Bei der Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade sind die Auflagen der Notfallzulassung strikt zu beachten

Für die Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade in Zuckerrüben und Kartoffeln erhielten einige Insektizide vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eine Notfallzulassung. Damit sollen einerseits die Ertrags- und Qualitätsverluste minimiert und gleichzeitig die Vektorpopulation, also die Schilf-Glasflügelzikaden, reduziert werden. Ergänzend zu einem möglichen Insektizideinsatz sind zwingend pflanzenbauliche Maßnahmen zu ergreifen. So soll der Anbau von Wintergetreide nach Zuckerrüben oder Kartoffeln unterlassen werden. Dadurch wird den Nymphen Nahrung entzogen, was zu einer Reduktion der Nymphen im Boden führt.

Auch wenn mit den Notfallzulassungen die Möglichkeit zur Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikaden geschaffen wurde, ist die Anwendung der Insektizide vom BVL mit strengen Auflagen verbunden und nur unter bestimmten Bedingungen möglich. Um den Einsatz der vom BVL begrenzt zugelassenen Mengen an Pflanzenschutzmitteln dort sicherzustellen, wo die größten Schäden drohen, soll die Anwendung nur in Hotspot- und ggf. Übergangsregionen erfolgen.
Hotspot- und Übergangsregionen
Es wurde daher bundesweit eine Unterteilung der Anbaugebiete in drei verschiedene Regionen vorgenommen. Nur wenn die Fläche in einem Landkreis liegt, der als Hotspot-, ggf. Übergangsregion ausgewiesen wurde (s. Tab. Landkreise/kreisfreie Städte), kommt es zu einem amtlichen Warndienstaufruf, der für die Behandlung erforderlich ist.

Landkreis-Liste mit Hotspot- und Übergangsregionen

  • Hotspotregionen. Hier ist eine Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade möglich, sobald ein amtlicher Warndienstaufruf erfolgt.
  • Übergangsregionen. Hier soll eine Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade nach amtlichen Warndienstaufruf nur dann erfolgen, wenn für Sie eines der folgenden Kriterien zutrifft.
    • Im letzten Jahr kam es bei Ihnen durch das Auftreten der Zikade zu Ertragseinbußen in Zuckerrüben oder Kartoffeln.
    • Im letzten Jahr kam es bei Ihnen durch das Auftreten der Zikade zu verringerten Zuckergehalten im Rübenanbau.
    • Im letzten Jahr kam es bei Ihnen durch das Auftreten der Zikade zum Symptom der Gummiknollen bzw. Gummirüben.
    • Im letzten Jahr hatten Sie Flächen, auf denen viele Pflanzen (10 – 50 %) auffällige Symptome von SBR bzw. Stolbur zeigten.
  • In allen anderen Regionen ist aufgrund der Befallssituation in der Regel kein Insektizideinsatz gerechtfertigt. Insoweit erfolgt hier kein Warndienstaufruf.
Sonderregelung für Pflanzkartoffeln
Angemeldete Pflanzkartoffel-Vermehrungsvorhaben werden wegen der Nulltoleranz bezüglich Stolbur separat eingestuft. Für diese Bestände können Behandlungen gegen die Schilf-Glasflügelzikade auch außerhalb der Hotspot- und Übergangsregionen durchgeführt werden, wenn für die nächstgelegene Übergangs- bzw. Hotspotregion ein amtlicher Warndienstaufruf erfolgt.
Informationen zu den einsetzbaren Insektiziden
Die Insektizide, die im Rahmen der Notfallzulassung in Kartoffeln und Zuckerrüben eingesetzt werden dürfen, lassen sich in drei Gruppen einteilen:
  • Systemischer Wirkstoff Acetamiprid: Hier haben drei Produkte eine Notfallzulassung erhalten: Carnadine 200, Danjiri und Mospilan SG.
  • Systemischer Wirkstoff Flupyradifurone mit dem Produkt Sivanto prime.
  • Kontaktwirkstoffe, sprich Pyrethroide: Hier haben folgende Produkte die Notfallzulassung erhalten: Decis forte, Kaiso Sorbie, Karate Zeon und Sumicidin Alpha EC (letzteres nur in Kartoffeln).

