Praxisinformationen
Zuchtwertschätzung für Zellzahl und Melkbarkeit – Dezember 2023

Wie für alle anderen Merkmale, so gibt es auch für die Merkmale Zellzahl und Melkbarkeit eine länderübergreifende Zuchtwertschätzung mit einem Mehrmerkmalsmodell für die Rassen Fleckvieh, Braunvieh, Gelbvieh, Pinzgauer, Grauvieh und Wäldervieh in Österreich und Deutschland.

Sie wurde im August 2002 eingeführt. Mit der Zuchtwertschätzung vom Dezember 2014 wurden erstmalig Beobachtungen für Zellzahl und Melkbarkeit von Fleckviehkühen aus Tschechien in die Zuchtwertschätzung aufgenommen. Durch die gemeinsame Zuchtwertschätzung ist eine volle Vergleichbarkeit der Zuchtwerte über Länder und Regionen hinweg gewährleistet.

Datengrundlage

In der Zuchtwertschätzung werden die seit 1990 angefallenen Zellzahlergebnisse vom 8. bis zum 312. Laktationstag der Laktationen 1 bis 3 berücksichtigt. Die Verteilung der Zellzahlen in der Praxis – mit den meisten Werten im niedrigen bis mittleren Bereich und relativ wenigen extrem hohen Werten – entspricht nicht einer Normalverteilung, wie sie bei der Zuchtwertschätzung angenommen wird. Um die gewünschte Form der Verteilung zumindest näherungsweise zu erreichen, erfolgt vor der Zuchtwertschätzung eine logarithmische Transformation der Zellzahlen zum Linear Somatic Cell Score (SCS): SCS = log2 (Zellzahl/100.000) + 3. Eine Zellzahl von 25.000 entspricht einem SCS von 1, eine Zellzahl von 50.000 einem SCS von 2, eine Zellzahl von 100.000 einem SCS von 3 usw.

Die Datenaufbereitung erfolgt in Anlehnung an die Zuchtwertschätzung für Milchleistungsmerkmale (siehe Dokumentation Testtagsmodell), das heißt es gehen nur Zellzahlergebnisse von solchen Tieren ein, die auch Milchleistungsergebnisse aufweisen. Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über den Umfang der Zellzahlergebnisse in der aktuellen Zuchtwertschätzung.

Tabelle 1: Zellzahlergebnisse in der Zuchtwertschätzung Dezember 2023 nach Rasse
RasseAnzahl KüheLaktation 1Laktation 2Laktation 3
Fleckvieh13.635.636105.871.31279.195.07456.931.702
Braunvieh2.198.80518.104.37113.895.03410.385.242
Gelbvieh94.064748.266509.315331.497
Pinzgauer91.962585.134432.156318.282
Grauvieh28.357188.752151.310123.685
Wäldervieh63.362513.537395.746310.173

Die Melkbarkeitsergebnisse stammen aus verschiedenen Formen der Leistungsprüfung. In Österreich, Baden-Württemberg, Hessen und Tschechien wird die Melkbarkeitsprüfung nach der Stoppuhr-Methode (Einfachprüfung) durchgeführt. Es wird das durchschnittliche Minutengemelk (DMG) erhoben. In Bayern gibt es keine gesonderte Melkbarkeitsprüfung, sondern es werden die im Rahmen der Milchleistungsprüfung mit dem LactoCorder (LC) erhobenen Ergebnisse verwendet. Hier wird das DMG aus den Parametern Milchmenge aus Haupt- und Nachgemelk und Dauer des Haupt- und Nachgemelks berechnet. Die Blindmelkzeit geht also nicht in die Berechnung des LactoCorder-DMG ein, da auch bei der DMG-Prüfung mit der Stoppuhr kaum Blindmelken auftreten dürfte. Auch aus Österreich (Fleckvieh Nieder-Österreich) liegen in begrenztem Umfang LactoCorder-Ergebnisse vor. Wie Untersuchungen gezeigt haben, handelt es sich bei den DMGs aus den verschiedenen Ländern trotz vergleichbarer Definition um genetisch unterschiedliche Merkmale, so dass sie in der Zuchtwertschätzung als zwei verschiedene Merkmale berücksichtigt werden müssen (DMG AUT/BW bzw. DMG BY). Um eine Normalverteilung zu erreichen, werden beide Merkmale durch das Ziehen der Quadratwurzel transformiert.

In die Zuchtwertschätzung gehen Melkbarkeitsergebnisse vom 8. bis zum 275. Tag der ersten Laktation ein. Für DMG AUT/BW liegen seit 1990 Ergebnisse vor, für DMG BY seit 1998. Voraussetzung ist wie bei der Zellzahl, dass die Tiere auch Milchleistungsergebnisse aufweisen. Die Tabelle 2 gibt einen Überblick über den Umfang der Melkbarkeitsergebnisse in der aktuellen Zuchtwertschätzung. In Österreich gibt es beim Braunvieh seit November 2006 eine weitere Form der Leistungsprüfung. Hier beurteilen die Besitzer der Tiere (Befragung) die Melkbarkeit auf einer Skala von 1 (sehr langsam) bis 6 (sehr schnell).

