlich wird die Digitalisierung die Landwirtschaft verändern. Um jedoch hier den Landwirt nicht mit dieser modernen Messtechnik allein zu lassen, muss er geschult werden. Auch zwingend erforderlich ist ein Verfahren zur Überprüfung/Validierung, Zertifizierung und Bewertung von Spektroskopischen Methoden in der Landwirtschaft. Mit Hilfe der etablierten Biogas-Ringversuche an der LfL sollen vor Ort Validierungen eingeführt werden. Somit kann die LfL ein Instrument zur Kontrolle, Verifizierung und letztlich Zertifizierung der NIRS-Messsonden in der landwirtschaftlichen Praxis bereitstellen.

Fragestellung

Die Frage ist jedoch, ob die Online-Verfahren in der Landwirtschaft schon so ausgereift sind um die Laboranalytik zu ersetzen?
Wie sehr kann man sich im Zuge der Digitalisierung auf solche Messverfahren verlassen und wie kann eine Messtechnik, die organische Moleküle misst, auch anorganische Substanzen wie z. B. Phosphor messen?

Technik – Vor- und Nachteile

Die spektroskopischen Schnellverfahren, insbesondere Nahinfrarot-Spektroskopie (NIRS), die bereits in vielen Bereichen der Landwirtschaft Einzug gehalten hat, können bei ausreichender Genauigkeit in fast allen Bereichen der produzierenden Landwirtschaft zur qualitativen und quantitativen Beurteilung und Analyse von Feststoffen, Flüssigkeiten und Gasen eingesetzt werden.
Das grundlegende physikalische Prinzip der Nah-Infra-Rot Spektroskopie (NIRS) basiert auf der Anregung von Molekülen durch Wärmestrahlung. Die Wärmestrahlung oder Infrarotstrahlung ist eine vom menschlichen Auge nicht wahrnehmbare elektromagnetische Strahlung.

Spektrum der elektromagnetischen Strahlung (Günzler und Gremlich -2003)

Sie schließt an die langwellige Grenze (Rot) des sichtbaren Lichtes an. NIR-Messungen erstrecken sich im Bereich von 780 nm bis etwa zu einer Wellenlänge von 2500 nm (siehe Abbildung). Durch die Aufnahme von Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung kommt es zu Valenz- und Deformationsschwingungen der Moleküle.
Die Vorteile der NIRS-Schnellmethode hat sich vor allem die Lebensmittel- und Pharmaindustrie und der landwirtschaftliche Laborbereich zu Nutze gemacht. Beispielsweise bei der Qualitätssicherung von Milch, aber auch bei der Trockensubstanzbestimmung von Getreide (im Lagerhaus) oder bei der Bestimmung des Humusgehalts im Boden sind spektroskopische Verfahren mittlerweile ein unerlässlicher Teil der Agrar-Analytik geworden.

Um eine korrekte Analytik zu gewährleisten, müssen die Online Messsonden „richtige Werte“ generieren. Dafür müssen diese regelmäßig überprüft, kalibriert und verifiziert werden. Dies ist nur über Ringversuche möglich. Ein teilnehmender Landwirt hat somit künftig die Sicherheit, dass die auf dem Feld erhobenen Messergebnisse den Anforderungen der Düngeverordnung genügen und gleichwertig zu den Laborergebnissen sind.

Dabei hat die NIR, MIR, IR-Spektroskopie in modernen Messgeräten einen hohen Probendurchsatz und kann evtl. sogar vor Ort zu minutenschneller Routineanalytik verwendet werden. Ein weiterer großer Vorteil liegt in der simultanen Bestimmung mehrerer Parameter, und einer zerstörungsfreien Messung des Probenmaterials. Dadurch bieten sich solche spektroskopischen Verfahren als ein universelles Werkzeug zu Beurteilung von vielen analytischen Problemfällen an, die in der Landwirtschaft nur unzureichend, zu langsam oder zu teuer untersucht werden können.

