Erosionsschutz-App: Erosionsschutz-Planung mit Hilfe der "ABAG interaktiv"

Erosionsrinne auf einem Maisacker.

Bodenerosion führt nicht nur zum Verlust von Bodenfruchtbarkeit auf landwirtschaftlichen Flächen, sondern verursacht auch Schäden auf fremden Grundstücken und führt zur Eutrophierung und Verschlammung von Gewässern. Da damit zu rechnen ist, dass die Häufigkeit von Starkregenereignissen in Zukunft zunehmen wird, ist die Landwirtschaft gefragt, mit der richtigen Bewirtschaftung auf das erhöhte Erosionsrisiko zu reagieren.
Die "ABAG interaktiv", die auf der "Allgemeinen Bodenabtragsgleichung" (Schwertmann et al., 1987) beruht, kann Landwirte dabei unterstützen, das Erosionsrisiko ihrer Felder einzuschätzen und Entscheidungshilfen zur Wahl der geeigneten Fruchtfolge geben. Die App ergänzt das Informationsangebot der LfL zum Thema Bodenerosion in der Landwirtschaft und steht somit auch allen anderen am Thema Erosionsschutz Interessierten mit vielen vertiefenden Informationen zur Verfügung.

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Wissenschaftler an der LfL haben die Erosionsschutz-App "ABAG interaktiv" entwickelt. Sie soll Landwirte dabei unterstützen, individuelle und standortangepasste Bewirtschaftungsvarianten zu erarbeiten – mit dem Ziel, den Bodenabtrag auf den eigenen Flächen zu minimieren. Im Film erklärt Wasserberater Stephan Obermeier einem Landwirt die Bedienung der App. Sie sind auf einem Feld des Landwirts verabredet, um die App vor Ort zu testen. Die herbstliche Landschaft ist hügelig und landwirtschaftlich geprägt. Lila blühende Zwischenfrüchte wechseln sich ab mit Feldern mit Wintergetreide. Stephan Obermeier demonstriert mit einem Tablet die Funktionen der App, indem er mithilfe des Kartentools Hanglänge und Hangneigung mit wenigen Klicks berechnet und erklärt, wie sich das Erosionsrisiko durch richtigen Zwischenfruchtanbau deutlich senken lässt. Gerade der Klimawandel zwingt die Landwirte dazu, ihre Bewirtschaftungsweise zu überdenken. Die "ABAG interaktiv" hilft ihnen dabei, die richtigen Entscheidungen zum Schutz des Bodens zu treffen.

Was ist neu?

Für die neue "ABAG interaktiv" wurde die bisher veröffentlichte Version komplett überarbeitet und durch eine moderne webbasierte App ersetzt, die von allen internetfähigen Endgeräten aus bedient werden kann. Neben der technischen Überarbeitung wurden in Zusammenarbeit mit der TU München und dem DWD auch fachliche Aktualisierungen vorgenommen. So wurden die bayernweit neu berechneten Regenerosivitäten integriert, die Bestimmungs­möglichkeiten für die Bodenerodierbarkeit erweitert und ein Kartenviewer integriert, der die Berechnung des Topografiefaktors, also der Hanglänge und Hangneigung, wesentlich vereinfacht. Bei mobiler Anwendung vor Ort wird der eigene Standort in der Karte angezeigt. Luftbilder und Höhenlinien erleichtern die Bestimmung der erosiven Hanglänge, die nach Markieren von niedrigstem und höchstem Geländepunkt innerhalb des betrachteten Schlages automatisch berechnet wird.
Zusätzliche Informationen bietet die Darstellung der Hanglänge und der Hangneigung im Bereich der Ackerflächen. Beide Karten beruhen auf einem Digitalen Geländemodell (DGM) des LDBV in 5 m Auflösung und können zusätzlich zu den Topografischen Karten oder dem Luftbild eingeblendet werden.

Neue Karten für die Erosionsschutz-App "ABAGinteraktiv"

Kartenausschnitt Hangneigung

Hanglänge und Fließ­wege (L-Faktor)

Kartenausschnitt L-Faktor

Hangneigung (%)

Anwendungshinweise

Die "Erosionsschutz-App ABAG interaktiv" ermöglicht es dem Anwender, auf Grundlage der ABAG (Allgemeinen Bodenabtragsgleichung) den Bodenabtrag einer Ackerfläche zu berechnen. Zur Einschätzung des Erosionsrisikos kann der berechnete Bodenabtrag mit der Toleranzgrenze verglichen werden. Einen Anhaltswert für die Toleranzgrenze bietet die Formel "Bodenzahl/8" (Schwertmann et al., 1990).

