Winterroggen – Aktuelle Ergebnisse aus der Praxis und den Landessortenversuchen

Roggenähren im Feldbestand.

Die Roggenfläche (inkl. Wintermenggetreide), die zur Körnernutzung dient, wurde von 33.300 ha im Vorjahr auf rund 39.000 ha ausgeweitet. Die Körnererzeugung von Wintermenggetreide – darunter versteht man einen Mischanbau von mehreren Wintergetreidearten - nimmt davon etwa 1.700 ha ein. Aus den Mehrfachanträgen ist zu entnehmen, dass in Bayern neben Körnerroggen noch weitere 4.100 ha Roggen zur Erzeugung von Ganzpflanzensilage (GPS) angebaut wurden. Aufgrund der schlechten Bedingungen für die Maisaussaat und -entwicklung wurde wahrscheinlich eine größere Roggenfläche einsiliert.

Ertrag und Qualität

Bei Winterroggen wird heuer im bayerischen Schnitt von unterdurchschnittlichen Hektarerträgen in der Praxis ausgegangen. Aufgrund regenbedingter Ernteverzögerungen liegen erst drei Viertel der Ernteproben, anhand derer der bayerische Durchschnittsertrag ermittelt wird, vor. Dieser liegt derzeit bei 50 dt/ha und damit um 3 dt/ha unterhalb des Vorjahres und des Zehnjahresmittels. Heuer fallen die Erträge in Südbayern im Schnitt merklich höher aus als in Nordbayern. Vor allem im Norden führte die regional stark ausgeprägte Trockenheit von Mitte Mai bis teils zur Ernte zu Ertragseinbußen bei dem oft auf schwächeren Standorten stehenden Roggen. In den letzten Jahren hatten die allermeisten Partien hohe Fallzahlen. Aus der Praxis ist heuer zu hören, dass Roggen, der nach der mehrwöchigen Regenphase geerntet wurde, häufig niedrige Fallzahlen aufweist. Diese Bestände lagerten teils stark und sichtbarer Auswuchs war keine Seltenheit.

Sortenwahl

Bei der Wahl einer Körner-Roggensorte sollte Wert gelegt werden auf hohe und stabile Erträge, auf eine ausreichende Standfestigkeit sowie auf möglichst gute Krankheitsresistenzen vor allem gegen Mutterkorn und Braunrost. Letzterer spielt vor allem in den wärmeren bayerischen Regionen eine größere Rolle. In manchen Jahren tritt auch Rhynchosporium stärker auf. Mehltau war in letzter Zeit dagegen kein nennenswertes Problem.
Ist geplant Brotroggen zu vermarkten, werden häufig ein hl-Gewicht von mindestens 72 kg und Mindestfallzahlen von 120 s gefordert. Partien unterhalb dieser Mindestwerte müssen Preisabschläge hinnehmen. Die Vermeidung von frühem und starkem Lager durch Sortenwahl und standortangepasstem Wachstumsreglereinatz sowie der Anbau ausreichend auswuchsfester Sorten helfen, gerade in Jahren mit niederschlagsreicher Witterung zur Ernte, die geforderten Fallzahlen zu erreichen.