Die Düngeverordnung

Im Zuge der Aktualisierung der Düngeverordnung (DüV) vom 26.05.2017 ergibt sich für die Ausbringung von Wirtschaftsdüngern (wie Gülle oder Gärrest) eine Grenze in Höhe von maximal 170 kg N/ha vor. Nach § 6 Absatz 4 DüV gilt:
„Aus organischen und organisch-mineralischen Düngemitteln, einschließlich Wirtschaftsdüngern, auch in Mischungen, dürfen unbeschadet der Vorgaben der §§ 3 und 4 Nährstoffe nur so ausgebracht werden, „dass die ausgebrachte Menge an Gesamtstickstoff im Durchschnitt der landwirtschaftlich genutzten Flächen des Betriebes 170 Kilogramm Gesamtstickstoff je Hektar und Jahr nicht überschreitet“. Für die Ermittlung der ausgebrachten Stickstoffmenge sind die im Sinne des § 3 Absatz 4 bekannten, ermittelten oder festgestellten Gehalte, bei im Betrieb anfallenden Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft einschließlich des Weideganges und Düngemitteln, bei denen es sich um Gärrückstände aus dem Betrieb einer Biogasanlage handelt, mindestens die Werte nach Anlage 1 Tabelle 1 der Düngeverordnung anzusetzen.“
Somit ergeben sich für den Landwirt enge Grenzen hinsichtlich der erlaubten Menge an Gesamtstickstoff, die pro Hektar und Jahr ausgebracht werden dürfen. Hier bietet die landwirtschaftliche Technik, im Bereich der Gülleausbringung, verschiedenste Lösungen für die Landwirte und Lohnunternehmer an. Speziell ein System auf Basis der Nahinfrarotspektroskopie scheint zukunftsträchtig zu sein.

Lösungsansatz

Neben den bestehenden Ringversuchsgruppen und Parametern führt die LfL eine neue Ringversuchsgrupe: „NIRS-Analytik Wirtschaftsdünger“ ein. Die Parameter dieser Gruppe sollen explizit nur mittels NIRS-Analytik untersucht werden dürfen.
Die mit einem NIRS-Sensors ermittelten Untersuchungsergebnisse werden mit einem externen Standard validiert und abgeglichen. Denn um eine korrekte Analytik zu gewährleisten müssen die NIRS-Messsonden richtige Werte generieren. Dafür müssen diese regelmäßig überprüft, verifiziert und die herstellerseitig eingebauten Kalibrationen neu angepasst werden. Gülle ist eben nicht Gülle! Unterschiedliche Matrices erfordern unterschiedliche angepasste Kalibrationen. Eine solche Anpassung ist aber nur über Ringversuche möglich.
Die von der LfL seit vielen Jahren durchgeführten Ringversuche im Bereich der Wirtschaftsdünger, haben in der Vergangenheit wesentlich dazu beigetragen, die Qualität der Laboruntersuchungen zu steigern. Die Erfolge der Ringversuche sind in nebenstehender Abbildung dargestellt.

Aus der Grafik wird ersichtlich, dass durch konsequente Teilnahme an den Ringversuchen, die analytische Laborleistung stetig gesteigert werden konnte. Daher ist es unserer Ansicht nach zwingend erforderlich eine weitere regelmäßige Durchführung der Ringversuche zu gewährleisten und auch die Qualität mobiler Messsysteme einzubeziehen.