Tabelle 2: Kühe mit Melkbarkeitsergebnissen in der Zuchtwertschätzung Dezember 2023 nach Rasse
ÖsterreichBaden-WürttembergHessenTschechienBayernBayernÖsterreich
MethodeStoppuhrStoppuhrStoppuhrStoppuhrLC KüheLC BeobachtungBefragung
Fleckvieh1.820.596401.7454.151152.5944.442.10043.205.835
Braunvieh221.943131.858639.1295.347.01668.438
Gelbvieh24.353256.355
Pinzgauer41.1736.13445.466
Grauvieh15.801
Wäldervieh21.641

Für die Zuchtwertschätzung Zellzahl und Melkbarkeit werden keine gesonderten Pedigreebestände aufgebaut, sondern es werden die Pedigreebestände aus der Zuchtwertschätzung Milch verwendet. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass alle Tiere mit einem Zuchtwert für Milchleistung auch Zuchtwerte für Zellzahl und Melkbarkeit bekommen. Der Aufbau dieser Pedigreebestände ist in der Dokumentation zum Testtagsmodell beschrieben. In Tabelle 3 ist die Anzahl der Tiere in den Pedigreebeständen dargestellt.

Tabelle 3: Tiere im Pedigreebestand in der Zuchtwertschätzung Dezember 2023 nach Rasse
RasseTiere insgesamtBullenBullen mit Töchtern
Zellzahl
Bullen mit Töchtern
DMG AUT/BW/CZE
Bullen mit Töchtern
DMG BY
Bullen mit Töchtern
Befragung
Fleckvieh17.527.997182.931119.96239.44043.813
Braunvieh2.940.50475.60048.59911.68919.628-
Gelbvieh147.1163.6372.2321.045
Pinzgauer147.5347.5974.0902.391775
Grauvieh39.0031.306603588
Wäldervieh86.6636.2884.2932.377

Schätzverfahren

Die Zuchtwertschätzung wird für die einzelnen Rassen getrennt mit einem Mehrmerkmals-Testtags-Tiermodell (Fixed Regression) durchgeführt. Bei den Merkmalen handelt es sich um den SCS aus den drei Laktationen sowie um die beiden Melkbarkeitsmerkmale DMG AUT/BW und DMG BY. Es werden zwei verschiedene statistische Modelle angewendet, da für DMG AUT/BW keine wiederholten Beobachtungen vorliegen. Die in diesen Modellen berücksichtigten Effekte sind in Tabelle 4 dargestellt. Die Region*Kalbejahr*Kalbesaison*Kalbealter-Klassen sind so definiert wie in der Zuchtwertschätzung Milch. Die Regressionskoeffizienten für den Abstand zum Kalben werden innerhalb dieser Region*Kalbejahr*Kalbesaison*Kalbealter-Klassen geschätzt. Für SCS erfolgt die Schätzung des Herdentesttags-Effektes über Laktationen hinweg. Für DMG BY werden jeweils zwei Herdentesttage zusammengefasst. Für DMG AUT/BW variiert die Bildung der Betrieb*Kalbejahr-Klassen zwischen den Rassen in Abhängigkeit von der Anzahl der vorliegenden Beobachtungen. Der Effekt der Melkzeit im Modell für DMG BY bezieht sich darauf, ob es sich bei der Beobachtung um ein Morgen- oder ein Abendgemelk handelt (in Abhängigkeit von der Prüfmethode können zwei Beobachtungen pro Herdentesttag vorliegen). Die in der Zuchtwertschätzung verwendeten Parameter sind in den Tabellen 5 und 6 dargestellt. Die Schätzung der Zuchtwerte wie auch die Approximation der Sicherheiten der geschätzten Zuchtwerte erfolgt mit dem Programmpaket MiX99.

Tabellen 4 bis 6
Tabelle 4: In den statistischen Modellen berücksichtigte Effekte nach Merkmalen
EffekteSCS 1. bis 3. LaktationDMG AUT/BWDMG BY
Fixe Effekte:
HerdentesttagXX
Betrieb * KalbejahrX
MelkzeitX
Region * Kalbejahr * Kalbesaison * KalbealterXXX
Abstand zum Kalben (Regression mit vier linearen und quadratischen Effekten)XXX
Kalbealter (Regression mit zwei linearen und quadratischen Effekten)XXX
Zufällige Effekte:
Tier (Zuchtwert)XXX
Permanenter Umwelteffekt der KuhXX
ResteffektXXX

Beim Braunvieh wird die durch Befragung erfasste Melkbarkeit als sechstes Merkmal mit einer Heritabilität von 0.20 und einer genetischen Korrelation zu den anderen Melkbarkeitsmerkmalen von jeweils 80 berücksichtigt. Das Schätzmodell enthält zusätzlich den Effekt des Bewerters. Für die Rassen Gelbvieh, Grauvieh und Wäldervieh werden Modelle mit vier statt fünf Merkmalen verwendet, da nur eines der Melkbarkeitsmerkmale vorliegt.

