Was sind Humuszertifikate?

Bodenprobennahme zur Ermittlung des Humusgehaltes

Probenahme mit Stechzylindern, Foto: J. Zimmer

Der Begriff Humus wird als Synonym für die Gesamtheit der abgestorbenen organischen Substanz im Boden verwendet. Humus ist ein komplexes Stoffgemisch pflanzlicher, tierischer und mikrobieller Herkunft, das permanenten Ab- und Umbauprozessen unterliegt. Neben seinem positiven Einfluss auf nahezu alle Bodenfunktionen hat Humus durch seinen hohen Gehalt an organischem Kohlenstoff (Corg) auch eine Bedeutung für das Klima: Während Humusverlust zu CO2-Emissionen führt, wird durch Humusaufbau CO2 aus der Atmosphäre im Boden gespeichert.

In den letzten Jahren haben sich zahlreiche privatwirtschaftliche Initiativen und Unternehmen im Bereich des freiwilligen CO2-Markts etabliert, die sogenannte „Humuszertifikate“ für die Festlegung von Corg vergeben. Die Zertifizierer erfassen Corg-Veränderungen in landwirtschaftlich genutzten Flächen teilnehmender Landwirte, die durch eine veränderte Bewirtschaftung innerhalb eines bestimmten Zeitraums erzielt wurden. Bei einer ermittelten Corg-Mehrung werden entsprechende CO2-Zertifikate ausgestellt, die von Unternehmen oder Privatpersonen erworben werden, um damit deren Emissionen von Treibhausgasen (THG) ganz oder teilweise zu kompensieren. Bei der Vergabe von Humuszertifikaten bestehen allerdings zahlreiche Herausforderungen und Schwierigkeiten hinsichtlich des Nachweises von quantitativen Corg-Veränderungen, der Anerkennung humusfördernder Bewirtschaftungsmaßnahmen und grundsätzlichen Aspekten der Eignung eines Corg-Aufbaus für die Kompensation von THG-Emissionen.

Möglichkeiten und Grenzen

Beitrag zu nachhaltiger Bodennutzung

Die optimale standortspezifische Humusversorgung des Bodens ist ein wesentliches Merkmal seiner Fruchtbarkeit als natürliche Ressource. Sie sichert den Pflanzenertrag und beeinflusst wichtige physikalische, chemische und biologische Eigenschaften sowie den Kohlen- und Stickstoffkreislauf des Bodens. Eine nachhaltige Sicherung der standorttypischen Humusversorgung liegt daher im ureigensten Interesse eines jeden Landwirts und ist darüber hinaus auch wichtiges gesamtgesellschaftliches Anliegen zum Schutz des Bodens (§ 17 BBodSchG). Hierbei können Humuszertifikate einen stimulierenden Beitrag leisten. Zudem fördern Humuszertifikate die gesellschaftliche Wahrnehmung von Humusaufbau in Böden als einen Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz.

Fairness

Das Potential für einen Corg-Aufbau ist umso größer, je niedriger der Corg-Gehalt im Vergleich zu standorttypischen Werten ist. Von einer Zertifizierung des Corg-Aufbaus könnten daher am stärksten jene Landwirte profitieren, deren Management die Corg-Vorräte reduziert hat, während Landwirte, die erfolgreich Corg in ihren Böden aufgebaut haben, wenig oder gar nicht profitieren könnten. Bereits erfolgte Bodenpflege- und Klimaschutzmaßnahmen der letztgenannten Gruppe würden nicht gewürdigt.

Reversibilität/Langfristigkeit

Der positive Effekt des Corg-Aufbaus ist vollständig reversibel. Der Aufbau von Corg ist als Klimaschutzmaßnahme deswegen nur wirksam, wenn die entsprechende CO2-Menge der Atmosphäre dauerhaft entzogen bleibt. Falls Zertifikate genutzt werden, um unvermeidbare Emissionen in anderen Sektoren auszugleichen, müssten sich die Landwirte daher dauerhaft verpflichten, die humusfördernde Bewirtschaftung beizubehalten. Corg-Verluste können aber auch durch externe Einflüsse, wie den Klimawandel, erfolgen. Auch ein noch nicht erreichtes Gleichgewicht unter Ackernutzung, z.B. nach vorangegangenem Grünlandumbruch, kann noch jahrzehntelang zu Humusverlusten führen. Humusfördernde Maßnahmen führen daher nicht immer zu einer messbaren Corg-Zunahme.

Stickstoffemissionen

Bei einer sehr hohen Humusversorgung über standorttypische Werte hinaus und den damit einhergehenden hohen Umsatzraten kann es an manchen Standorten zu einem Überschuss an mineralischem Stickstoff kommen, sodass negative Folgen für die Umwelt in Form von erhöhten N2O-Emissionen und/oder Nitratausträgen nicht auszuschließen sind. Dieser Aspekt ist insbesondere in nitratbelasteten Gebieten zu beachten.

