LfL-Arbeitsrahmenprogramm 2014-2018: 3. Herausforderungen für die Land- und Ernährungswirtschaft

Die Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik, das veränderte Verbraucherverhalten sowie die gesellschaftliche Akzeptanz der Produktionsverfahren zählen zu den Herausforderungen. Daneben auch die Energiewend, der Umweltschutz, der Klimawandel und die volatilen Märkte.

Volatile Märkte

Die steigende Nachfrage nach landwirtschaftlichen Rohstoffen nimmt durch das dynamische Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern entscheidenden Einfluss auf die Preisbildung, auch auf europäischen Märkten.
Vor allem bei stabil positiver Weltkonjunktur wird die Nachfrage nach hochwertigen Lebensmitteln und agrarischen Rohstoffen zur stofflichen und/oder energetischen Nutzung weiter ansteigen. Dabei werden die Agrar- und Energiemärkte von erheblichen Preis- und Mengenschwankungen geprägt sein.
Eine auch im Agrarbereich zunehmend global vernetzte Wirtschaft mit weitgehend deregulierten, internationalen Warenströmen beeinflusst und verstärkt die Kräfte des Marktes. Mit volatilen Preisen für Agrarprodukte verschieben sich kurzfristiger als bisher die relativen Vorzüglichkeiten der einzelnen Produktionsverfahren. Bei langfristigen Investitionsentscheidungen nehmen die Risiken auf Preis- und Kostenebene zu.
Die Ernährungslage der Welt ist mit über 900 Mio. unterversorgten Menschen und jährlich ca. 9 Mio. Hungertoten angespannter denn je.
Ökonomisch bedeutend ist die Tatsache, dass insbesondere die steigende Kaufkraft bevölkerungsreicher Regionen der Welt dort einen überproportionalen Verbrauch bei Lebens- und Futtermitteln auslöst. Gerade in Entwicklungsländern mit großem Importbedarf für Lebens- und Futtermittel dürfte bei einem weiteren Anstieg der Preise die Ernährungssicherung in den nächsten Jahren noch schwieriger werden. Schon in den letzten 10 Jahren konnte der Bedarf auf wichtigen Produktmärkten nur durch den Abbau vorhandener Reserven gedeckt werden.
Fossile Energie dürfte sich erstmalig, nach mehreren Jahrzehnten stetiger Verteuerung im Planungszeitraum preislich stabilisieren oder gar verbilligen. Dies gilt umso mehr, als klimapolitische Ziele in den Hintergrund treten und die Gewinnung neuer Öl- bzw. (Schiefer)gasvorkommen ohne ausreichende Beachtung umweltrelevanter Belange forciert wird.
In diesem Fall wird die Preissicherungs- oder gar Preisbildungsfunktion von Energieprodukten für Agrarprodukte wieder abnehmen oder gar entfallen. In den Vordergrund treten dann die preisbestimmenden Angebots- und Nachfrageverhältnisse auf den internationalen Lebens- und Futtermittelmärkten.
Je knapper die globalen Vorräte und je stärker die globale Nachfrage, desto ausgeprägter sind die Hochpreisphasen.
Eine effiziente, weil hochproduktive Nutzung der natürlichen Ressourcen wird deshalb künftig noch mehr als bisher zum entscheidenden Standortfaktor für die Land- und Ernährungswirtschaft werden. Vom Markt gebildete Preise werden dabei stärker als bisher das vorhandene Potenzial zur Produktivitätssteigerung aktivieren und die Bereitschaft zur erforderlichen Kostensenkung verstärken.
Produktion und Verwertung werden sich noch besser auf den Markt ausrichten, weil subventionierte Produktionsmethoden wegfallen und die Standortdifferenzierung wettbewerbsfähiger Produktionsregionen nach weitgehend ökonomischen Kriterien stattfinden wird.
In der Folge ergeben sich neue Herausforderungen durch eine stärkere regionale Konzentration einzelner Produktionsverfahren, wie die weitere Verdichtung von Tierbeständen und die Zunahme von engen Fruchtfolgen.
Mit einer Preisbildung unter Konkurrenzbedingungen sinkt der Anreiz, auf weniger geeigneten Standorten intensiv zu produzieren. Umgekehrt werden Gunstlagen noch intensiver als bisher genutzt werden. Die Produktion hat sich verstärkt an dem Leitbild des standort-spezifischen Optimums zu orientieren. Es gilt die Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln bzw. Substrat je Flächeneinheit zu erhöhen, bei eher geringerer Beanspruchung der Umwelt und verbesserter Biodiversität. Dem Grünland kommt besondere Bedeutung zu, da hier erhebliche Produktionsreserven bestehen und die möglichen ökologischen Leistungen von besonderer Relevanz sind. Der Vermeidung von Verlusten in Menge und Qualität von der Fläche bis zum Verbrauch ist daher besondere Bedeutung beizumessen.
Auf Grenzstandorten mit nachteiligen natürlichen und wirtschaftlichen Produktionsbedingungen ist unter den heute schon gegebenen und auch zukünftig zu erwartenden knappen Preis-/Kostenverhältnissen die flächendeckende Bewirtschaftung gefährdet. Im Interesse des Gemeinwohls ist zur Sicherung einer intakten Kulturlandschaft auch zukünftig staatliche Unterstützung erforderlich.

