Zentrale Botschaft der Jahrestagung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) war, dass Weidegang für Rinder der Inbegriff für tiergerechte Haltung ist und einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft leistet. Professor Martin Elsäßer benutzte sogar den Begriff „Veredelungswunder Grünland“, um die energieeffiziente Umsetzung von Gras zu Fleisch und Milch durch Rinder zu verdeutlichen. Das umfassende Programm zu den Chancen der Weide spannte den Bogen von möglichen Weidesystemen in Bayern über die Tiergesundheit und die Wirkung eines verfrühten Vegetationsbeginns auf Almen und Alpen bis hin zu aktuellen Forschungsergebnissen der Weideführung und Sorten für Weidegräser. Der Erfahrungsbericht eines praktischen Milchviehhalters, der seine 120 Kühe auf Weidehaltung umgestellt hat, rundete den gelungenen Tag ab. Die LfL-Jahrestagung fand dieses Jahr zusammen mit dem 29. Allgäuer Grünlandtag am 7. Juli 2016 in Sulzberg südlich von Kempten statt, organisiert durch das Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum (LVFZ) für Milchviehhaltung, Grünland und Berglandwirtschaft Spitalhof. Christian Stockinger, Vizepräsident der LfL, betonte in seiner Begrüßungsrede die Tiergesundheit und die ökonomischen Vorteile der Weide. Die Tagung brachte Experten der LfL, des LAZBW Aulendorf, Fachkollegen aus der Schweiz, Berater und Landwirte zusammen und bot einen intensiven Austausch – die angeregten Diskussionen waren ein deutliches Zeichen dafür.
Prof. Dr. Martin Elsäßer vom Landwirtschaftlichen Zentrum für Viehhaltung, Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft, Wild und Fischerei Baden-Württemberg (LAZBW Aulendorf) sprach über die nachhaltige Milcherzeugung mit Weidegang. Er präsentierte die Auswertungen des EU-Interreg-Projekt DAIRYMAN. Diese zeigten, dass sowohl Weidegang als auch der Anteil an grasbasierter Milchproduktion einen großen Einfluss auf die ökonomische Situation der Betriebe hatten. Betriebe mit ausschließlicher Stallfütterung wiesen geringere Einkommen auf. Weder die Herden-größe noch die Milchleistung und der Viehbesatz beeinflussten die ökonomische Leistung. Allerdings waren ökologische Indikatoren, wie z.B. N- und P-Bilanzen in größeren Herden und höherer Milchleistung besser. Da Weidegang zu einem insgesamt positiven Beitrag an den Betriebseinkommen führte, kann davon ausgegangen werden, dass Weide auch in Zukunft nachhaltig ist, unter der Voraussetzung dass die klimatischen und strukturellen Bedingungen Weidegang ermöglichen.
Aus Sicht des Rindes ist die Weide die natürliche Form der Grünlandnutzung. Das Tier kann selektieren und somit möglichst hochwertiges Futter aufnehmen. Mit Blick auf hohe Milchleistungen sowie die betrieblichen Voraussetzungen ergeben sich in der Milchviehhaltung Grenzen der Weide. Die Chancen der Weide liegen in angepassten Systemen: in der Milchviehhaltung hat sich die Vollweide mit Winterkalbung bewährt. In der Mutterkuhhaltung ist Weidehaltung Standard, für die Jungtieraufzucht könnte die Nutzung von Weide ausgedehnt werden. Hier sind Kooperationen zwischen Betrieben ein interessanter Ansatz, auch um der Flächenkonkurrenz entgegen zu wirken.
Aus aktuellen Projekterfahrungen der LfL geht hervor, dass eine weidebasierte Aufzucht bei Braun- und Fleckvieh sich positiv auf die Tiergesundheit sowie die durchschnittliche Milchleistung auswirkt. Die Tiere leben länger und haben eine höhere Lebensleistung als bei der Aufzucht im Stall. Durch eine sich an die weidebetonte Jungviehaufzucht anschließende Weidehaltung der Milchkuh wird die Nutzungsdauer weiter verlängert. Ein günstiger Kalbeverlauf ist bei einer Alpung des Jungviehs noch deutlicher ausgeprägt.
Auf Almen (Oberbayern) und Alpen (Allgäu) bedingt die allgegenwärtige Klimaerwärmung einen früheren Vegetationsstart, d.h. die Weiden werden früher grün und haben über die Sommermonate einen höheren Zuwachs. Sollen Weideflächen auf Almen und Alpen auch zukünftig offen gehalten werden, ist es unverzichtbar die Weidetiere früher und in größeren Herden aufzutreiben. Ansonsten wird das Futtergras alt und wird nicht mehr gern gefressen, Büsche und Bäume erobern die Weideflächen. Die geforderten Maßnahmen sichern nachhaltig die Kulturlandschaft und fördern eine ertragreiche Alm- bzw. Alpwirtschaft.
Für die Anlage von Kurzrasenweiden präsentierten Experten der LfL Beratungsempfehlungen. So ist es für Landwirte wichtig, z.B. Sorten zu wählen, die eine hohe Narbendichte aufweisen, Weideflächen werden damit geschont. Auch eine gute Ausdauerleistung von Sorten ist für Kurzrasenweiden günstig. Für den Milchviehbetrieb der Familie Breinbauer aus dem Landkreis Passau bewährte sich die Umstellung auf Vollweide mit saisonaler Abkalbung als erfolgreiche Betriebsstrategie. In seinem Erfahrungsbericht verdeutlichte der Betriebsleiter die Vorteile. Der sommerliche ganztägige Weidegang hat sich sehr positiv auf die Tiergesundheit ausgewirkt, die Fruchtbarkeit der Herde verbesserte sich. Bei der Umstellung half dem Betrieb, sich vorab umfassend zu informieren und einen detaillierten Umstellungsplan zu erstellen. Als größten Zugewinn nach der Umstellung sieht das Betriebsleiterehepaar jedoch den enormen Zugewinn an Arbeits- und Lebensqualität für die Familie, speziell in den Sommermonaten.