Mutterkorn

Roggen ist die Getreideart, die am stärksten vom Mutterkornpilz befallen wird. Nach der Infektion der Getreideblüte bildet sich anstelle eines Korns die dunkelgefärbte, meist deutlich größere Überdauerungsform des Pilzes, das Mutterkorn (Sklerotium). Dieses enthält giftige Verbindungen, die Ergotalkaloide.
Grenzwerte
Zum 01.01.2022 wurde der Grenzwert von Mutterkorn-Sklerotien in Getreide, das zum menschlichen Verzehr bestimmt ist, herabgesetzt. Seitdem gilt für unverarbeitetes Lebensmittel-Getreide (außer Mais, Roggen und Reis) ein Höchstwert für Mutterkorn-Sklerotien von 0,2 g pro Kilogramm Getreide. Für unverarbeiteten Roggen bleibt der alte Grenzwert von 0,5 g/kg noch bis 30.06.2024. Danach – also bereits zur Ernte 2024 – wird auch für Nahrungs-Roggen der Wert auf 0,2 g/kg gesenkt. Zum gleichen Zeitpunkt werden auch die seit Anfang 2022 geltenden Höchstgehalte für Ergotalkaloide in Roggenmahlerzeugnissen von 0,5 auf 0,25 mg/kg reduziert (Verordnung (EU) 2021/1399 der Kommission vom 24.08.2021).
Aufgrund der Verschärfungen ist davon auszugehen, dass die aufnehmende Hand zukünftig noch mehr Wert auf einen niedrigen Mutterkornbesatz legt. Bereits im letzten Jahr ist es nicht selten vorgekommen, dass Partien aufgrund von zu viel Mutterkorn gestoßen wurden.
Einflussfaktoren
Der Mutterkornbefall hängt von zahlreichen Faktoren wie Witterung, Standort, Fruchtfolge, Bodenbearbeitung und Befall benachbarter Ungräser ab. Haupteinflussfaktor ist die Witterung zur Roggenblüte. Da ausschließlich noch nicht befruchtete, geöffnete Roggenblütchen befallen werden, sind Bestände, die rasch und einheitlich abblühen anzustreben. Neben der Vermeidung von Nachschossern kann auch ein hohes Pollenangebot zu einer kurzen Blühphase des Bestandes beitragen.
Wie stark eine Sorte für Mutterkorn anfällig ist, hängt unter anderem davon ab, wieviel Pollen sie produziert. Denn ein hohes Pollenangebot führt zu einer raschen Befruchtung. Das wiederum hat zur Folge, dass sich die Blüten schnell schließen und Mutterkornsporen diese nicht mehr infizieren können. In der Regel stäuben Populationssorten kräftiger und über einen längeren Zeitraum als Hybriden. Bei einigen Hybridsorten – im Landessortenversuch sind das Piano, SU Cossani und SU Perspectiv – wird dem Praxissaatgut zur Sicherstellung einer raschen Bestäubung deshalb 10 % Populationsroggen beigemischt. In den LSV und der Mutterkorn-Resistenzprüfung, die Grundlage für die Mutterkorneinstufung ist, werden jedoch nur die reinen Hybridsorten getestet. Es ist deshalb zu erwarten, dass die Mutterkornanfälligkeit bei den genannten Sorten in der Praxis etwas geringer ist als in der Sortenbeschreibung dargestellt. Ob die Beimischung von ertragsschwächeren Populationsroggen im Praxissaatgut negative Auswirkungen auf den Ertrag hat, wurde nicht untersucht.
Mutterkorn Resistenzprüfung
Im Rahmen der Sortenzulassung werden Resistenzprüfungen mit künstlich erhöhtem Mutterkorn-Infektionsdruck durchgeführt. In diesen Prüfungen weisen die mit „mittel“ anfällig beschriebenen Sorten (Symbol: o) im Schnitt etwa dreimal so viel Mutterkorn auf wie die mit „gering“ mutterkornanfällig bewerteten Roggen (Symbol: +). Aufgrund der Verschärfung der Mutterkorngrenzwerte für Lebensmittel-Roggen vor der nächsten Ernte werden von der staatlichen Beratung nur Sorten mit der Mutterkorneinstufung gut (Symbol +) zum Anbau empfohlen. Zu beachten ist, dass die Sortenwahl nur eine Maßnahme von vielen ist, das Mutterkornrisiko zu senken. Hilfreiche Informationen zum Thema liefern die „Handlungsempfehlungen zur Minimierung von Mutterkorn und Ergotalkaloiden in Getreide“ auf der Internetseite des Bundeslandwirtschaftsministeriums.

Hybridsorten

Obwohl die Saatgutkosten bei Hybriden deutlich höher sind, lohnt sich ihr Anbau meist. Nur auf sehr ertragsschwachen Standorten und bei extensivem Anbau wird der Ertragsvorteil durch das teurere Saatgut zunichte gemacht. In den LSV bringen die Hybridsorten im fünfjährigen Mittel etwa 20 % höhere Erträge als die beiden Populationssorten.

Landessortenversuche

In den bayerischen Landessortenversuchen (LSV) standen heuer 10 Roggensorten an vier Orten. Drei davon waren auswertbar. Der mittelfränkische Versuch in Großbreitenbronn konnte nicht vor der Regenperiode gedroschen werden. Die Parzellen gingen während des Regens immer mehr ins Lager und sichtbarer Auswuchs trat in stärkerem Umfang auf. Der Versuch wurde daraufhin abgebrochen.

Ergebnisse

Alle Sorten werden in zwei Intensitätsstufen geprüft. Stufe 1 erhält keine Fungizide und keinen bzw. nur wenig Wachstumsregler. Die intensive Stufe 2 wird dagegen nach Bedarf mit Fungiziden und Wachstumsreglern behandelt. Der Ertragsunterschied zwischen den beiden Behandlungsstufen liegt in den bayerischen LSV im Fünfjahresmittel bei 8 dt/ha bzw. 9 %. Dieser Mehrertrag reichte in den letzten fünf Jahren nur bei etwa der Hälfte der Standorte aus, um die Zusatzkosten zu decken.
Da die bayerischen LSV-Standorte seit 2017 bei Roggen von sechs auf vier reduziert wurden, ist eine Ertragsauswertung nach mehreren Anbaugebieten nicht mehr sinnvoll. Aufgrund der geringen Anzahl an Roggenversuchen werden alle LSV, die in der Südhälfte von Deutschland stehen, gemeinsam verrechnet und unter der Bezeichnung "Anbaugebiete Süddeutschland" veröffentlicht. Die Sortenempfehlung hingegen wird nur für Bayern ausgegeben.