Forschungs- und Innovationsprojekt
Arterfassung in den Wildlebensraum-Modellgebiete

Malaisefalle im WL-Modellgebiet Buch am Erlbach

Erfassung der Entwicklung in den Wildlebensraum-Modellgebieten/-projekten

Die Aufgabe der Wildlebensraumberatung wird seit 2021 an jedem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) wahrgenommen. Im Rahmen dieser Aufgabe soll jeweils ein Wildlebensraum-Modellgebiet/ Modellprojekt (WL-Modellgebiet) im Dienstgebiet des AELF entstehen, in dem Maßnahmen zur Verbesserung der Artenvielfalt beispielhaft umgesetzt werden. Um zunächst den Ausgangszustand und dann die Entwicklung der Artenvielfalt in den WL-Modellgebieten / Modellprojekten zu dokumentieren, werden seit 2023 ausgewählte Vogelarten, Tagfalter und Kennarten der Acker und Grünlandvegetation in allen WL-Modellgebieten erfasst. Mit der Erfassung des Feldhasenbestandes wurde in einigen Gebieten bereits im Herbst/Winter 2022/23 begonnen. In acht ausgewählten, ackerbaulich geprägten Gebieten werden weitere Insektengruppen erfasst.

Ziel

Zum Konzept der WL-Modellgebiete/Modellprojekte gehört es, die Entwicklungen zu dokumentieren und Zusammenhänge zwischen Maßnahmen und Wirkung darzustellen. Als Ergänzung der Struktur- und Nutzungsanalyse der Wildlebensraumberatung an den AELF werden ausgewählte Beispielsarten regelmäßig beobachtet. Ausgewählt wurden typische Arten der offenen Agrarlandschaft, die unterschiedliche Lebensraumansprüche und Skalenebenen widerspiegeln, so dass sich ein umfassendes Bild der Artenvielfalt im WL-Modellgebiet ergibt. Die Erfassung der Arten nach Standardmethoden ermöglicht es sowohl den Ist-Zustand zu dokumentieren als auch in einer Zeitreihe die Entwicklung der Gebiete zu belegen. Mit Hilfe der Daten kann der Wildlebensraum gezielt verbessert werden. Auch in der Kommunikation vor Ort mit den Landwirtinnen und Landwirten, den Gemeinden und anderen Beteiligten kann die Liste der vorhandenen Arten und auch die Entwicklung direkt eingesetzt werden.

Methode

In den Modellgebieten werden seit 2023 ausgewählte Vogelarten, die Tagfalter und Kennarten der Acker und Grünlandvegetation erfasst. Im Jahr 2024 nehmen 19 WL-Modellgebiete/ -projekte am Monitoring teil. Mit der Erfassung des Feldhasenbestandes wurde in einigen Gebieten bereits im Herbst/Winter 2022/23 begonnen. In acht ausgewählten, ackerbaulich geprägten Gebieten werden weitere Insektengruppen erfasst. Die Erfassung der Arten / Artengruppen wird jeweils nach allgemeinen Standards, teilweise leicht angepasst durchgeführt. Das ermöglicht Vergleiche mit großräumigeren Erfassungen z.B. dem Tagfaltermonitoring Deutschland oder dem "Monitoring häufiger Brutvögel" (MhB) des Dachverbands Deutscher Avifaunisten.

Erfassung der Brutvögel

Erfassung der Brutvögel

Feldlerche sitzt auf einem Feld

Feldlerche, Foto R. Martin

Der Bestand sechzehn (2025 siebzehn) ausgewählter Brutvogelarten und aller Arten der Roten Liste der Vögel Bayerns (Gefährdungsgrade 0-V, inkl. R) wird eng angelehnt an die standardisierte Methode für das „Monitoring häufiger Brutvögel (MhB)“ des DDA mit einer Transektkartierung erfasst. In jedem WL-Modellgebiet wurde dafür v.a. auf Wegen/Straßen in der offenen Kulturlandschaft ein für das Gebiet typisches Transekt von 4 km Länge festgelegt. Pro Saison finden vier Begehungen in den frühen Morgenstunden (Beginn um/kurz nach Sonnenaufgang) und bei geeigneter Witterung (niederschlagsfrei, Wind < 4 Bft.) statt. Begonnen wird immer an demselben Startpunkt, gegangen wird immer in dieselbe Richtung. Dabei wird zwischen zwei Begehungsterminen ein mindestens einwöchiger Abstand eingehalten (Begehungstermine: 1. 10.3.-31.3., 2. 1.4.-30.4., 3. 1.5.-20.5., 4. 21.5. – 20.6.). Alle Beobachtungen werden auf allen Begehungen punktgenau aufgezeichnet. Im Anschluss an die Begehungen wird für jede Art getrennt ausgewertet, wie viele Reviere entlang der Route besetzt waren. Daraus ergibt sich als Ergebnis eine Revierkarte und eine Revierliste. Die Auswertung folgt dabei Südbeck et al. 2005: Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell 778 S.

