Artenanreicherung im Wirtschaftsgrünland: Ein Leitfaden für die Praxis

Wiese

Wiesen gehören zu den weltweit artenreichsten Lebensräumen mit buntblühenden Wie-senblumen, Schmetterlingen, Hummeln und zahlreichen anderen Insekten. Eine hohe Schnitthäufigkeit (mehr als drei Schnitte) und hohe Düngergaben führen dazu, dass nur wenige schnittverträgliche und konkurrenzstarke Pflanzenarten überleben können. In Bay-ern ist noch etwa ein Fünftel des genutzten Grünlandes artenreich mit mindestens 25 Arten/25 m². Auch wenn die intensive Nutzung endet, kehren die Wiesenarten häufig nach Jahren nicht zurück, weil sie weder als Samen im Boden vorhanden sind noch aus der direkten Umgebung einwandern können.

Artenanreicherung im Wirtschaftsgrünland

Dieser Leitfaden wurde im Rahmen des Projektes „Transfer – Artenanreicherung im Wirtschaftsgrünland“, das von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) gefördert wurde, in Zusammenarbeit mit den Projektlandwirten erstellt. Im Zentrum stehen die einzelnen Arbeitsschritte und Geräte, die für eine Artenanreicherung durch Mahdgutübertragung oder Ansaat notwendig sind. Die unterschiedlichen Betriebe, die am Projekt beteiligt waren, dienen oft als Beispiel für verschiedene Möglichkeiten, einen Arbeitsschritt durchzuführen. Die Informationen zu Voraussetzungen, Durchführung, Arbeitszeiten, Kosten und Erfolg in dieser Broschüre sollen Landwirten die Möglichkeit geben, sich für oder gegen eine Maßnahme zu entscheiden und eine Artenanreicherung eigenständig mit landwirtschaftlichen Geräten durchzuführen.
Zur Artenanreicherung auf artenarmem, wenig intensiv genutztem Grünland eignen sich Kräuter und Gräser, die lokal vorkommen und an die regionalen Standortbedingungen von Boden und Klima angepasst sind. Samen sollten am besten aus der Umgebung stammen oder zumindest als regionales Saatgut vermehrt worden sein.
Um Arten aus regionaler oder sogar lokaler Herkunft anzusiedeln, kommen verschiedene Methoden in Betracht. Eine Möglichkeit ist es, frisches Schnittgut einer artenreichen Wiese (Spenderfläche) auszubringen. Auf dem vorbereiteten Saatbett wird das frische Mahdgut ausgebreitet. Während des Trocknens fallen die enthaltenen Samen aus und keimen. Neue Arten siedeln sich so auf der Empfängerfläche an.
Auch die Ansaat mit regional produziertem Saatgut ist möglich, bedeutet aber meist, dass die Arten nicht aus der direkten Umgebung stammen und oft nicht alle gewünschten Arten als regionales Saatgut verfügbar sind. Auch entstehen erhebliche Kosten für das Saatgut
Daneben gibt es Methoden, bei denen Samen auf artenreichen Wiesen mit Auskämmen oder Dreschen geerntet werden. Sie kommen z. B. bei der Anlage von Ausgleichsflächen für Baumaßnahmen zum Einsatz, erfordern aber Spezialmaschinen. Teilweise werden auch verschiedene Verfahren kombiniert, um das Ergebnis zu optimieren.

Wie sieht eine Empfängerfläche aus?

