LfL-Jahresbericht 2018: Biodiversität
Programme für bedrohte Fische

Elritzen im Wasser schwimmend

Die Elritze

Die Flüsse und Seen Bayerns stellen wertvolle Ökosysteme mit einer großen Artenvielfalt dar. Die Bedrohung zahlreicher Fischarten und die Abnahme der Biodiversität hat dramatische Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht und stellt die bayerische Fluss- und Seenfischerei, aber auch die Fischhaltung und Fischzucht vor zahlreiche neue Probleme und Aufgaben. Das Institut für Fischerei legt alle sechs Jahre den bayerischen Fischzustandsbericht vor. Danach ist die Situation der heimischen Fließgewässerfischbestände aktuell als schlecht zu bezeichnen. Zwar ist die Artenvielfalt auf ganz Bayern bezogen weitgehend konstant, doch die Bestände der meisten Fischarten stagnieren auf niedrigem Niveau.

Die Elritze ist ein kleinwüchsiger Schwarmfisch.

Sie bevorzugt klare, saubere und sauerstoffreiche Fließ- und Standgewässer.

Das Ablaichen erfolgt auf flachen, kiesigen Bereichen.

Gefährdungsursachen: Fehlen von Strukturelementen wie Totholz und von angebundenen Seitengewässern; Gewässererwärmung

Zahlen und Fakten

Dr. Michael Schubert, Experte für bayerische Fischpopulationen, im Interview

Die Aufgabe des Instituts für Fischerei ist aber nicht nur die Bestandsüberwachung, sondern auch die Erhaltung und Verbesserung der Fischpopulationen in Bayern. Experten wie Dr. Michael Schubert schlagen Maßnahmen vor, erarbeiten Wiederansiedlungsprojekte und unterstützen Renaturierungsprogramme an Flüssen und Seen.
Parallel dazu kämpft das Institut für Fischerei seit Jahren gegen die abnehmende Agrobiodiversität bei wichtigen Aquakulturfischarten. Die neuesten Erkenntnisse zu Biodiversität und Fischartenschutz fließen verstärkt in die fischereiwirtschaftliche Aus- und Fortbildung und in die Öffentlichkeitsarbeit ein.
Im Detail

Heimische Fischbestände in Gefahr – der Fischzustandsbericht

Um den Zustand der bayerischen Fischfauna muss man sich weiterhin große Sorgen machen. Das ist das Ergebnis des 2018 vorgelegten Fischzustandsberichts des Instituts für Fischerei. Danach ist für den Zeitraum von 2011 bis 2017 im Vergleich zu den Jahren 2004 bis 2010 kaum eine Veränderung der Fischbestandsdichten in den Fließgewässern zu verzeichnen. Das Gleiche gilt für den Anteil an Mittel- und Langdistanzwanderfischarten wie zum Beispiel der Nase. So ist der Wanderfischbestand in 77 Prozent der untersuchten Gewässerstrecken weiterhin als "mäßig bis schlecht" zu bewerten. Mit Ausnahme des Aals und der Flunder sind alle Langdistanzwanderfische wie Störe, Lachs, Meerforelle oder Meerneunauge in Bayern ausgestorben. Damit können nur noch in 13 Prozent der Untersuchungsstrecken weitgehend ursprüngliche Fischlebensgemeinschaften gefunden werden. Eine ausreichende Fortpflanzung findet lediglich in 32 Prozent der beprobten Gewässerabschnitte statt und ohne zusätzliche, bestandsstützende Maßnahmen wie zum Beispiel Fischbesatz sähe es noch deutlich schlechter aus. Der Anteil fortpflanzungsfähiger Fische bewegt sich darum auch weiterhin auf sehr niedrigem Niveau. Lediglich bei der Artenvielfalt lässt sich Positives berichten: Ein Großteil (88 Prozent) der 75 einheimischen Fischarten ist auch heute noch in Bayern vorzufinden.

Bedrohter Lebensraum Wasser – Ein Bündel von Problemen

Der Lebensraum Wasser ist ein wertvolles Ökosystem mit großer Artenvielfalt und einem natürlichen Reservoir für Biodiversität. Nicht nur in Bayern ist dieses Ökosystem in Gefahr. Ursache für den zum Teil desolaten Zustand freilebender Fischpopulationen ist eine Summe verschiedenster Faktoren. So gingen und gehen mit baulichen Maßnahmen für Schifffahrt, Wasserkraftnutzung oder Hochwasserschutz viele geeignete Lebensräume unwiederbringlich verloren oder wurden zerstört. Auch mit der Verschlammung der Gewässer und den Einträgen aus der Landwirtschaft haben die bayerischen Fischbestände schwer zu kämpfen.
Dazu kommt der Fraßdruck von Kormoran und Gänsesäger, der sich bestandsgefährdend auswirken kann. Die Gewässererwärmung durch Klimawandel und Kühlwassereinleitungen, sowie zunehmende Störungen durch den Freizeit- und Sportbootbetrieb stellen ein zusätzliches Problem dar.
Gleichzeitig können eingewanderte oder eingeschleppte Fischarten in Konkurrenz zu heimischen Fischarten treten und über ihren Fraßdruck oder die Übertragung von Krankheiten die Bestände gefährden. Zusätzlichen Druck auf die Fischbestände wird auch der beabsichtigte Ausbau der Wasserkraft und der Biogaserzeugung im Zuge der Energiewende ausüben.

