Jahresbericht 2016
Die LfL: Was uns ausmacht, ist die Vielfalt

Personengruppe vor Gewächshaus

Die Landesanstalt für Landwirtschaft stellt sich vor

Wie kaum eine andere Branche ist die Landwirtschaft gefordert, Antworten auf zentrale Zukunftsfragen zu geben. Realistisch und unabhängig analysieren, Lösungen durch problemorientierte Forschung finden, Wissen direkt in die Praxis, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bringen – dafür sorgt die LfL. Im Gespräch mit allen Instituts- und Abteilungsleitern wird deutlich, was die Landesanstalt für Landwirtschaft ausmacht.

Unter dem Dach der LfL vereinen sich neun Institute und sechs Abteilungen. Gemeinsam wie auch individuell gehen Sie Ihren Aufgaben und Fragestellungen nach. Warum?

Dr. Hermann Lindermayer, Leiter ehemalige Abteilung Versuchsbetriebe:
Wir können zum Beispiel vom Boden, über das Futter bis hin zur Milchproduktion und zur Milchqualität wieder zurück auf den Boden und die Wirtschaftsdünger eine Gesamtschau halten. Daher können wir auf Entwicklungen reagieren, die die gesamte Landwirtschaft betreffen. Unsere Zusammenarbeit in der LfL ist davon geprägt, dass viele Ideen von mehreren Disziplinen betrachtet werden.

In der Politik fällt nach solchen Aussagen dann der Satz: „Und das ist gut so!“

LfL-Präsident Jakob Opperer:
Genau. In den Instituten und Abteilungen der LfL gibt es zwar viele Bereiche, in denen man fachspezifisch arbeiten muss, aber gleichzeitig werden das Wissen und die Essenz wieder für gemeinsame größere Themen eingebracht. Dabei werden die natürlichen Produktionsvoraussetzungen und die Erzeugung ebenso berücksichtigt wie die Ökonomie und der Markt. Dass Dialog und Diskurs, wie wir sie mit der Landwirtschaft pflegen, auch innerhalb der Landesanstalt funktionieren, zeigt unsere monatliche Leitungskonferenz. Wir treffen uns einmal im Monat in genau dieser Konstellation wie jetzt.

Es ist also ein wichtiger Teil Ihrer Arbeit, die richtigen Fragen zu stellen und nach Relevanz vorzugehen. Wer braucht schon Antworten auf Fragen, die niemand stellt?

Prof. Dr. Hubert Spiekers, Leiter Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft:
Dafür ist die Zusammenarbeit innerhalb der LfL zwingend. Und deshalb wurde sie auch so, wie sie ist, vor 14 Jahren aufgestellt. Welche Umweltwirkungen liegen vor? Welche Produkte resultieren? Kann ich sie verkaufen? Diese Fragen sind für eine erfolgreiche Landwirtschaft zwingend. Und diese Fragen stellen wir natürlich stetig.
Dr. Helmut Wedekind, Leiter Institut für Fischerei:
Sie merken: Wir sind extrem synergistisch im Verbund.

Geben Sie doch mal ein konkretes Beispiel.

Gewächshaus von außen
Dr. Gerhard Strauß, Leiter Abteilung Qualitätssicherung und Untersuchungswesen:
Sämtliche Fragestellungen zu Forschungsprojekten der neun Institute untermauern wir von der zentralen Analytik mit fundierten Daten. Denken wir an unser Schwerpunktthema „Wasser“. Uns erreichen zahlreiche Wasserproben aus ganz Bayern und diese werden hier analysiert. Wir stellen daraufhin die Analysedaten, die eine hohe Qualität besitzen, zur Verfügung.

Daten veröffentlichen – das ist ein gutes Stichwort. Ich sage nur: Forschen. Fördern. Bilden. Diesen drei Schwerpunkten hat sich die LfL verschrieben.