Funktionsweise der Erosionsschutz-App

Um ein Ergebnis zu erhalten, muss der Anwender Angaben zu der zu berechnenden Ackerfläche machen, die maßgeblich das Erosionsrisiko bestimmen. Dazu gehören Angaben zur Bodenart, Topografie, Bewirtschaftungsweise und zu den gebietstypischen Niederschlagsintensitäten. Alle benötigten Angaben können über Drop-down-Menüs oder interaktive Elemente ausgewählt werden. Angaben, die über das zu erwartende Wissen hinausgehen (z. B. zu den Regenerosivitäten) können aus vorgegebenen Tabellen, z. B. über die Zugehörigkeit zu einem Gemeindegebiet, ermittelt werden. Ein Kartenviewer, der Feldstücke zusammen mit Luftbildern und Höhenlinien darstellt, erleichtert die Berechnung des Topografiefaktors.
Die Navigation durch die App orientiert sich an den einzelnen ABAG-Faktoren, wobei jeder Faktor sowohl in der Menüleiste als auch in Form von Themenkacheln anwählbar ist. In jedem Themenbereich gibt es mehrere Möglichkeiten zur Eingabe der benötigten Informationen. Dies reicht von der simplen Eingabe des Faktorwertes, wenn dieser bereits bekannt ist, über Drop-down-Menüs bis hin zu interaktiven Elementen, wie z. B. dem Kartenviewer.
Hilfe-Texte zu den benötigten Eingaben sind in jedem Themenbereich zu finden.

Allgemeine Bodenabtragsgleichung (ABAG)
Die ABAG wurde in den 60er Jahren in den USA als Universal Soil Loss Equation (USLE) als empirisches Modell in Langzeitversuchen entwickelt (Wischmeier & Smith, 1978) und wurde in den 80er Jahren (Schwertmann et al., 1990) auf bayerische Verhältnisse übertragen. Die ABAG verwendet 6 Parameter, um den mittleren, langjährigen Bodenabtrag durch Flächen- und Rillenerosion auf Einzelschlägen unter bestimmten Fruchtfolgen abzuschätzen:
A = R * K * S * L * C * P
A = der mittlere, langjährige Bodenabtrag in Tonnen je Hektar und Jahr (t/ha*a)
R = Regenerosivitätsfaktor (N/h)
K = Bodenerosivitätsfaktor (t*h/ha*N)
S = Hangneigungsfaktor
L = Hanglängenfaktor
C = Bewirtschaftungs- und Bodenbearbeitungsfaktor
P = Erosionsschutzfaktor

Richtige Interpretation der Ergebnisse

Das Ergebnis der Erosionsberechnung nach ABAG ist der mittlere, langjährige Bodenabtrag in Tonnen je Hektar und Jahr. Zur richtigen Interpretation müssen folgende Grundsätze beachtet werden:
  • Der berechnete Bodenabtrag ist im langjährigen Mittel einer Fruchtfolge zu erwarten. Das heißt:
    • Er gilt nicht für Einzelkulturen, einzelne Jahre oder gar einzelne Starkregenereignisse, sondern immer für die komplette Fruchtfolge im langjährigen Mittel
    • Das langjährige Mittel berücksichtigt, dass die erosiven Niederschläge von Jahr zu Jahr stark räumlich und zeitlich variieren. Der Bodenabtrag einzelner Jahre oder Erosionsereignisse kann stark nach oben und unten vom Mittelwert abweichen.
  • Der Bodenabtrag wird für einzelne Ackerschläge berechnet. Ein ggf. ereignisabhängig stattfindender Zufluss von Oberflächenwasser von oberhalb angrenzenden Flächen (auch von Wald oder Grünland) wird nicht berücksichtigt.
  • Der berechnete Bodenabtrag ist nicht gleichzusetzen mit dem Bodenaustrag aus der Ackerfläche. Auch innerhalb des Ackers kann es zur Ablagerung des Bodens kommen.
  • Besondere Erosionsformen (Schneeschmelze, Überschwemmungen, starke Mulden­situation/konzentrierte Fließwege oder Winderosion) werden bei Anwendung der ABAG nicht berücksichtigt.
  • Der berechnete Bodenabtragswert darf nicht verwechselt werden mit dem Oberflächenabfluss von Wasser, der auch auftreten kann, wenn kein Boden abgetragen wird (z. B. auch aus Grünland).

Die ABAG eignet sich besonders:

  • Zur Einschätzung des generellen Erosionsrisikos einzelner Ackerschläge auf Grund der Topografie
  • Zur Abschätzung der Auswirkung bestimmter Fruchtfolgen und Bewirtschaftungsmaßnahmen auf den zu erwartenden Bodenabtrag

Neu berechnete Regenerosivitäten

Die Regenerosivität geht als "R-Faktor" in die Allgemeine Bodenabtragsgleichung ein. Der R-Faktor ist ein Maß dafür, wie oft und mit welcher Intensität es in einer Region zu erosiven Niederschlägen kommt.
An der LfL wurden in einem Projekt in Zusammenarbeit mit DWD und TU München die R-Faktoren für Deutschland erstmals anhand von hochauflösenden Radardaten der letzten 17 Jahre (2001 bis 2017) berechnet (Fischer, F.K. et al., 2019).

