Forschungs- und Innovationsprojekt
Entwicklung von Bekämpfungsverfahren zur Kontrolle von Schilf-Glasflügelzikaden und der von diesem Vektor übertragenen bakteriellen Zuckerrübenkrankheit "SBR"

Blattvergilbung in einem mit SBR befallenen ZuckerübenschlagZoombild vorhanden

Blattvergilbung

Das Syndrome Basses Richesses ("SBR" = Syndrom des niedrigen Zuckergehalts) ist eine Bakteriose der Zuckerrübe, die sich in den vergangenen Jahren in zahlreichen Anbaugebieten stark ausgebreitet hat. Mit ihr einher gehen schwere Einbußen in Ertrag und Qualität. Der Erreger wird von der Schilf-Glasflügelzikade übertragen, deren Lebenszyklus stark an landwirtschaftliche Fruchtfolgen von Zuckerrüben und Winterweizen angepasst ist. Ausgehend von Frankreich und später Baden-Württemberg hat sich SBR im Jahr 2020 auch in Bayern weiter ausgebreitet. Bisher sind in der Praxis keine wirksamen Bekämpfungsmöglichkeiten bekannt. Nach bisherigen Erkenntnissen sind die Zikaden mit der klassischen Applikation von Blattinsektiziden nicht ausreichend zu bekämpfen. Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) fördert daher ein Forschungsprojekt zur Entwicklung von Bekämpfungsstrategien, bei dem alternative Methoden und ackerbauliche Verfahren im Vordergrund stehen sollen.

Einleitung

Das Syndrome Basses Richesses (SBR) ist eine Bakteriose der Zuckerrübe, die zu einer Reduktion der Zuckergehalte um 2-7 % führen kann. Typische Symptome sind

  • eine allgemeine Vergilbung der Schläge
  • lanzettlich geformte junge Blätter
  • sichtbare nekrotische Verfärbungen im Bereich der Gefäßbündelringe
Der genaue Verlauf sowie die Ursachen dieser Erkrankung sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Ursächlich beteiligt zu sein scheint in jedem Fall das Bakterium Candidatus Arsenophonus phytopathogenicus, ein nicht kultivierbares, phloembesiedelndes ɣ-Proteobakterium, das durch den Fraß der Larven (Nymphen) und Adulten der Schilf-Glasflügelzikade (Pentastiridius leporinus) auf die Zuckerrübe übertragen wird.
Im Jahr 2019 konnte der SBR-Erreger an Zuckerrübe erstmals in Bayern nachgewiesen werden und hat sich im Jahr 2020 auf ca. 8.000 ha in der Anbauregion „Ochsenfurter Gau“ ausgebreitet. Zum ersten Mal festgestellt wurde die Krankheit 1991 im Burgund/ Frankreich, 2007 erfolgte dann der Erstnachweis in Deutschland (Heilbronn). Es ist davon auszugehen, dass sich der Befall ausgehend von den befallenen fränkischen Regionen auch in anderen bayerischen Anbaugebieten etablieren wird und somit den Anbau von Zuckerrüben in Bayern bedroht. Nach bisherigen Erkenntnissen ist ein wirtschaftlicher und nachhaltiger Anbau von Zuckerrüben unter SBR-Befallsbedingungen nicht möglich.
Der lange Flugzeitraum der Schilf-Glasflügelzikade (Ende Mai bis Anfang September) erschwert eine klassische chemische Bekämpfung mit Insektiziden. Es ist notwendig, Präparate und alternative Verfahren zu identifizieren, die unter Praxisbedingungen SBR-Infektionen möglichst effektiv eindämmen können. Hierbei spielt auch die Vektorbekämpfung mittels Fruchtfolge und Bodenbearbeitung eine große Rolle.

Ziele

Verbräunung der GefäßbündelringeZoombild vorhanden

Verbräunung im Bereich der Gefäßbündelringe

Ziel dieses Kurzprojektes ist die Erarbeitung erster Ergebnisse hinsichtlich zukünftiger Kontrollstrategien zur Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade und der Rübenkrankheit SBR. Es sollen geeignete Fruchtfolgen zur natürlichen Reduktion des Vektordrucks identifiziert werden, sowie Verfahren (biologisch, chemisch) zur direkten oder indirekten Bekämpfung der Vektoren bzw. der Bakterien in der Pflanze.
Die hier erarbeiteten Ergebnisse sollen zu einem besseren wissenschaftlich-technischen Verständnis der Entwicklung und der möglichen Bekämpfung dieser Krankheit beitragen. Mit der Entwicklung effizienter Bekämpfungsstrategien kann der Anbau von Zuckerrüben in bayerischen Betrieben nachhaltig gesichert werden. Eine erfolgreiche Bekämpfung von SBR wird u.a. über die Anbauwürdigkeit von Zuckerrüben in den betroffenen Betrieben und somit über den Standort einer Zuckerfabrik und damit dem Verlust von Arbeitsplätzen entscheiden.