Prof. Dr. Kay-Uwe Götz, Leiter Institut für Tierzucht:
Ja, richtig. Wir leisten mit unserer Arbeit einen wichtigen Beitrag für die bayerische Landwirtschaft. Denn Landwirtschaft in Bayern wird auf eine spezielle Art betrieben und ist von Strukturen und Zielsetzungen geprägt, die nicht nur rein ökonomisch orientiert sind.
Dr. Helmut Tischner, Leiter Institut für Pflanzenschutz:
Uns geht es darum, Lösungen für die Probleme zu finden, die die Landwirte bewegen. Gleichzeitig sind die Ressourcen- und Umweltschonung eine immer größere Herausforderung.
Dr. Annette Freibauer, Leiterin Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz:
Wichtig ist deshalb auch der stetige Austausch zwischen Forschung und Praxis. Die Landwirte kommen mit ihren Fragen oder auch Lösungsansätzen auf uns zu, insbesondere bei Umweltthemen. So lässt sich Schritt für Schritt etwas bewegen.

Das erklärt vor allen Dingen „Forschen“ und „Fördern“. Wie sieht es mit dem Stichwort „Bildung“ aus?

Dr. Rudolf Seidl, Leiter Abteilung Berufliche Bildung:
Die enge Verknüpfung mit der Forschung ist natürlich auch wichtig für unsere Bildungsaufgaben, womit wir jungen Leuten eine Zukunftsperspektive geben. Was etwa im Institut für Fischerei geforscht wird, fließt in die Ausbildung im Beruf Fischwirt sowie in die Meisterqualifikation von Fischwirten ein. Wir führen dann in unserer Abteilung „Berufliche Bildung“ die Prüfungen durch. So geschieht das in den Aus- und Fortbildungsberufen, für die die Landesanstalt zuständig ist, vom Tierwirt bis hin zur milchwirtschaftlichen Labormeisterin.

Das klingt nach einem gut durchdachten Konstrukt. Ist es das, was die LfL auszeichnet?

Dr. Annette Freibauer
Nicht nur das. Unser langer Atem zeichnet uns aus. Zum Beispiel bearbeiten wir seit den 80er Jahren Themen wie „Nitrat im Grundwasser“ oder generell Gewässerschutz. Was vor wenigen Jahren noch Forschungsfragen waren, die institutsübergreifend bearbeitet wurden, ist inzwischen in der Praxis angekommen – Stichwort „Gülleausbringung“. Das Aufbauen und langfristige Dranbleiben an Themen ist wirklich wichtig und gut an der LfL.
Prof. Dr. Hubert Spiekers:
Zu betonen ist die Unbestechlichkeit unserer Ergebnisse. Wir produzieren echte Ergebnisse zu praktischen Fragen und publizieren sie – egal, ob sie positiv oder negativ ausfallen. Damit unterscheiden wir uns von der Industrieforschung. Diese Neutralität und Unabhängigkeit sowie der Praxisbezug machen die LfL so besonders.

Objektivität also...

Dr. Georg Wendl, Leiter Institut für Landtechnik und Tierhaltung:
Absolute Objektivität. Das ist tatsächlich, was Landwirte als auch Industrie von uns erwarten: Neue Verfahren in der Produktionstechnik werden von uns hinsichtlich ihrer Vorteile und Nachteile sauber bewertet, damit der Landwirt selbst eine begründete Entscheidung treffen kann. Unsere objektive Beurteilung ist frei von jeglichen Firmeninteressen. Die Objektivität ist unser Pfund, mit dem wir arbeiten. Dazu müssen wir uns in der Materie auskennen und das gesamte Fachgebiet überblicken.
LfL-Vizepräsident Christian Stockinger:
Es wird von uns erwartet, dass wir selbstverständlich den Stand des Wissens parat haben und für unsere unterschiedlichen Zielgruppen so aufbereiten, dass diese damit umgehen können – anwendbares Wissen, Beraterwissen, taktisches Unternehmerwissen. Im Hinblick auf die Politik vollbringen wir dabei den schwierigen Spagat, sowohl Meinungen zu bestätigen als auch eine Umsetzbarkeit bei beschlossener Lage aufzuzeigen.

Befördert die LfL unliebsame Wahrheiten ans Licht? Machen Sie sich manchmal unbeliebt?