Neue Radardaten lösen die alten Stationswerte ab

Die bisher verwendeten R-Faktoren für Bayern wurden aus Niederschlagsdaten berechnet, die von 17 über Bayern verteilten Ombrometerstationen (Regenschreibern) stammten. Die Ombrometer lieferten zeitlich hoch aufgelöste (1 Minute), punktgenaue Daten mit Messreihen über 10 bis 12 Jahre, die aus den 60er und 70er Jahren stammten. Aufgrund der Korrelation der langjährigen R-Faktoren mit den langjährigen, mittleren Sommer­niederschlags­summen, konnten die R-Faktoren auf die gesamte Landesfläche von Bayern interpoliert werden (Rogler & Schwertmann, 1981, Schwertmann et al., 1987).
Ein Nachteil ist, dass mit dieser Methode die hohe räumliche Variabilität erosiver Regen nicht erfasst wird und Starkregenereignisse einzelner Jahre bei nur zehnjährigen Messreihen einen hohen Einfluss auf den ermittelten R-Faktor haben.
Für die Neuberechnung der R-Faktoren wurden Radar-Niederschlagsdaten des DWD verwendet, sog. RADKLIM-Daten, die eine zeitliche Auflösung von 60 min und eine räumliche Auflösung von 1x1 km besitzen. Dabei wurden Radarmessungen des 17jährigen Zeitraums von 2001 bis 2017 herangezogen. Die geringere zeitliche Auflösung sowie die Glättung der Niederschlagsspitzen innerhalb eines 1x1-km-Rasters aufgrund von Mittelwertbildung führten zunächst zu einer Unterschätzung der R-Faktoren. Durch den Vergleich der Radarwerte mit Messwerten aus stationären Ombrometern war allerdings die Berechnung von Korrekturfaktoren möglich. Zusätzlich wurde eine Glättung von räumlichen und zeitlichen Extremwerten durchgeführt.
Im Ergebnis sind die neu berechneten R-Faktoren im Mittel für die Ackerflächen Bayerns etwa 50% höher als die von Rogler & Schwertmann (1981) ermittelten (Fischer, F.K. et al., 2019).
Die Gründe für den starken Anstieg liegen in der messbaren Zunahme erosiver Regenereignisse im Zeitraum von 2001 bis 2017 im Vergleich zu den 60er/70er Jahren.

Deutliche Zunahme der Regenerosivitäten in Bayern

Im Ergebnis sind die neu berechneten R-Faktoren im Mittel für die Ackerflächen Bayerns etwa 50 % höher als die von Rogler & Schwertmann (1981) ermittelten (Fischer, F.K. et al., 2019).
Die Gründe für den starken Anstieg liegen in der messbaren Zunahme erosiver Regenereignisse im Zeitraum von 2001 bis 2017 im Vergleich zu den 60er/70er Jahren.
Bayernkarte mit Einfärbungen von Gelb bis Dunkelblau.

Karte R-Faktoren der Gemeinden in Bayern

Bayernkarte mit Einfärbungen von Gelb bis Dunkelblau.

Karte Veränderung der R-Faktoren in Bayern

Literaturverzeichnis
  1. Auerswald K., Elhaus D., Martin W., 2016. Wassererodierbarkeit von Böden der Bodenart Sand (Ss). Bodenschutz 21, 42–45.
  2. Auerswald K., Elhaus D., 2013. Ableitung der Bodenerodierbarkeit K anhand der Bodenart. Bodenschutz 4, 109–113.
  3. Fischer F.K., Auerswald K., Maier H, Brandhuber R (2019): Erosionsschutz Bayern. Radargestützte Erosionsprognose 1 – Methodenentwicklung und Validierung der ABAG. Schriftenreihe der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft 3, 35 p.
  4. Rogler, H., Schwertmann, U., 1981. Erosivität der Niederschläge und Isoerodentkarte Bayerns. Zeitschrift für Kulturtechnik und Flurbereinigung 22, 99–112.
  5. Schwertmann, U., Vogl, W., Kainz, M., 1990. Bodenerosion durch Wasser: Vorhersage des Abtrags und Bewertung von Gegenmaßnahmen, 2. Auflage. Ulmer: Stuttgart.
  6. Wischmeier, W.H., Smith, D.D., 1978. Predicting rainfall erosion losses: a guide to conservation planning. In Agriculture Handbook, Issue 537. US Department of Agriculture: Washington, DC.

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