Methoden

Mit SBR befallenen ZuckerrübeZoombild vorhanden

Verschmälerte, vergilbte Herzblätter

Im Rahmen des Projekts werden auf Versuchsflächen und Praxisschlägen Feldversuche mit verschiedenen Folgefrüchten nach Zuckerrübe (Mais, Soja, Sommergerste) angelegt und ausgewertet, sowie Testsubstanzen und biologische Verfahren (wie z. B. entomophage Nematoden) in der Folgefrucht Winterweizen und in Zuckerrübe angewendet. Die Substanzen sollen sowohl die im Boden lebenden Nymphen als auch adulte Tiere bekämpfen. Die Wirksamkeit der Maßnahmen wird anhand von Bonituren, Zikadenfängen und labortechnischen Analysen des Befalls der Zuckerrüben und der Bakterien-Beladung der gefangenen Zikaden beurteilt.
In den Folgefrüchten sollen die ausfliegenden Zikaden mit Hilfe von Zelten und Leimtafeln gefangen werden. In Zuckerrübe erfolgt eine Applikation der zu testenden Substanzen während der Flugphase der Zikaden. Der Effekt wird anschließend mittels quantitativer Erfassung der Populationen ermittelt. Nach Ernte der Zuckerrüben kann wiederum über eine quantitavive Erfassung der ausfliegenden Zikaden und deren Erreger-Beladung im Frühjahr des nächsten Jahres die Effektivität der Maßnahmen kontrolliert werden.

Erste Ergebnisse

Bei den aus den Fruchtfolgeversuchen ausfliegenden Zikaden zeigten sich die erwarteten hohen SBR-Durchseuchungsraten, die unabhängig waren von der angebauten Folgefrucht. Da alle Zikaden aus dem Boden eines bereits 2020 mit SBR befallenen Schlages stammen, war 2021 ein Einfluss der Folgekultur auf SBR-Beladung kaum zu erwarten.
Einfluss der Folgekultur auf Anzahl der Zikaden
Unterschiede konnten jedoch gezeigt werden bei der Anzahl der ausfliegenden Zikaden: signifikant weniger Tiere als bei allen anderen Folgefrüchten flogen aus mit Mais bestellten Flächen aus, während die unterschiedlichen Behandlungsvarianten im Weizen nur geringe Wirkung auf den Ausflug zeigten. Der Ausflug aus Sommergerste und Sojabohne war ebenso hoch wie beim unbehandelten Winterweizen.
Ebenfalls hohe Durchseuchungsraten zeigten sich bei in Zuckerrübenschläge einfliegenden Zikaden. Die unterschiedlichen Behandlungen hatten keinen Effekt auf die Zuckerrüben. Unterschiede sind hier erst in der bereits gesäten Folgekultur Winterweizen zu erwarten. Die Zuckerrübenpflanzen auf den Versuchsflächen waren zu 100% mit SBR befallen. Rüben aus Zelten, die den Zuflug verhinderten, zeigten klar die Rolle der Zikaden als Überträger der Krankheit: hier wurden ca. 1% höhere Zuckergehalte gemessen.
Unkräuter keine Wirtspflanzen für SBR-Erreger
In zusätzlich auf SBR-Erreger untersuchten Unkrautproben aus Praxisschlägen konnte kein positiver Nachweis geführt werden: keine der analysierten 12 Unkrautarten trug den SBR-Erreger, so dass nicht davon auszugehen ist, dass Ackerbegleitflora ein Reservoir für den Erreger darstellt.
Entwicklung eines Analyseverfahrens
Im Rahmen dieses Kurzprojekts konnte als methodische Grundlage für die Laboranalysen außerdem ein besonders schnelles und kostengünstiges Verfahren zur Extraktion von DNA aus einer großen Anzahl von Rübenproben sowie insbesondere Zikadenindividuen entwickelt und validiert werden. Die so gewonnenen DNA-Proben konnten dann mittels etablierter PCR-Verfahren auf das Vorhandensein des SBR-Erregers untersucht werden.
Weitere Untersuchungen sind notwendig, um angesichts des komplexen Zusammenspiels von Fruchtfolge, bakteriellen Erregern, Zikadenvektoren, möglichen Behandlungsvarianten und weiteren Einflüssen (Klima, Standort) konkrete Bekämpfungsstrategien ableiten zu können.
gefangene Schilf-Glasflügelzikaden

gefangene Schilf-Glasflügelzikaden

gefangene Schilf-Glasflügelzikaden, vorbereitet zur Analyse

gefangene Schilf-Glasflügelzikaden, vorbereitet zur Analyse

Gefäßbündelverbräunung

Gefäßbündel-verbräunung

Versuchsaufbau in Zuckerrübenschlag

Versuchsaufbau in Zuckerrübenschlag

Gelbtafelkontrolle im Winterweizen

Gelbtafelkontrolle im Winterweizen

parzellenweise Zuckerrübenernte

parzellenweise Zuckerrübenernte

Ansprechpartner
Dr. Jan Nechwatal
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Pflanzenschutz
Lange Point 10, 85354 Freising
Tel.: 08161 8640-5677
E-Mail: Pflanzenschutz@LfL.bayern.de

Projektverantwortung: Prof. Dr. Michael Zellner
Projektpartner:
Dr. Jan Nechwatal, Institut für Pflanzenschutz (Phytopathologie und Diagnose - Bakteriologie) (IPS 2b)
Dr. Klaus Ziegler, Verband Fränkischer Zuckerrübenbauer e.V. (VFZ)
Projektbearbeitung: VFZ, IPS 2b
Laufzeit: 01.04.2021-31.03.2022
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF)
Förderkennzeichen: A/21/01