Klimawandel

Der Klimawandel ist ein globales Problem mit regionalen Konsequenzen.
Die zunehmende Ausdehnung von Wüsten, die Erosion und Versalzung der Böden sowie regional auftretende Dürreperioden und/oder Überschwemmungen erhöhen die Gefahr globaler Produktionsschwankungen und damit verbundener Versorgungsengpässe auf den Weltmärkten. Regional und lokal trägt auch bei uns der Flächenverbrauch für Infrastruktur- und Ausgleichsmaßnahmen zur Verknappung des Produktionsfaktors Boden bei.
Häufiger auftretende Witterungsextreme führen zudem zu einem erhöhten Krankheits- und Schädlingsrisiko sowie hitzestress- bzw. wasserüberschussbedingten Ertragsdepressionen. Die Zuwachsraten zukünftiger landwirtschaftlicher Produktionsmengen werden sich bei Nutzflächenreserven von weltweit kaum 10 % tendenziell eher verringern. Andererseits entstehen bei hohen Agrarpreisen erhöhte Anreize zur Realisierung neuer Anbaumethoden und es eröffnen sich Potenziale für neue Produkte und Intensitäten im Pflanzenbau.

Umweltschutz

Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen ist eine zentrale Forderung an die Land-wirtschaft. Die Landwirtschaft steht in der Verantwortung zum Schutz von Boden, Gewässer, Luft und Biodiversität. Bodenerosion, Verunreinigungen von Gewässern und Luft sowie sonstige schädliche Auswirkungen auf den Naturhaushalt sind zu vermeiden.
Das Wissen um ökologische Zusammenhänge, die Erwartungen der Gesellschaft und die gesetzlichen Rahmenbedingungen befinden sich in ständiger Weiterentwicklung und erfordern eine laufende Anpassung der landwirtschaftlichen Produktionsprozesse.

Energiewende

Die in Deutschland beschlossene Abkehr von der Atomenergie ist ein gesamtwirtschaftliches Thema. Der Schwerpunkt künftiger Entwicklungen wird sich allerdings deutlich von der reinen Energieproduktion zum lastgesteuerten Energiemanagement verschieben. Der Beitrag der Landwirtschaft ist dabei begrenzt.
Für die weitere Entwicklung der agrarischen Energieproduktion auf der Basis landwirt-schaftlicher Rohstoffe wird die relative Wettbewerbsstellung zu anderen regenerativen Energieformen wie Wind, Sonne, Wasser oder Holz bestimmend sein.
Insgesamt ist bei sinkenden Vergütungssätzen und gleichzeitig hohen Agrarpreisen von einer Stagnation der Verwendung landwirtschaftlicher Nutzflächen auf dem Niveau von 2014 auszugehen. Die innersektoralen Konkurrenzverhältnisse werden sich deshalb entschärfen.

Gesellschaftliche Akzeptanz der Produktionsverfahren

Bürger, Verbände und Organisationen betrachten die Produktionsverfahren in der Landwirtschaft zunehmend kritisch. Etablierte Formen der Tierhaltung werden in Frage gestellt, das Tierwohl steht immer mehr im Vordergrund. Intensive Bodennutzungsformen mit einem hohen Einsatz von Produktionsmitteln in engen Fruchtfolgen werden zunehmend abgelehnt. Die Ansprüche an die Landwirtschaft zur Gestaltung einer vielfältigen attraktiven Kulturlandschaft und Steigerung der Biodiversität nehmen zu.
Im Planungszeitraum wird sich deshalb die Landwirtschaft den immer lauteren Forderungen nach neuen, gesellschaftlich besser akzeptierten Produktionsweisen stellen müssen. Dabei ist die Information der Gesellschaft über die Vorteile einer modernen und effizienten Landwirtschaft zwar eine wichtige Aufgabe, kostenträchtige Modifizierungen von Produktionsverfahren in der Tier- und Pflanzenproduktion werden jedoch unweigerlich folgen müssen. Hieraus resultiert ein erheblicher Forschungsbedarf.

Verändertes Verbraucherverhalten

Soziostrukturelle und ökonomische Veränderungen sowie die demographische Entwicklung führen zu weiterhin sich verändernden Ernährungsgewohnheiten und beeinflussen damit die Nachfrage nach Lebensmitteln sowie ihre Verarbeitung.
Weiter verstärken dürfte sich das Phänomen, dass zunehmend billige Discountware (z. B. Mehl, Milchprodukte, Eier, Fleisch, Konserven) nachgefragt wird, daneben aber auch Konsumenten aus allen Bevölkerungsschichten qualitativ besonders hochwertige Premiumprodukte im oberen Preissegment nachfragen.
Derzeit besteht in den qualitätsbetonten Segmenten eine ausgeprägte Präferenz für regionale Produkte. Nachfrager mit ausgeprägtem Bewusstsein für Natur und Ernährung werden vermehrt ökologisch erzeugte Lebensmittel nachfragen, sofern die mit dieser Produktionsweise verbundenen Versprechen - zunehmend auch im sozialen Bereich - eingehalten werden können. Die Nachfrage nach stufenübergreifend zertifizierten Lebensmitteln mit garantiert hoher Qualität und Sicherheit wird weiter zunehmen. Lebensmittel mit einem Zusatznutzen (Wellnessprodukte/“functional food“) werden bei Bevölkerungsgruppen mit hoher Kaufkraft auf steigende Nachfrage treffen.

Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik

Die Ziele der EU-Agrarreform 2013 beschreiben die zukünftigen Hauptaufgaben der euro-päischen Landwirtschaft wie folgt:
  • Versorgung der Bürger mit sicheren und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln
  • Schutz der Kulturlandschaft
  • Erhalt vitaler ländlicher Lebens- und Wirtschaftsräume und
  • Bewältigung des Klimawandels
Die Ausgestaltung entspricht den Zielformulierungen nur sehr bedingt. Es ist zu erwarten, dass im Planungszeitraum neue Änderungen und Auflagen entstehen werden, die weiteren Forschungs- und Beratungsbedarf mit sich bringen.