Maßnahmen, die wirken: Renaturierungsprogramme und Wiederansiedlungsprojekte

So vielfältig die Ursachen, so breit gestreut sind auch die notwendigen Maßnahmen, um der bedrohten bayerischen Fischfauna zu helfen. Ein Hauptfokus gilt derzeit der Renaturierung der Fließgewässer Bayerns. In einem beispielhaften Renaturierungsprojekt wurde bereits vor über zehn Jahren aus der kanalartigen Isar vor allem im innerstädtischen Bereich Münchens wieder ein lebendiger Fluss. Dazu wurde das Flussbett aufgeweitet und überflutbare Freiflächen geschaffen. Durch eine natürliche Ufergestaltung mit zahlreichen Kiesbänken entstanden neue Lebensräume für Jungfische. Bei Untersuchungen zum Fischbrutaufkommen ergab sich nach der Renaturierung ein deutlich positiveres Bild. Es konnte Fischbrut von zusätzlich sieben Arten nachgewiesen werden, darunter von stark gefährdeten wie Nase und Äsche.
Eine zusätzliche Maßnahme zum Erhalt der Biodiversität kann auch die Wiederansiedlung von Fischarten darstellen. So wurde beispielsweise im Rahmen einer Masterarbeit ein Konzept zur Wiederansiedlung der Elritze, einer aus vielen bayerischen Gewässern verschwundenen Kleinfischart, im Lüßbach, einem Zufluss des Starnberger Sees erstellt, und mit der Umsetzung der erforderlichen Schritte begonnen. Die Nachzucht und der Besatz von Seeforellenbrütlingen bzw. befruchteten Seeforelleneiern in für sie geeignete Gewässer ist eine weitere Maßnahme zur Erhaltung der Artenvielfalt. Die natürliche Fortpflanzung der Seeforelle ist an den bayerischen Alpen- und Voralpenseen stark eingeschränkt. Häufig behindern Querbauwerke oder zu geringe Wasserführung die Wanderung zu den in den Seezuflüssen liegenden Laichplätzen oder die Laichplätze sind verschlammt und somit nicht mehr funktionsfähig.

Problem Agrobiodiversität – Abnahme der Diversität in der bayerischen Fischzucht

Das Institut für Fischerei beschäftigt sich seit Jahren sowohl praktisch als auch wissenschaftlich mit den aquatischen genetischen Ressourcen in der Aquakultur. In Zusammenarbeit mit anderen Fischereiforschungsstellen läuft derzeit ein bundesweites Erhebungsprojekt, in dem das Institut für Fischerei die Zuchtstämme wichtiger Wirtschaftsfischarten in Bayern untersucht. Dank mehrerer früherer Forschungsprojekte zu heimischen Zuchtfischbeständen in der Aquakultur liegen zu Karpfen oder Forelle und Saibling bereits umfangreiche Basisdaten vor.
Die aktuellen Untersuchungen bestätigen, dass in Bayern – wie tendenziell auch in anderen Bundesländern – ein erheblicher Rückgang der Laichfischhaltung wichtiger Aquakulturfischarten und damit die Agrobiodiversität (hier: Diversität der Zuchtfischpopulationen) zu beklagen ist. Viele bayerische Aquakulturbetriebe haben ihre Zuchtbestände in den letzten Jahren aufgegeben. Ursache hierfür waren vielfach wirtschaftliche Gründe, aber auch Fischkrankheiten und die zurückgehende Wasserverfügbarkeit und -qualität. Das führte dazu, dass die Laichfischbestände zum Beispiel bei der Regenbogenforelle um mehr als die Hälfte abgenommen haben.
Die Probleme der abnehmenden Agrobiodiversität in der Fischwirtschaft beschäftigen alle Bundesländer. Das Institut für Fischerei beteiligt sich beim Thema aquatische genetische Ressourcen auch auf Bundesebene. So wirkt das Institut unter anderem am "Wissenschaftlichen Beirat für Biodiversität und genetische Ressourcen" mit. Dieser ist beim Bundes- ministerium für Ernährung und Landwirtschaft angesiedelt. Im dortigen Fachausschuss "Aquatische genetische Ressourcen" hat das LfL-Institut den Vorsitz.

Impressionen und Infos

zwei Männer an einem Weiher mit Kescher

Populations-Kontrolle

zwei Männer stehen in einem Bach und fischen

Watbefischung

Blick von oben auf einen Fluss

Isar kanalisiert

Blick von oben auf einen Fluss

Flussbett-Aufweitung

Fische im Wasser

Regenbogenforellen

"Die Erhaltung der Agrobiodiversität ist eine große Gemeinschaftsaufgabe, die wir nur in Kooperationund über Bayern hinaus bewältigen können."

"Unser aktueller Fischzustandsbericht zeichnet leider ein weiterhin düsteres Bild. Trotz zahlreicher Maßnahmen bewegen wir uns beim Fischbestand auf einem extrem niedrigen Niveau, 57 Prozent unserer heimischen Fischarten werden in der bayerischen Roten Liste gefährdeter Tiere aufgeführt."