Eine Wiese, die mit Wiesenblumen angereichert werden soll, sollte

  • bereits wenig intensiv genutzt werden (Schnittzahl höchstens 3),
  • nicht zu intensiv gedüngt werden (nach Möglichkeit schon seit längerer Zeit),
  • sie sollte artenarm sein,
  • es sollten keine besonders seltenen Arten vorkommen und
  • keine Auflagen oder Förderungen auf der Fläche haben, die gegen eine Artenanreicherung sprechen.
  • Wiesenunkräuter wie Ampfer oder Kreuzkraut sollten nicht in großen Mengenvorkommen. Durch die Öffnung des Bodens könnte eine Vermehrung z. B. aus der Samenbank gefördert werden.
Bei intensiv gedüngten Flächen oder Äckern, die in Grünland umgewandelt werden, sollte eine Aushagerung durch Ernten ohne Düngung in Betracht gezogen werden. Das hohe Nährstoffangebot begünstigt schnellwachsende konkurrenzstarke Arten wie z.B. Ampfer oder Rainfarn, erhöht den Aufwand der Unkrautregulierung stark und kann den Erfolg der Artenanreicherung gefährden. Für die Anlage von zeitlich begrenzten Beständen z.B. auf Äckern, wenn der Ackerstatus erhalten bleiben soll, sind Aufwand bzw. die Saatgutkosten sehr hoch. Nur wenn eine wenig intensive Grünlandnutzung auch langfristig nach der Artenanreicherung fortgeführt wird, wird die Maßnahme dauerhaft erfolgreich sein.
Sinnvoll ist eine Artenanreicherung nur, wenn der Ausgangsbestand artenarm ist. Artenarme Flächen tragen nur wenige blühende Kräuter. Ein Blühaspekt mit mehr als zwei Farben auf einmal kommt selten vor (vgl. Abb. 3). Zur Beurteilung des Artenreichtums können auch die Kennarten des artenreichen Grünlandes herangezogen werden: kommen vier oder mehr Kennarten vor, d.h. die Fläche könnte eine Förderung nach KULAP oder VNP erhalten, ist eine Artenanreicherung nicht sinnvoll.

Artenreiches Grünland: Ergebnisorientierte Grünlandnutzung – Bestimmungshilfe (LfL-Information)

Da inzwischen auch das Beseitigen der Grasnarbe zur Grünlanderneuerung unter "Umwandlung von Dauergrünland" fällt, muss von landwirtschaftlichen Betrieben, die Direktzahlungen beantragen und von den Greeningauflagen nicht befreit sind, vor der Bearbeitung der Grasnarbe ein Antrag beim zuständigen Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gestellt und genehmigt werden (Stand 30.3.2018). Dabei werden auch gleich bestehende Auflagen oder Förderungen abgefragt, bei denen die notwendige Öffnung der Grasnarbe einen Verstoß darstellt. Hier sollte man sich unbedingt nach den aktuellen Regelungen erkundigen, um spätere Probleme zu vermeiden. Eine Artenanreicherung sollte prinzipiell wie eine Grünlanderneuerung mit Neuanlage von Dauergrünland auf der Umwandlungsfläche behandelt werden.

Warum nur Teilflächen mit Arten anreichern?

Eine Artenanreicherung nur auf einzelnen Streifen der jeweiligen Grünlandflächen und nicht auf der gesamten Fläche durchzuführen hat einige Vorteile:

  • Bereits vorhandene, heimische Arten werden dadurch mit übertragenen Arten kombiniert. Die angesiedelten Arten sollen in den Folgejahren aus den Streifen in die restliche Fläche einwandern.
  • Besserer Schutz vor Erosion als großflächige Maßnahmen, da nur ein Teil des Bodens geöffnet wird.
  • Der Ertragsausfall bei den Folgeschnitten ist hierbei besser zu kompensieren, da nur auf der Streifenfläche auf den 2. Schnitt verzichtet werden muss.
  • Für eine Mahdgutübertragung wird weniger Material benötigt, so reicht eine kleinere Spenderfläche aus.
  • Bei einer Ansaat wird weniger Saatgut benötigt, wodurch Kosten gespart werden.
Bis neue Arten die ganze Fläche besiedelt haben dauert es allerdings einige Jahre

Luftbild

Lage der Mahdgutstreifen auf einer Projektfläche bei Bayreuth. Der rote Pfeil gibt die übliche Bewirtschaftungsrichtung an.
In der Summe sollten die Streifen ca. 25 % der anzureichernden Fläche ergeben (0,25 ha Streifenfläche bei 1 ha Schlaggröße) und quer zur üblichen Bewirtschaftungsrichtung angelegt werden. Den übertragenen Arten wird hierdurch das Ansiedeln außerhalb der Streifen erleichtert, weil Pflanzenteile und Samen mit Maschinen verschleppt werden.
Die Streifenbreite und auch die Breite der Flächen zwischen den Streifen werden am besten nach den Arbeitsbreiten im Betrieb z.B. von Mähwerk oder Heuwender ausgerichtet. Die Flächen zwischen den Streifen sollen erreichbar bleiben, so dass eine Mahd ohne Befahren der Streifenflächen möglich ist. Auch genug Platz zum Wenden sollte eingeplant werden.