Trotz dieser Gruppierung gibt es zum Teil deutliche Unterschiede:

  • Acetamiprid:
    • Carnadine 200 ist im Gegensatz zu Danjiri und Mospilan SG in der Soloanwendung als B2 eingestuft.
    • Carnadine 200 hat im Gegensatz zu Danjiri und Mospilan SG die NG373.1010. Diese besagt, dass eine Anwendung auf einer Fläche nur erfolgen darf, wenn dort in den zwei vorhergehenden Kalenderjahren kein Acetamiprid ausgebracht worden ist.
    • Carnadine 200 hat in der Zuckerrübe - im Gegensatz zu Danjiri und Mospilan SG – eine Drainauflage und darf daher in dieser Kultur nicht auf drainierten Flächen eingesetzt werden.
  • Pyrethroide:
    • Als einziges Pyrethroid darf Karate Zeon auf drainierten Flächen eingesetzt werden. Beachten Sie bitte, dass sich die einzelnen Pyrethroide zum Teil deutlich in den Gewässerabständen unterscheiden (s. Tab. Notfallzulassungen Insektizide)
Unterschiede zwischen den Kulturen
Obgleich die meisten Produkte sowohl in der Zuckerrübe als auch in der Kartoffel eine Notfallzulassung erhalten haben, gibt es auch hier zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den Kulturen. Das betrifft u.a. den Anwendungszeitraum, die Anwendungshäufigkeit (bei Mospilan SG), und die max. zugelassene Aufwandmenge:
Carnadine 2000,2 l/ha in der Kartoffel0,25 l/ha in der Zuckerrübe
Decis forte 50 ml/ha in der Kartoffel 75 ml/ha in der Zuckerrübe
Sivanto prime 0,5 l/ha in der Kartoffel 0,25 l/ha in der Zuckerrübe
Monitoring auf die Schilf-Glasflügelzikade
Um einen etwaigen Insektizideinsatz so effektiv wie möglich zu gestalten, wird in Bayern seit dem 12. Mai ein Monitoring auf die Schilf-Glasflügelzikade durchgeführt. Im wöchentlichen Turnus wird das Auftreten der Zikaden erfasst und genau bewertet. Erst wenn nach Abwägung verschiedener Parameter der Bekämpfungszeitpunkt als besonders effektiv angesehen wird, kommt es zu einem amtlichen Warndienstaufruf in den jeweiligen Landkreisen. Dieser amtliche Warndienstaufruf in den einzelnen Landkreisen ist Voraussetzung, um Insektizide zur Zikadenbekämpfung einsetzen zu können.
Behandlungsstrategien
Da die frühen Infektionen als besonders kritisch angesehen werden, sind für die ersten beiden Behandlungen sowohl in der Kartoffel als auch in der Zuckerrübe Insektizidkombinationen aus systemischem Insektizid + Pyrethroid vorgesehen. In Hotspot- und Übergangsregionen könnte die Spritzfolge wie folgt aussehen:
1.Behandlung (nach amtlichem Warndienstaufruf): Danjiri + zugelassenes Pyrethroid
2. Behandlung (ca. 10 – 12 Tage später) Mospilan SG + zugelassenes Pyrethroid
3. Behandlung (ca. 10 – 12 Tage später) Danjiri
Diese Spritzfolge ist an die Bedingungen vor Ort (z.B. Bienenschutz, Gewässerabstand, Drainagen, usw.) entsprechend anzupassen. Achten Sie dabei u.a. auf die Anwendungszeiträume:
Danjiri und Mospilan SG z.B. ist in Kartoffeln erst ab EC 40 zugelassen (EC 40: Beginn der Knollenanlage, Schwellung der ersten Stolonenenden auf das Doppelte des Stolonendurchmessers). Dies bedeutet, dass bei einem amtlichen Warndienstaufruf zur Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade vor EC 40 beide Mittel nicht eingesetzt werden dürfen. Eine Alternative wäre der Einsatz von Carnadine 200. Hier ist allerdings neben der B2 Einstufung u.a. folgendes zu beachten: Carnadine darf weder in Kartoffeln noch in Zuckerrüben auf Flächen eingesetzt werden, auf denen in den beiden vorausgegangenen zwei Kalenderjahren der Wirkstoff Acetamiprid bereits ausgebracht worden ist (z.B. Carnadine 200, Danjiri, Mospilan SG). Carnadine 200 besitzt darüber hinaus in der Zuckerrübe eine Drainauflage und darf daher nicht auf drainierten Zuckerrübenflächen eingesetzt werden.
Wird anstelle der Acetamiprid-haltigen Mitteln (Carnadine 200, Danjiri, Mospilan SG) Sivanto prime ausgebracht, beachten Sie bitte, dass das Mittel als B1 (bienengefährlich) eingestuft ist. Eine Anwendung von Sivanto Prime auf drainierten Flächen ist nicht möglich. Auf Flächen mit einer Hangneigung von über 2 % ist ferner die NW unkodiert zu beachten (s. unten). In Zuckerrüben ist Sivanto prime nur bis EC 19 zugelassen.