Zusätzlichkeit

Kompensationen von THG-Emissionen müssen das Kriterium der Zusätzlichkeit erfüllen. Humusfördernde Bewirtschaftungsweisen, die im Rahmen der guten fachlichen Praxis (§ 17 BBodSchG) ohnehin erfolgen sollten, stellen daher streng genommen keine extra zu finanzierenden Kompensationsmaßnahmen dar. Der Aufbau von Corg sollte durch Maßnahmen erfolgen, die allein über die Zertifikate motiviert sind.

Verschiebungseffekte

Nimmt nur ein Teil der Betriebe in einer Region oder ein Teil der Flächen in einem Betrieb an Programmen zum zertifizierten Humusaufbau teil, besteht die Gefahr, dass humusaufbauende Maßnahmen auf diese Flächen konzentriert werden, jedoch auf den übrigen Flächen reduziert werden. Bleibt dadurch der gesamte Corg-Vorrat im Betrieb oder in der Region gleich, ist keine positive Klimawirkung zu erwarten. Zudem können Maßnahmen, die die landwirtschaftliche Produktivität senken, zu indirekten Landnutzungsänderungen in anderen Regionen beitragen und somit die Gesamt-Bilanz negativ beeinflussen.

Trade-Offs

Humusfördernde Maßnahmen können negative Auswirkungen auf andere Schutzgüter haben (sog. Trade-Offs), die für eine Gesamtbewertung berücksichtigt werden sollten. Neben den Stickstoffemissionen ist der größte Trade-Off unter derzeitigen Marktbedingungen die zumindest kurzfristig verringerte Wirtschaftlichkeit. Genau hier können Zertifikate ansetzen.

Methodische Anforderungen

Probenahme

Da die Vergabe von Humuszertifikaten eine quantitative Erfassung von Corg-Veränderungen erfordert, müssen Corg-Vorräte (Einheit kg m-2 bzw. t ha-1) ermittelt werden. Dies erfordert eine Bestimmung des Corg-Gehalts, der Lagerungsdichte (Trockenrohdichte) und des Steinanteils (Skelettanteil >2 mm) mittels einer repräsentativen Beprobung der Fläche. Die Probenahme sollte im Frühjahr vor einer Bodenbearbeitung und Düngung oder im Herbst erfolgen. Bei bereits erfolgter Bodenbearbeitung oder Düngung ist unbedingt ein großer zeitlicher Abstand (mindestens 6 Wochen) einzuhalten, da sonst die Ergebnisse der Bestimmung der Lagerungsdichte und der Corg-Gehalte verfälscht werden. Die Beprobungstiefe sollte sich in Ackerböden an der Bodenbearbeitungstiefe orientieren. Diese Tiefe muss auch bei einer Umstellung auf reduzierte Bodenbearbeitungssysteme mit verringerten Bearbeitungstiefen eingehalten werden, da es ansonsten zu einer Fehlinterpretation der Ergebnisse kommen kann.

Bestimmung des Corg-Vorrats

Der Corg-Gehalt (Masse-% oder mg g-1) der Probe wird am Feinboden (<2 mm Partikelgröße nach Siebung) bestimmt. Er ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Gesamt-C und dem Carbonat-C des Feinbodens. Der Gesamt-C wird hierfür mittels Verbrennung in C/N-Analysegeräten bestimmt. Der Carbonat-C wird meist gasvolumetrisch bestimmt. Die Bestimmung der Lagerungsdichte erfolgt üblicherweise als ungestörte Probe mittels Stechzylindern oder anderen geeigneten Probenahmegeräten. Der Steinanteil der Probe sollte bei mengenmäßig bedeutsamen Anteilen (> 5 Vol-%) anhand der entnommenen Proben ermittelt werden. Der Corg-Vorrat wird aus dem Corg-Gehalt des Feinbodens (mg g-1), der Lagerungsdichte (LD, g cm-3), der Beprobungstiefe (T, cm) sowie dem Steinanteil (S, mg g-1) berechnet:

Formel zur Berechung des Kohlenstoffvorrats

Eine Abschätzung der Lagerungsdichte aus Pedotransferfunktionen kann fehlerbehaftet sein und sollte deshalb unterbleiben. Das zusätzlich im Boden gespeichert Corg kann mit dem Faktor 3,67 in CO2-Äquivalente umgerechnet werden. Bei der Ermittlung der festgelegten CO2-Mengen sollten THG-Emissionen, die im Zuge humusaufbauender Maßnahmen entstehen (z.B. zusätzlicher Treibstoffverbrauch) berücksichtigt werden.