Merkblatt „Von der Tageskarte zum Kartierergebnis im MhB“ mit den Wertungszeiträumen Externer Link

Erfassung der Tagfalter

Erfassung der Tagfalter

Großes Ochsenauge (Tagfalter)

Großes Ochsenauge (Maniola jurtina), Foto: S. Heinz

Die Tagfaltererfassungen wird als Transektkartierungen eng angelehnt an das Vorgehen beim „Tagfaltermonitoring Deutschland (TMD)“ des UfZ durchgeführt. In jedem WL-Modellgebiet wurde dafür v.a. entlang von Feld- und Graswegen in der offenen Kulturlandschaft zwei bis drei für das Gebiet typische Transekte mit einer Gesamtlänge von 1500 m festgelegt. Die Transekte werden in Abschnitte von je 100 m Länge unterteilt und fünf Mal im Jahr von ca. Anfang Mai bis Ende August (1x Vollfrühlings Aspekt, 1x Frühsommer Aspekt, 2x Hochsommeraspekt, 1x Spätsommeraspekt) bei geeigneter Witterung erfasst. Für die Zählung werden die Transekte in einem langsamen und gleichmäßigen Tempo abgeschritten und alle Tagfalter und auch tagaktive Widderchen registriert, die bis etwa 2,5 m rechts und links der zentralen Transektlinie sowie 5 m davor und darüber zu sehen sind. Um Doppelzählungen möglichst auszuschließen, werden nur die Falter gezählt, die vor einem fliegen. Ein Abschnitt von 100 m wird in ca. 10 Minuten durchschritten. Individuen, die nicht sofort erkannt werden, werden gekeschert und nach der Bestimmung gleich wieder freigelassen. Arten, die im Freiland nicht unterschieden werden können, werden als Artkomplex angegeben. Zu jeder Begehung wird das Datum und die Uhrzeit zu Beginn und Ende der Begehung erfasst. Auch die Witterungsbedingungen werden dokumentiert.

Tagfalter-Monitoring Deutschland (TMD) Externer Link

Erfassung der Vegetation auf den Äckern und im Grünland

Erfassung der Vegetation auf den Äckern und im Grünland

Bocksbart, Salbei, Klappertopf und Rotklee auf der Siegerwiese von Familie Grenzebach.

Bocksbart, Salbei, Klappertopf und Rotklee, foto: S. Heinz

In jedem WL-Modellgebiet werden auf jeweils 30 zufällig ausgewählten Äckern bzw. Grünlandflächen die Arten einer vorgegebenen Liste erfasst. Je nach Verteilung von Acker und Grünland im Modellgebiet wird die Anzahl teilweise leicht angepasst. Vor der Erfassung wird die Zustimmung des Bewirtschafters zum Betreten der Fläche eingeholt.
Auf jeder der ausgewählten Ackerflächen je Modellgebiet werden die Arten der Liste sowie alle Arten der aktuellen Roten Liste Bayern (Kategorie V,3,2,1) auf zwei Transekten in je fünf Abschnitten erfasst. Ein Transekt wird entlang des Feldrandes gelegt, das zweite Transekt wird in einer Fahrspur in der Mitte des Ackers platziert. Die Gesamtlänge jeden Transektes wird in fünf gleiche Abschnitte aufgeteilt und je Abschnitt die ersten 5 m erfasst. Zusätzlich werden die drei dominantesten Arten mit Angabe des Deckungsanteils notiert. Die Aufnahmen werden je nach Kultur zu geeigneten Zeitpunkten durchgeführt.
Auf jeder der ausgewählten Grünlandflächen werden die Arten der Liste auf zwei Transekten in je zwei Abschnitten erfasst. Im Falle von Artengruppen werden die tatsächlich vorkommenden Arten vermerkt. Die Transekte entsprechen den beiden längsten Geraden durch die Fläche, bei rechteckigen Formen den beiden Diagonalen der Fläche. Am Anfang und Ende jedes Transekts werden jeweils 5 m Randbereich nicht berücksichtigt. Abzüglich des Randes wird jedes Transekt in zwei gleichlange Abschnitte unterteilt und die Arten für jeden Abschnitt auf einem ca. 2 m breiten Streifen erfasst. Zusätzlich zu den Arten der Liste werden die Gesamtdeckung, der Anteil von Gräsern, Sauergräsern, Kräutern und Leguminosen und die Hauptbestandsbildner (bis zu 3 Arten) mit Deckungsanteilen vermerkt.