Bei der Kombination der Acetamiprid-Produkte (Carnadine 200, Danjiri, Mospilan SG) mit einem Pyrethroid sind folgende Punkte zu beachten:

  • Das Temperaturoptimum für Pyrethroide liegt im kühlen Bereich bei Temperaturen unter
    18° C. Anwendungen bei Temperaturen über 25° C sind zu unterlassen.
  • Mischungen mit Pyrethroiden sind immer bienengefährlich (= B1). Eine Anwendung dieser Mischung ist daher auf Flächen, die von Bienen beflogen werden, nicht möglich. Stehen auf einer Fläche blühende Unkräuter bzw. Schosserrüben oder kommt es auf einer Fläche wegen starkem Blattlausauftreten zur Bildung von Honigtau ist der Einsatz von B1-Mitteln bzw. B1-Mischungen nicht möglich!
  • Beachten Sie auch, dass bienengefährliche Mittel innerhalb eines Umkreises von 60 m um den Bienenstand innerhalb der Zeit des Bienenfluges nur mit Zustimmung des Imkers ausgebracht werden können. Dabei ist es unerheblich, ob die behandelte Kultur von Bienen beflogen wird oder nicht.
Auflagen zum Bienenschutz
Setzen Sie Insektizide solo ein, ist auch hier auf die Bieneneinstufung zu achten. Während Sivanto prime als B1 eingestuft ist (s. oben), sind die Insektizide Carnadine 200, Decis forte und Sumicidin Alpha als B2 eingestuft. B2 bedeutet bienengefährlich, ausgenommen bei Anwendung nach dem Ende des täglichen Bienenflugs bis 23.00 Uhr. B2 Mittel lassen sich somit auf Flächen, die von Bienen beflogen werden, nur nach dem Ende des Bienenfluges bis 23.00 Uhr einsetzen.
Auflagen zur Hangneigung
Bei der Erteilung der Notfallzulassungen wurde entweder die Anwendungsbestimmung NW706 oder die NW „unkodiert“ erteilt (s. Tab. Notfallzulassungen Insektizide). Diese schreibt vor, dass zwischen einer behandelten Fläche mit einer Hangneigung von über 2 % und Oberflächengewässer – ausgenommen nur gelegentlich wasserführender, aber einschließlich periodisch wasserführender – ein mindestens 20 m breiter, mit einer geschlossenen Pflanzendecke bewachsener Randstreifen vorhanden sein muss. Für die NW unkodiert gilt: Die Fläche darf nicht behandelt werden, wenn der 20 m breite bewachsene Randstreifen fehlt. Bei der NW706 gibt es eine Ausnahme, wenn die Behandlung auf einer Fläche im Mulch- oder Direktsaatverfahren erfolgt, ist der 20 m breite Randstreifen nicht erforderlich. Die Kriterien eines bewachsenen Randstreifens von 20 m Breite erfüllen z.B. Grünland, Ackergras oder Getreide (ab EC 30), nicht aber Hackfrüchte wie z.B. Kartoffeln, Mais oder Zuckerrüben.