Ulrich Keymer, Leiter Institut für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur:
Wahrheiten sind oft unangenehm, man denke an das Stichwort „Agrarökonomie“. Da wir ein Querschnittsinstitut sind, spielt die ökonomische Bewertung die Hauptrolle. Visionen ökonomisch auf die Realität zurückzuführen, sehe ich als eine unserer spannendsten Aufgaben an.
Dr. Holger Friedrich, Leiter Abteilung Information und Wissensmanagement:
Der eine will mit möglichst geringen Stückkosten produzieren, er braucht einen sicheren Ertrag, muss davon leben können – also achtet er auf Ökonomie. Der andere erwartet sich eine Optimierung der Agrarlandschaft als Lebensraum für Wildtiere, ein nächster will effizienter produzieren können. Zu alledem erwartet man von uns Ressourcenschutz, Nachhaltigkeit, rückstandsfreie Lebensmittel. Sie sehen, als LfL arbeiten wir in einem Spannungsfeld, in dem wir auch für widersprüchliche Zielformulierungen Kompromisse finden müssen.
Prof. Dr. Hubert Spiekers:
Irgendwem treten wir sicherlich immer auf die Füße. Wir können es nicht jedem recht machen – aber das wollen wir ja auch gar nicht. Was unsere Arbeit so authentisch und spannend macht, ist, dass wir sehr nah dran sind. Da gibt es über unsere Nähe zur Beratung einen engen Kontakt mit den Landwirten und auch das eigene Erleben durch unsere LfLStälle. Ich beschäftige mich mit Tierernährung und Futterwirtschaft und laufe jeden Tag an einem unserer Ställe mit Milchkühen vorbei. Ich sehe die Tiere. Ich rieche sie. Ich kann sie anfassen. Da fällt es leicht, sich nicht verbiegen zu lassen. Und daraus ergibt sich eine wirklich sehr gute Kommunikation.

Ist es das, was Sie motiviert, jeden Morgen mit frischem Elan ans Werk zu gehen?

Dr. Peter Sutor, Leiter Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte:
Nicht nur das. Uns motiviert, dass die Landwirte über einen freien Marktzugang verfügen und ihre Produkte verkaufen können. Ob „bio“, „geschützte geografische Angaben“ oder andere Produktionsweisen: Wenn die Verbraucher sicher sein können, dass die Erzeugnisse so gekennzeichnet sind, dass sie ihre Auswahl treffen können, dann produzieren die Landwirte nicht am Bedarf vorbei. Treffen sich Angebot und Nachfrage am Markt optimal, kommt auch ein nachvollziehbarer Preis zustande. Tierwohl, Wirtschaft, Umwelt – wir müssen den Blick für das große Ganze haben.

Vor welchen Herausforderungen stehen denn die Landwirte in Zukunft? Wird die LfL rechtzeitig Lösungen anbieten können?

Ulrich Keymer:
Die Emissionen von Treibhaus- beziehungsweise Schadgasen und mögliche Anpassungsmaßnahmen dürften uns mindestens noch während der nächsten zehn Jahre beschäftigen. Hinzu kommt die Frage, wie die wachsende Digitalisierung die Mechanisierung in der Landwirtschaft prägen wird.
Dr. Annette Freibauer:
Über gewisse Mechanismen versuchen wir, Trends abzubilden. Nehmen wir das Beispiel Ökolandbau: Wir laden die Landwirte ein und diskutieren miteinander.
Dr. Helmut Wedekind:
Das gilt auch für den Bereich Fischerei, wo wir engen Kontakt zu den Praktikern halten. Unser Ziel ist eine Produktion, die den gesellschaftlichen Erfordernissen gerecht wird und gleichzeitig den Betrieben eine wirtschaftliche Zukunft ermöglicht. Dazu gehören Themen wie Umweltschutz, aber auch neue rechtliche Entwicklungen.

Darf ich noch einmal um ein konkretes Beispiel bitten?

Dr. Helmut Wedekind:
Naturnahe Teichbewirtschaftung. Man nennt das heute „Ecosystem Services“ für Ökosystemdienstleistungen. Das ist der Anspruch der Gesellschaft an eine intakte Landschaft – in diesem Fall also Gewässerschutz, der Anspruch an Tierwohl und hochwertige Produkte wie frischer, gesunder Fisch.