Hinweise zu Probenahme und Messunsicherheiten

Um Veränderungen im Corg-Vorrat des Bodens über die Zeit erfassen zu können, sind Wiederholungsbeprobungen erforderlich. Aufgrund der hohen räumlichen Heterogenität von Corg-Vorräten müssen die initialen Probenahmepunkte exakt erfasst und bei möglichst identischen Feldbedingungen wieder beprobt werden. Da sich Veränderungen im Corg-Vorrat nur langsam einstellen, wird eine Wiederbeprobung frühestens nach 3-5 Jahren als sinnvoll erachtet. Hinzu kommt, dass sich Messunsicherheiten bei der Laboranalyse der Proben nicht vollständig ausschließen lassen. Dies beinhaltet z.B. Schwankungen im Messvorgang oder eine Streuung der Messwerte eines Schlages aufgrund der Heterogenität von Böden. Diese Unsicherheiten lassen sich zwar durch Messwiederholungen oder Mischproben minimieren, dennoch ist es wichtig, einen tatsächlichen Anstieg der Corg-Vorräte von natürlichen Schwankungen oder zufälligen Messfehlern zu unterscheiden.

Ein Rechenbeispiel

Bereits bei einer niedrigen analytischen Messunsicherheit von ±0,1% Corg müssen in einem Ackerboden mit einer Lagerungsdichte von 1,4 g cm-3 in 0-30 cm Tiefe mindestens 4,2 t Corg ha-1 akkumuliert werden, damit eine Humusmehrung aus der Schwankungsbreite heraustreten kann. Daher kann ein Corg-Trend erst nach langjähriger Betrachtungsweise einigermaßen sicher erkannt werden. Um Trends hinreichend genau statistisch abzusichern, müssen über den betrachteten Zeitraum hinweg mindestens drei, vorzugsweise eher fünf Messungen vorliegen.

Maßnahmen zum Humusaufbau

Folgende Maßnahmen können zu einer C-Sequestrierung in landwirtschaftlich genutzten Böden beitragen:
  • Fruchtfolgegestaltung
  • Zwischenfruchtanbau
  • Mischkultursysteme und Untersaaten
  • Verzicht auf Brachen ohne aktive Begrünung
  • Anbau mehrjähriger Kulturarten (z.B. Dauerkulturen, Ackergras, Klee/Luzerne/-gras, Energiepflanzen)
  • Management von Koppelprodukten (z.B. Strohdüngung)
  • Landnutzungsänderungen (z.B. Acker- zu Grünland)
  • Agroforstsysteme
Die zu erwartenden jährlichen Corg-Aufbauraten (C-Sequestrierungsraten) dieser Maßnahmen sind stets standortabhängig zu bewerten. Sie können deutlich positive Effekte generieren oder aber auch wirkungslos sein. Sie bewegen sich bei langjähriger Betrachtung im Bereich von etwa 0 bis 0,7 t C ha-1 a-1, was einer CO2-Menge von 0 bis 2,6 t CO2 ha-1 a-1 entspricht (West & Post, 2002; Poeplau et al., 2011; Poeplau & Don, 2015; De Stefano & Jacobson, 2018).

Organische Düngung

Die organische Düngung in Form von Stallmist, Gülle, Gärresten oder Kompost stellt eine zentrale Komponente eines ausgeglichenen Humushaushalts und einer nachhaltigen Bodennutzung im Sinne des Nährstoffrecyclings dar. Sie kann den Einsatz von Mineraldüngern, deren Herstellung sehr energieintensiv ist, reduzieren. Eine Nutzung externer Kohlenstoffquellen für den Corg-Aufbau stellt allerdings keinen Beitrag zum Klimaschutz dar und sollte auch nicht als solcher zertifiziert werden, da Corg lediglich räumlich verlagert wird, sofern die Gesamtmenge an organischen Düngern unverändert bleibt (s. Verschiebungseffekte).

Reduzierte Bodenbearbeitung

Reduzierte Bodenbearbeitung ist eine wichtige Maßnahme zur Vorsorge gegen Bodenerosion und kann u.a. Vorteile hinsichtlich Infiltration, Aggregatstabilität und Makrofauna des Bodens haben. In der Regel wird jedoch keine Humusmehrung, sondern lediglich eine vertikale Umverteilung von Corg im Oberboden erreicht.
Ein möglicher Beitrag von Pflanzen- bzw. Biokohlen zum Humusaufbau ist stark von deren chemisch-physikalischen Eigenschaften abhängig und kann pauschal nicht empfohlen werden. Zudem handelt es sich meistens um externe Kohlenstoffquellen, deren Einsatz möglicherweise nur zu einer Umverteilung von Corg führt.

Weitere Informationen

Angesichts der Einschränkungen und Herausforderungen sollten Landwirte bereits im Vorfeld hinsichtlich der zu erwartenden Effektivität landwirtschaftlicher Maßnahmen für den Corg-Aufbau intensiv beraten werden.
Die Informationen zu Humuszertifikaten sind dem Flyer „Grundsätze der Humuswirtschaft – Humuszertifikate“ des Verbunds der Landesanstalten und Landesämter für Landwirtschaft entnommen. Weitere Informationen zu Humuszertifikaten sowie Literaturhinweise finden sich in der Veröffentlichung "CO2-Zertifikate für die Festlegung atmosphärischen Kohlenstoffs in Böden: Methoden, Maßnahmen und Grenzen“ des BonaRes-Zentrums für Bodenforschung .