Fazit

Durch den weltweit starken Ausbau der Erzeugung von Bioenergie und dem entsprechend hohen Anfall von Gärresten und Wirtschaftsdüngern (Gülle) aus der Tierhaltung, stellt die Ausbringung dieser wichtigen Düngemittel eine Herausforderung für die Zukunft dar. Nicht zuletzt wegen der Aktualisierung der DüV (Düngeverordnung) gibt es neue Richtlinien, denen Rechnung getragen werden muss. Im landwirtschaftlichen Betrieb soll nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich Nitrat, Ammonium und Phosphat ausgebracht werden. Um aber die Inhaltsstoffmengen an N, P, K … genau beurteilen zu können sind nach aktuellem Recht, Laboranalysen unabdingbar. Die Qualität dieser Analysen ist bestimmt durch die Genauigkeit und Präzision im Labor.
Wenn nun neue, mobile Labors in Form von NIRS-Messstationen am Gülletank, im Feld und auf der Ausbringtechnik eingesetzt werden sollen, so können diese eines Tages nur dann anerkannt werden, wenn diese Systeme zeigen dass sie ebenfalls von hoher und mit dem Labor vergleichbarer Qualität sind. So ist es zwingend erforderlich, die Qualität dieser „mobilen, digitalen Labors“ zu überprüfen und zu zertifizieren um die Einhaltung der Düngeverordnung und der umweltpolitischen Aspekte zu wahren.

Literaturangaben weitere Informationen

  • LfL (2012): Leitfaden für die Düngung von Acker- und Grünland - Gelbes Heft. 10. unveränderte Auflage 2012 (mit aktualisiertem Anhang), Anhang 8 und 9, S. 94-97
  • Meyer zu Köcker, K. Henkelmann G., (2011), Ringversuche für Laboranalytik – der Weg zur Qualität, Biogas Journal, Heft 1 2011, Seite 85 bis 88
  • Henkelmann G., (2011), Meyer zu Köcker, K., Götz, J., Beck, J., Schlüsselparameter zur Kontrolle des Gärprozesses und Motivation, Voraussetzung und Möglichkeiten für die Prozessüberwachung, LfL-Information und Internetbeitrag
  • Henkelmann G., (2011) Tagungsband: „Gülle 11“ - Gülledüngung und Gärrestdüngung auf Grünland am Landwirtschaftlichen Zentrum, Baden Württenberg, Tagungsband 2011
  • Henkelmann G., Bauer, J.; (2011), Biogastechnologie zur umweltverträglichen Flüssigmistverwertung und Energiegewinnung in Wasserschutzgebieten; Tagungsband zur internationalen Tagung in Aulendorf; 17. -18.10.2011 Kloster Reute
  • Meyer zu Köcker, K. Henkelmann G., (2011), Ringversuche für Laboranalytik – der Weg zur Qualität, Biogas Journal, Heft 1 2011, Seite 85 bis 88
  • Redaktioneller Beitrag in der Zeitschrift „joule“ u.a. Gaul, Th., G. Henkelmann., (2012c): „Was Labore können“, joule, (Agrarenergie, Technik, Politik, Wirtschaft) Heft Nr. 5 (Sept./Okt. 2012), S. 47-50
  • Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten (VDLUFA) (Hrsg.), 2012: Handbuch der Landwirtschaftlichen Versuchs- und Untersuchungsmethodik (VDLUFA-Methodenbuch), Bd. III. Die chemische Untersuchung von Futtermitteln, VDLUFA-Verlag, Darmstadt
  • Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen (Düngeverordnung - DüV) in der Fassung vom 26.05.2017; http://www.gesetze-im-internet.de/d_v_2017/index.html
  • Vogt, Ch., Henkelmann, G. (2015): Labordienstleistung als Basis einer effektiven Biomassenutzung, Agrarwissenschaftliches Symposium 2015, Posterpräsentation 24.10.2015 + Beitrag im Tagungsband
  • Vogt, Ch., Henkelmann, G. (2017): Entwicklung eines Qualitätsicherungssystems für Labordienstleister im Bereich der Biogasproduktion in Bayern, Fachvortrag, Messe-Offenburg, biogas - expo & congress, 09.02.2017
  • Zimmermann, Axel; Eiko Thiessen, Elga, Andree, Eberhard Hartung; Einsatz von Nahinfrarotspektroskopie für eine nährstoffgesteuerte Gülleausbringung; Institut für Landwirtschaftliche Verfahrenstechnik - Christian-Albrechts-Universität Kiel