Was sind weitere Themen, die Sie noch lange beschäftigen werden?

Dr. Georg Wendl:
Digitalisierung ist ein großes Thema. Wie die Vernetzung der Daten, die jetzt schon über entsprechende Sensoren erfasst werden, gewinnbringend umgesetzt werden kann, um beispielsweise Krankheiten früher zu erkennen und die Produktqualität zu steigern – diese Frage wird uns noch lange beschäftigen.
Dr. Holger Friedrich:
"Komfortable Dienste“ ist ein weiteres Stichwort. Ergebnisse, die so aufbereitet sind, dass alle Interessenten sie nutzen und weiter verwerten können. Eine komfortable Arbeitsumgebung für unsere Mitarbeiter. Der Einsatz moderner Technik. Dann können wir das Wissen von unseren 1.446 Mitarbeitern an 27 Standorten intelligent verknüpfen, erfolgreich und effizient zusammenarbeiten.
Dr. Annette Freibauer:
Die Gesellschaft verspricht sich von der Landwirtschaft immer mehr Gemeinwohlleistungen. Diese Fragen beschäftigen uns zwar schon heute, aber sie werden immer drängender. Die geforderten interdisziplinären Ansätze und Lösungen werden automatisch dazu führen, dass wir als Landesanstalt mit allen zentralen Abteilungen und Instituten noch enger als bisher zusammenarbeiten müssen und dies auch tun werden
Ulrich Keymer:
Das Aufgreifen internationaler Tendenzen und deren Transformation auf bayerische Verhältnisse ist ein weiterer wichtiger Zukunftsaspekt. Wir müssen wissen, was in der internationalen Viehzucht geschieht, welche Trends es in anderen Ländern gibt oder welche Merkmale für Züchtungen und Bearbeitungen neu erschlossen werden. Für das nächste Jahrzehnt erwarten uns viele, sehr spannende Aufgaben – sofern man uns die Chance gibt, uns damit beschäftigen zu dürfen.

Warum stellen Sie Ihre eigenen Aufgabenstellungen in Frage?

Dr. Helmut Wedekind:
Materiell sind wir gut ausgestattet. Jedoch stoßen wir aufgrund der Fluktuation im Bereich Drittmittel an unsere Grenzen. Die kontinuierliche personelle Ausstattung ist gefährdet. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob wir die gewünschte permanente fachliche Aktualität und Auskunftsfähigkeit auf Dauer gewährleisten können.
Dr. Michael Elsinger, Leiter Zentrale Verwaltung:
Ein reibungsloses Funktionieren ist verbunden mit Ressourcen, sprich mit der Bereitstellung von Haushaltsmitteln, Stellen, Personal. Das ist in der Forschung zunehmend problematisch. Unsere Wünsche – an die Politik und an unser eigenes Ministerium – wären: Haushaltsmittel für mehr Dauerarbeitsverhältnisse zur Verfügung stellen oder genügend Stellen innerhalb des Ressorts für die Arbeit der Landesanstalt verfügbar machen.

Wenn Sie also drei Wünsche frei hätten, welche würden das sein? Mehr Personal? Mehr Geld?

Dr. Holger Friedrich:
Wir wissen viel. Wir können viel. Wir wollen nach außen kommunizieren, innovativ auftreten, registriert sein. Das geht nicht ohne die entsprechenden Ausgaben.
Dr. Peter Sutor:
Ich wünsche mir, dass wir mehr mit Themen konfrontiert wären, die weniger postfaktisch sind. Dass tatsächlich vorhandene Ergebnisse auch akzeptiert und nicht durch emotionale Meinungen überlagert werden. Wir stellen das Wissen bereit und finden Kompromisse auf der Basis von Tatsachen. Heute wie in der Zukunft.
LfL-Präsident Jakob Opperer:
... und damit verbunden der Wunsch, dass die Ergebnisse unserer Arbeit verstärkt Eingang in Entscheidungen finden!