Schritte einer Mahdgutübertragung

Schritte einer Ansaat

Eine weitere Möglichkeit der Artenanreicherung im Wirtschaftsgrünland stellt die partielle Neuansaat dar. Insbesondere wenn sich keine geeigneten Spenderflächen in der Umgebung befinden, ist die Ansaat mit artenreichem Saatgut eine gute Alternative zur Mahdgutübertragung.

Grafik

Was kostet eine Artenanreicherung?

Die Maßnahmen zur Artenanreicherung einer Grünlandfläche stellen für den Landwirt ei-ne außergewöhnliche Kostenposition dar. Aus diesem Grund wurden im Zuge des Projekts "Transfer" die Kosten der Mahdgutübertragungen bzw. Ansaaten der jeweiligen Betriebe ermittelt. In der Kostenkalkulation sind die variablen Kosten für Schlepper und Anbaugeräte (= Kosten für Betriebsstoffe/-mittel + Reparaturkosten) als auch die entstandenen Personalkosten enthalten. Die Personalkosten beinhalten sowohl die Arbeitsstunden des Landwirts als auch des benötigten zusätzlichen Personals (Entlohnung jeweils 15 €/Stunde).
Des Weiteren wurden außerordentliche Kosten für Dienstleistungen bzw. Fremdarbeiten wie den Mahdguttransport über den örtlichen Maschinenring oder die Bodenbearbeitung durch einen Lohnunternehmer mit einbezogen. Auch die Anschaffungskosten für Saatgut bzw. Entschädigungszahlungen (sofern getätigt) an die Spenderflächenbesitzer/-bewirtschafter für geerntetes Mahdgut sind in die Kostenrechnung mit ein-geflossen. Da sich die Anreicherungsmaßnahmen stets auf die gesamte Projektfläche beziehen, wurden alle Kostenpositionen stets auf die komplette Empfängerfläche umgerechnet. Die Angaben in €/ha beziehen sich also nicht auf die tatsächlich bearbeitete Streifenfläche, sondern auf die Projektfläche inklusive der Streifenzwischenräume.
Dies kann damit begründet werden, dass die übertragenen/angesäten Arten im Laufe der Jahre aus den Streifen in die gesamte Fläche wandern sollen. Mit z. B. 0,25 ha Streifenfläche sollen auf Dauer 1 ha Fläche mit blühenden Arten angereichert werden. Somit können die Kosten auch auf die gesamte Fläche hochgerechnet werden. Die Grafik zeigt die Ergebnisse der Kostenrechnungen für die einzelnen Projektbetriebe (alle Werte zzgl. Steuer).
Die Grafik verdeutlicht, dass die Gesamtkosten für die durchgeführten Artenanreicherungen relativ stark schwanken. Diese Schwankungen sind auf die unterschiedlichen Strategien, Maschinenausstattungen, Mahdgut-/Saatgutkosten sowie auch auf die Entfernungen zu den Spenderflächen zurückzuführen (bei Mahdgutübertragungen). So fielen z. B. bei Betrieb 2 außerordentlich hohe Kosten bei der Bodenbearbeitung an, da hier ein Lohnunternehmer mit einem Forstmulcher beauftragt wurde. Auch Betrieb 6 hat die Bodenbearbeitung an einen Lohnunternehmer übergeben. Grundsätzlich fallen durch Lohnunternehmer bzw. über den Maschinenring beauftragte Fremdfahrzeuge stets höhere Kosten an als bei einer Eigenmechanisierung. So sind auch bei Betrieb 3 die Gesamtkosten relativ hoch, da hier der Ladewagen inkl. Schlepper und Fahrer über den Maschinenring organisiert wurden. Zudem waren hier (wie auch bei Betrieb 2) relativ weite Strecken zu den Spenderflächen zurückzulegen (bis zu 20 km). Die übrigen Projektbetriebe haben die Bodenbearbeitung selbst mit am Betrieb vorhandenen bzw. günstig geliehenen Geräten durchgeführt. Bei Betrieb 6 waren aufgrund der steilen Hanglage einer Spenderfläche mehrere zusätzliche Arbeitskräfte für Handarbeiten bei der Mahdgutübertragung nötig (z. B. Schwaden). Der oben stehenden Grafik ist zudem zu entnehmen, dass auch die Entschädigungszahlungen an die Spenderflächenbesitzer einen großen Einfluss auf die Gesamtkosten haben. Ist das Mahdgut kostenlos und liegen die Spenderflächen im näheren Umkreis der Empfängerfläche, kann eine Mahdgutübertragung kostengünstiger als eine Ansaat sein (siehe Betrieb 1 und 5).
In den Berechnungen sind die Ertragsausfälle durch die Streifenanlage beim ersten Schnitt nach der Maßnahme nicht berücksichtigt. Hierzu ist anzumerken, dass die Ertragsausfälle bei einer Ansaat höher sind als bei einer Mahdgutübertragung, da bei einer Ansaat der ertragsstärkere 1. Schnitt auf der Streifenfläche wegfällt.

Erfahrungen zu Mahdgutübertragung und Ansaat im Projekt Transfer

Bereits im September des Übertragungsjahres waren zahlreiche Keimlinge von Wiesenblumen auf den Streifen zu finden. Vor dem Winter hatte sich in den Streifen wieder eine fast geschlossene Grasnarbe gebildet.
Die Artenzahl konnte auf allen Projektflächen erhöht werden. Im zweiten Jahr nach der Mahdgutübertragung konnten zwischen 14 und 26 von der Spenderfläche übertragene Arten auf der Empfängerfläche nachgewiesen werden, die nicht im Ausgangsbestand vorhanden waren. Zusätzlich kamen spontan weitere Arten neu auf der Fläche vor, bei denen es sich meist um kurzlebige Ackerarten (Spontanarten) handelte.
Auf der 2016 (Betrieb 4) angesäten Fläche konnten sich zwei Jahre nach der Saat 31 der 34 Arten etablieren. Die Artenzahl erhöhte sich von 42 Arten vor der Ansaat auf 62 Arten im ersten Jahr danach. Auf der im April 2017 angesäten Fläche konnten im folgenden Jahr 24 der 31 Arten der Saatmischung in den Streifen gefunden werden.
Im zweiten Jahr konnten Jungpflanzen z.B. von Margerite, Hornklee, Wiesenpippau und Flockenblume bereits außerhalb der Streifen gefunden werden.
Bei der Artenanreicherung von Grasland-Naturschutzflächen werden Etablierungs- bzw. Übertragungsraten zwischen 74% und 100% bei Ansaat bzw. 14% und 90% bei Mahdgutübertragung erreicht. Die Mindestangaben von einer Anreicherung um vier bis sechs Arten konnten im Projekt Transfer bei allen Mahdgutübertragungen übertroffen werden. Oft wird besonders für die ersten fünf bis sieben Jahre nach der Mahdgutübertragung ein weiterer Anstieg der Anzahl von übertragenen Arten beschrieben. Nach mehreren Jahren konnten auf Grünland, das hinsichtlich der Nährstoffversorgung mit unseren Projektflächen vergleichbar ist, über 30 übertragene Arten gefunden werden.

Bewirtschaftung in den Folgejahren

Bei einer Artenanreicherung gibt es auch in den Jahren nach der jeweiligen Maßnahmenumsetzung (egal ob Ansaat oder Mahdgutübertragung) ein paar Dinge zu beachten. Damit sich übertragene Arten etablieren können, sollte darauf geachtet werden, den ersten Schnitt nicht jedes Jahr vor dem Abblühen der meisten erwünschten Arten durchzuführen. Man kann sich hierbei stets am Vegetationszustand von Arten wie Margerite oder Witwenblume orientieren. Befindet sich auch die letzte Art zumindest am Beginn der Samen-reife, kann gemäht werden. Flockenblumen kommen oft auch im zweiten Aufwuchs noch einmal zur Blüte.
Sofern es Standort und Witterung zulassen, sollte zudem ein zweiter Schnitt von den Flächen abgefahren werden, damit das Grünland nicht zu üppig in den Winter geht. Ein zweiter Schnitt von wüchsigen Beständen ohne Abfuhr (z.B. mit dem Mulcher) ist nicht zu empfehlen, da hierbei durch die dichte Streu am Boden wieder Wiesenarten aus der Fläche verdrängt werden. In den Folgejahren gilt es zudem, nicht die Geduld zu verlieren. So ist vielleicht in den ersten Jahren nach einer Mahdgutübertragung auf den ersten Blick noch kein großartiger Effekt zu erkennen. Bei der richtigen Bewirtschaftung gelingt es jedoch, im Laufe der Jahre den gewünschten Zielbestand zu erreichen.