Erfassung der Feldhasen

Erfassung der Feldhasen

Sitzender Feldhase in einem Kornfeld
Die Erfassung der Feldhasen folgt der Standardmethode der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (Voigt und Strauß 2007). Erfasst wird der Herbstbesatz der Feldhasen mit zwei Zählungen im Abstand von circa vier Tagen. Die Zählungen beginnen etwa 90 Minuten nach Sonnenuntergang. Für jedes WL-Modellgebiet wird dazu entlang des Fahrwegenetzes eine Fahrtstrecke (Transekt) von ca. 12 bis 15 km Länge festgelegt, so dass eine Taxationsfläche (ausgeleuchteter Bereich, 150 m vom Wegrand, rechts der Fahrtrichtung, abzüglich nicht einsehbarer Bereiche) von mindestens 200 ha ausgewiesen werden kann. Die festgelegte Strecke wird mit zwei Personen in einem PKW mit gleichmäßigem, langsamen Tempo abgefahren (ca. 20 km/h). Dabei leuchtet der Beifahrer/die Beifahrerin im rechten Winkel zur rechten Seite aus dem Fahrzeug. Gezählt werden alle Feldhasen, die innerhalb der Taxationsfläche im Scheinwerferbereich mit bloßem Auge erkannt werden. Nur in Zweifelsfällen wird ein Fernglas zur Identifikation der Tierart verwendet.

Erfassung der Hohlraumnistende Wildbienen

Erfassung der Hohlraumnistende Wildbienen

Bienennisthilfe im Übergang von Hecke und Acker
In acht ausgewählten WL-Modellgebieten werden die hohlraumnistenden Wildbienen entsprechend des Projektes „Wildbienen in der Agrarlandschaft“ des Thünen Institutes mit Hilfe einer künstlichen Nisthilfe erfasst. Dazu werden in jedem Gebiet an drei Standorten jeweils zwei Nisthilfen – einmal früh (März), einmal spät (Ende Mai) - im Frühjahr aufgestellt. In den Monaten April bis einschließlich September werden in den letzten 10 Tagen jeden Monates alle Brettchen (25) mit einer hochauflösenden bildfüllend von oben fotografiert, so dass alle Niströhren gut zu erkennen sind. Die Auswertung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Thünen Institut.

Wildbienen-Monitoring in Agrarlandschaften Externer Link

Erfassung der Fluginsekten

Erfassung der Fluginsekten

Malaisefalle im WL-Modellgebiet Buch am Erlbach
In denselben acht WL-Modellgebieten, in denen die Wildbienen erfasst werden, werden Fluginsekten erfasst. Dazu werden an drei Standorten Malaisefallen für 12 Wochen ab der 21. Kalenderwoche aufgestellt und wöchentlich geleert. Die Hälfte der Proben wird mit Hilfe von Metabarcoding direkt ausgewertet, die andere hälfte dient als Rückstellprobe. Nach der Fangperiode werden die Malaisefallen wieder komplett abgebaut.

Ergebnis

Insgesamt konnten in den WL-Modellgebieten 52 Brutvogelarten, 74 Tagfalterarten, 57 Arten blühender Ackerwildkräuter und 89 Arten der Grünlandartenliste gefunden werden. Die vielfältige naturräumliche Ausstattung der Gebiete in Bayern, verschiedene landwirtschaftliche Nutzungsschwerpunkte und auch das unterschiedliche Alter der Gebiete führen zu großen Unterschieden in der Artenausstattung der Gebiete.

Entwicklung der Artenzahl in den Wildlebensraum-Modellgebieten

Von den sechzehn Brutvogelarten der Liste konnten in den einzelnen Modellgebieten zwischen 6 und 14 Arten gefunden werden. Werden die ebenfalls erfassten Arten der Roten Liste dazugezählt konnten bis zu 27 Arten in einem Gebiet mit bis zu 136 Revieren je Gebiet erfasst werden. Die häufigsten Arten sind Feldlerche, Goldammer, Haussperling und Dorngrasmücke. Bei den Tagfaltern wurden in einer Saison über 3906 Individuen in den 19 Gebieten erfasst. Artenzusammensetzung und Anzahl der Individuen hängen bei den Tagfaltern deutlich mit der Witterung zusammen. Am häufigsten wurden das Große Ochsenauge, das Schachbrett und der Kleiner Kohlweißling gefunden. In den Modellgebieten wurden zwischen acht und 24 Tagfalterarten gefunden. Je nach Standort, Kultur und Bewirtschaftungsweise unterscheiden sich die Äcker im Vorkommen von blühenden Ackerwildkräutern stark. Bis zu 16 Arten konnten je Abschnitt (5 m) gefunden werden. Im Mittel kamen 3,2 Arten je Abschnitt vor. Am häufigsten sind Echte Kamille, Acker-Stiefmütterchen, Roggen-Trespe und Acker-Vergissmeinnicht zu finden. Im Grünland kommen Spitz-Wegerich, Wiesen-Labkraut und Wiesen-Schafgarbe am häufigsten vor. In einem Transektabschnitt bis zu 20 Arten. Viele Flächen weisen genug Arten auf, um eine Förderung aus der Ökoregelung 5 zu bekommen.

Projektinformation
Projektleitung: Dr. Christian Wagner, Arbeitsgruppe Wildlebensraumberatung und Wildtiermanagement (IAB4b)
Projektbearbeitung: Dr. Sabine Heinz, Arbeitsgruppe Wildlebensraumberatung und Wildtiermanagement (IAB4b)
Laufzeit: 01.01.2023 -31.12.2025
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten