LfL-Jahrestagung 2015: Die bayerische Milchwirtschaft im freien Wettbewerb

Milchkühe im Laufstall (Fressgitter)
Rund 200 Teilnehmer aus der Milcherzeugung und -verarbeitung sowie aus der Beratung und Verwaltung konnten sich umfassend über das Thema "Perspektiven für die bayerische Milchwirtschaft" informieren. Fragen wie "Wie lassen sich heutige Erwartungen der Verbraucher - insbesondere zum Thema Tierwohl - mit dem außerordentlichen Preisdruck im Lebensmitteleinzelhandel und der Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Nachhaltigkeit für die bäuerlichen Familien vereinigen?" oder "Welche Perspektiven bieten sich für den landwirtschaftlichen Nachwuchs?" kamen dabei nicht zu kurz.
Experten der LfL und dem benachbarten Ausland stellten Verbesserungsvorschläge im Bereich der Milcherzeugung - von der Haltung über die Zucht bis zur Fütterung - zur Diskussion. Eine genaue Analyse des Milchmarktesund der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen sowie die Einschätzung eines praktischen Milchviehhalters rundeten den Blick auf alle Bereiche ab und stellten einen direkten Bezug zu den bayerischen Verhältnissen her.
Bayerns Milchviehbetriebe erzeugen jährlich gut acht Millionen Tonnen Milch. Das sind ein knappes Viertel der deutschen und etwa fünf Prozent der Milcherzeugung in der EU. Seit dem Auslaufen der Milchquotenregelung im Frühjahr dieses Jahres unterliegt die Milcherzeugung noch stärker den Kräften des globalisierten Marktes und den internationalen Währungsschwankungen.
Ein kontinuierlicher Strukturwandel hin zu größeren Betriebseinheiten, die Tierwohldiskussion und der gnadenlose Konkurrenzkampf des Lebensmitteleinzelhandels um die Preisführerschaft beim Kunden verunsichern viele Betriebe und stellen die Zukunft der Milcherzeugung in Frage. In Phasen wie dieser geht es darum, das Preistal zu überstehen und betriebliche Entscheidungen auf längerfristigen Betrachtungen aufzubauen. Aus bayerischer Sicht dürfen ökonomische Perspektiven nicht auf das Thema einzelbetriebliches Wachstum reduziert werden, sondern müssen alle Entwicklungspotenziale, wie beispielsweise Nischenmärkte, Kooperationen, arbeitsteilige Verfahren uvm. einbezogen werden.

Zusammenfassung der Vorträge

Was können wir in der Milchviehhaltung besser machen?
Prof. Dr. Dr. Matthias Gauly, Freie Universität Bozen
Professor Gauly zeigte die historische Entwicklung der Tierhaltung, den heutigen Stand der Milchviehhaltung sowie deren Verbesserungspotential auf und schilderte die Notwendigkeit des Handlungsbedarfs in den Bereichen Bestandsgrößenbegrenzung, Gesundheit und Nutzungsdauer der Tiere sowie Tierwohl, Haltungssysteme, Weiterbildung der Landwirte und nicht zuletzt der Öffentlichkeitsarbeit. Professor Gauly vertritt die Meinung, dass die Milchviehhaltung die größte Akzeptanz unter den Verbrauchern genießt. Dieses positive Image muss allerdings durch den Erhalt der Transparenz, durch weitere verbrauchera und durch die kontinuierliche Verbesserung der Haltungssysteme gefestigt werden. Die fachliche Fortbildung und Weiterentwicklung der Landwirte und intensive Diskussion um Leistungen und Gesundheit sind die Grundlage einer erfolgreichen Betriebsführung, so Gauly. Tierwohl muss nach Meinung des Experten insbesondere durch die Verantwortung für das Tier sowie auch aus ökonomischer Sicht einen hohen Stellenwert einnehmen.
Antworten für die Praxis aus Sicht der Tierhaltung: Bau von Milchviehställen im Fokus von Tierwohl, Kosten und Erweiterbarkeit
Jochen Simon, LfL - Institut für Landtechnik und Tierhaltung
Die Entscheidung für einen Um-, Erweiterungs- oder Neubau stellt für Landwirte - vor allem auch aufgrund des starken Wettbewerbs- und Kostendrucks - eine große Herausforderung dar. Architekt Simon rät bauwilligen Landwirten, ihr Kapital richtig zu investieren und fachliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um sich füreine für ihre persönliche Betriebssituation optimale Stallbaulösung entscheiden zu können. Im Hinblick auf den Gesundheitsstatus der Milchkühe ist ein besonderes Augenmerk auf bauliche und technische Maßnahmen zur Optimierung des Tierwohls zu legen. Kontinuierliches Wachstum der Bestände - unabhängig von der Betriebsgröße und davon, ob es sich um einen Haupt- oder Nebenerwerbsbetrieb handelt - wird dabei als ein wichtiges Merkmal zukunftsfähiger Betriebe noch zu wenig berücksichtigt. Bei einem Stallneubau sollte die Erweiterbarkeit des Stallgebäudes miteingeplant werden. Der Stallbauexperte empfiehlt, vor einer eigenen Entscheidungen möglichst viele und unterschiedliche Projekte zu besichtigen, den regen Informationsaustausch mit den Kollegen in der Praxiszu pflegen und sich keinesfalls durch Abgabetermine der Förderanträge zu voreiligen, unüberlegten Bauprojekten verleiten zu lassen.
Antworten für die Praxis aus Sicht der Tierzucht: Positionierung der bayerischen Rassen im freien Wettbewerb
Prof. Dr. Kay-Uwe Götz; LfL - Institut für Tierzucht
Die Wettbewerbsfähigkeit von Rinderrassen wird bestimmt von biologischen Eigenschaften, der Struktur der Zuchtpopulationen, dem Zugriff auf moderne Züchtungstechniken, der Leistungsfähigkeit der Zucht- und Besamungsorganisation und letztlich von der Ökonomie. Der Beitrag von Professor Götz konzentrierte sich auf die biologischen und organisatorischen Faktoren, die die Wettbewerbsfähigkeit der drei in Bayern hauptsächlich vertretenen Rassen Fleckvieh, Braunvieh und Holstein ausmachen. Die drei Rassen liefern sich ökonomisch und züchterisch ein "Kopf-an-Kopf-Rennen". Letztendlich kommt es darauf an, welche Tiere in Zukunft die größten Selektionsfortschritte erzielen. Zudem, so Götz, stärkt die Kooperation in der Zuchtwertschätzung die Wettbewerbsfähigkeit einer Rasse. Im Hinblick auf die Ökobilanz gäbe es gute Gründe, sich auf die Leistung pro Kuh zu beschränken und die Doppelnutzung voranzutreiben. Hinzu kommen die Flächenkonkurrenz und die beschränkten Arbeitskapazitäten auf den Betrieben.
Tierzüchter Götz bat die Rinderhalter, züchtungsrelevante Tierdaten als Grundlage für eine an den Anforderungen des Marktes ausgerichtete Züchtungsforschung und -praxis vermehrt zur Verfügung zu stellen.
Antworten für die Praxis aus Sicht der Tierernährung: Ausrichtung der Milchviehfütterung in Bayern bei freien Märkten
Prof. Dr. Hubert Spiekers, LfL- Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft
Für die Wettbewerbsfähigkeit der Milcherzeugung in Bayern sind die Ausgestaltung der betrieblichen Futtererzeugung und die Fütterungsstrategie von erheblicher Bedeutung, zumal diese wesentliche Stellgrößen für den Nährstoffanfall, die Gesundheitsvorsorge und das Tierwohl darstellen. Laut Professor Spiekers erlauben der Wegfall der Quotenregelungen und die derzeitige Ausgestaltung der flächenbezogenen Beihilfen eine bessere Anpassung der Fütterung an die Erfordernisse im Einzelbetrieb. Dies betrifft die Ausrichtung der Produktion, die Futterwirtschaft und die Fütterungsstrategie. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei auf die Futtereffizienz und das betriebliche Controlling zu richten. Aus den Erfahrungen der Projekte im Rahmen der Heimischen Eiweißinitiative weisen die Betriebe diesbezüglich große Reserven auf. Das Angebot in der Beratung sollte hierauf zukünftig ausgerichtet sein, so Spiekers. In der Futterwirtschaft sind der Minderung der Verluste, der Kostenreduktion und der Balancierung der Rationen hinsichtlich Strukturwirksamkeit und Kohlenhydratversorgung besondere Beachtung zu schenken.
Prämierung von Meisterarbeiten im Rahmen der Bayerischen Eiweißinitiative
Christian Stockinger und die drei prämierten Meisterabsolventen
Im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung wurden herausragende Meisterarbeiten zum Thema „Heimische Eiweißfuttermittel“ prämiert. Christian Stockinger, Vizepräsident der LfL, ehrte die drei Gewinner mit einer Urkunde. Nähere Informationen dazu unter

Details zur Prämierung

Die Perspektiven der bayerischen Milchwirtschaft aus Sicht des Marktes
Ludwig Huber, LfL - Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte
Im weltweiten Anstieg der Milchproduktion, dem Nachfrageeinbruch im wichtigsten Importland China und dem Nahrungsmittel-Embargo Russlands sieht Ludwig Huber die Hauptursachen für die aktuelle Krise am Milchmarkt. Langfristig erwarten FAO und OECD zwar einen jährlichen Anstieg der Milcherzeugung um zwei Prozent, das Wachstum der Nachfrage nach Milchprodukten wird aber höher eingeschätzt. Will Bayerns Milchwirtschaft von den weltweiten Entwicklungen profitieren, so ist dies am ehesten über höherwertige Milchprodukte möglich. Die Nachfrage nach diesen Produkten dürfte weltweit steigen.
Bei der Produktion von Standardprodukten dagegen entstehen den bayerischen Molkereien aufgrund kleiner Verarbeitungskapazitäten höhere Kosten, die die Konkurrenzfähigkeit am Drittlandmarkt erschweren.
Die Perspektiven der bayerischen Milchwirtschaft aus Sicht der Betriebswirtschaft
Dr. Gerhard Dorfner, LfL - Institut für Agrarökonomie
Die Milcherzeugerpreise sinken seit fast zwei Jahren und mit ihnen die Gewinne in der Milchviehhaltung. Vor allem für Betriebe mit kürzlich getätigten Wachstumsschritten und angestellten Arbeitskräften wächst mit jedem weiteren Tiefpreismonat im Jahr 2015 die Aufgabe, die Liquidität zu sichern. Viele Betriebe sind verunsichert und stellen die Zukunft der Milcherzeugung in Frage. Das momentane Preistal ist zu überstehen, betriebliche Entscheidungen sollten aber auf längerfristigen Betrachtungen aufbauen, so Dorfner. Milchpreise unter 30 ct/kg sind auf europäischer Ebene kein Niveau, bei dem nachhaltig Gewinne erwirtschaftet werden können. Nur mit überdurchschnittlichem Management kann ausreichend Geld verdient werden.
Aus bayerischer Sicht dürfen ökonomische Perspektiven nicht auf das Thema "einzelbetriebliches Wachstum" reduziert werden. Ein nach wie vor hoher Anteil kleiner Strukturen, hohe Wachstumskosten, zunehmende Begrenzungen von staatlicher Seite und nicht zuletzt wachsende gesellschaftliche Sensibilität werden diesen Entwicklungspfad zunehmend erschweren. Betriebskooperation, Verbesserung der Wertschöpfung der Milcherzeugung in mehr oder weniger großen Nischen oder durch Kostenoptimierung sowie die Gewinnoptimierung durch passende Einkommenskombinationen sind daher ebenso notwendige Strategien zur Zukunftssicherung. Alle Strategien bedürfen dabei konsequenter Erfolgskontrolle, Liquiditätsplanungen werden nicht nur in Zeiten volatiler Weltmärkte immer wichtiger. Der Arbeitsplatz Milchviehstall wird künftig nur dann attraktiv sein, wenn sich zur ökonomischen auch eine soziale Perspektive ergibt. Der Schritt vom klassischen zum erweiterten Familienbetrieb kann dabei helfen, setzt aber hohe soziale Kompetenz der Betriebsleiter voraus.
Die Perspektiven der bayerischen Milchwirtschaft aus Sicht eines Milchviehhalters
Peter Kaindl, Milcherzeuger
Betriebsleiter Peter Kaindl bewirtschaftet im Landkreis Landsberg einen Milchviehbetrieb mit 103 ha LF und 85 Milchkühen. Der Vorsitzende der Milcherzeugergemeinschaft Augsburg Süd/Ammersee und des Milcherzeugerrings Weilheim erklärte, dass der einzelne Landwirt keinen Einfluss auf den Milchpreis hat. Erzeugerzusammenschlüsse brächten Verhandlungsspielräume, Molkereien müssen als Partner betrachtet werden. Der Betriebserfolg ist die Summe konsequenten Handelns und essentiell für eine gesicherte Zukunft. Jeder Landwirt muss sich immer wieder über seine Ziele („Was kann ich aus dem machen, was ich habe?“) im Klaren sein, dabei ist „Zeit zum Nachdenken“ ein wesentlicher Faktor. Die Größe des Betriebes sei nicht unbedingt entscheidend. Landwirte sollten Vorhandenes optimal nutzen, die eigene Wirtschaftlichkeit kontrollieren und fachliche Beratung in Anspruch nehmen. Die Betriebszweigauswertung (BZA) ist für Kaindl dabai Voraussetzung und Selbstverständlichkeit. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, kann auch über Vergrößerung, Erweiterung und ggf. Alternativen (z.B. Umstellung auf ökologische Wirtschaftsweise) nachgedacht werden. Abschließend wies der erfahrene Milcherzeuger darauf hin, dass die Märkte weiterhin volatil sein werden, die Betriebe auf diese Marktsituation eingestellt sein und in „guten Zeiten“ Rücklagen bilden müssen. Dann steht einem positiven Blick in die Zukunft nichts mehr im Wege!