Tabelle 5: Heritabilitäten und genetische Korrelation für die Merkmale SCS und DMG
MerkmaleSCS 1. LaktationSCS 2. LaktationSCS 3. LaktationDMG AUT/BWDMG BY
SCS 1. Laktation.10.88.83.30.30
SCS 2. Laktation.12.95.20.20
SCS 3. Laktation.13.20.20
DMG AUT/BW.35.88
DMG BY.28
Tabelle 6: Varianzanteile und Korrelationen der permanenten Umwelteffekte der Kühe für die Merkmale SCS und DMG
MerkmaleSCS 1. LaktationSCS 2. LaktationSCS 3. LaktationDMG AUT/BWDMG BY
SCS 1. Laktation.45.40.35
SCS 2. Laktation.475.45
SCS 3. Laktation.475
DMG AUT/BW
DMG BY.44

Sowohl bei Fleckvieh als auch bei Braunvieh stehen für Bullen auch INTERBULL-Zuchtwerte für die Zellzahl zur Verfügung. Damit werden bei diesem Merkmal, wie bei den Milchleistungsmerkmalen schon seit mehreren Jahren üblich, auch Informationen aus anderen Ländern in der Zuchtwertschätzung berücksichtigt. Dies ist vor allem bei solchen Bullen von Vorteil, die einen Prüfeinsatz parallel im mehreren Ländern absolviert haben. Ein weiterer Vorteil ist es, dass jetzt auch Zuchtwerte für Bullen vorliegen, die in Österreich oder Deutschland noch keine Töchter haben, zum Beispiel für aktuelle jüngere Bullen aus Frankreich, Italien oder der Schweiz.

Ergebnisdarstellung

Zellzahl

Bei dem für SCS veröffentlichten Zuchtwert handelt es sich um den Durchschnittswert der für die drei Laktationen geschätzten Einzelzuchtwerte. Formell werden die Einzelzuchtwerte im Verhältnis 1:1:1 gewichtet, aber de facto haben die 2. und 3. Laktation ein höheres Gewicht, da in diesen Laktationen die genetische Streuung höher ist. Der Zuchtwert SCS wird als Relativzuchtwert veröffentlicht. Die Bezugsbasis für alle Zuchtwerte wird bei allen Rassen von den Kühen gebildet (Fleckvieh: 4–6 Jahre alt; Braunvieh, Pinzgauer, Wäldervieh: 6–8 Jahre alt; Gelbvieh, Grauvieh: 8–10 Jahre alt). Die durchschnittlichen Zuchtwerte der Basiskühe betragen 0. Die Bezugsbasis für alle Zuchtwerte wird bei Fleckvieh und Braunvieh von den acht- bis zehnjährigen geprüften Bullen gebildet (andere Rassen: acht- bis zwölfjährige Bullen). Die durchschnittlichen Zuchtwerte der Basisbullen betragen 0. Der Relativzuchtwert ist so standardisiert, dass die Basis einen Mittelwert von 100 Punkten hat. Die Streuung der wahren Relativzuchtwerte wird auf 12 Punkte eingestellt. Wegen der begrenzten Sicherheiten liegt die realisierte Streuung etwas darunter. Die Basis wird zu jedem Schätztermin um drei Monate verschoben (gleitende Basis).

Melkbarkeit

Bei der Melkbarkeit werden die beiden geschätzten Einzelzuchtwerte nicht kombiniert, sondern es wird der Zuchtwert für DMG AUT/BW als Relativzuchtwert veröffentlicht. Auch dieser Relativzuchtwert ist so standardisiert wie oben beschrieben.

Weitere Details zur Definition der Basis sowie die sich aus der Basisverschiebung ergebenden Zuchtwert-Änderungen:

Basis der Zuchtwertschätzung

Schätztermine

Zum November 2007 erfolgte, in Anlehnung an INTERBULL, die Umstellung von vier Zuchtwertschätzungen je Jahr auf nur noch drei. Die nächste Veröffentlichung der Zuchtwerte erfolgt am Mittwoch, 3. April 2024. Die weiteren Termine sind hier aufgeführt:

Genetische Fortschritte

Relativzuchtwerte für SCS und DMG AUT/BW nach Geburtsjahrgang

Liniendiagramm

Abb. 1: Fleckvieh-Bullen

Liniendiagramm

Abb. 2: Braunvieh-Bullen

Liniendiagramm

Abb. 3: Fleckvieh-Kühe

Liniendiagramm

Abb. 4: Braunvieh-Kühe