Treibhausgase (THG) auf Ebene des Milchviehbetriebs
Klima-Check für Milcherzeuger – THG-Bewertung in der Praxis

Kühe beim Fressen.

Foto: Wolfgang Seemann

An der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) wurde eine frei zugängliche, kostenlose Onlineanwendung zur THG-Bilanzierung entwickelt, genannt "LfL Klima-Check".

Hintergrund: Industrie und Handel stehen vor der Herausforderung, die Klimawirkung ihrer Produkte – bezeichnet als CO2-Fußabdruck – zu quantifizieren und Reduktionsziele zu erreichen. Dies macht es notwendig, auch auf Ebene des Milchviehbetriebs entstehende THG-Emissionen zu ermitteln.

THG-Bewertung in der Praxis

Wo stehe ich?

Die grundlegende Frage in der Auseinandersetzung mit THG-Emissionen und Klimaschutz ist die nach der Höhe des CO2-Fußabdrucks. Abbildung 1 zeigt eine Aufschlüsselung der Emissionen aus dem Produktionsverfahren "Milchkuh" im LfL Klima-Check. Methanemissionen aus der Verdauung machen 35 % und die Futterherstellung 32 % der Gesamt­emissionen aus (beides wird unter dem Punkt Fütterung zusammengefasst). Es folgen Emissionen aus Bestandergänzung (18 %) und Wirtschaftsdünger-Management (11 %).

Screenshot des DB-Verfahrens Milchkuhaltung, Bereich THG-Berechnung

Abbildung 1: Anteile verschiedener Emissionsquellen aus der Treibhausgas-Bewertung des Produktions­verfahrens "Milchkuh" des LfL-Klima-Check-Standardverfahrens
Am Ende der Auswertung steht nicht ein einzelner CO2-Fußabdruck, denn es gibt verschiedene Möglichkeiten, die THG-Emissionen aufzuteilen. Im LfL Klima-Check wird die Zuteilung auf Milch und Rindfleisch anhand zweier Berechnungsmethoden vorgenommen (Abbildung 2). Zum einen nach dem Berechnungs­standard der International Dairy Federation, der sich am Energieeinsatz orientiert (IDF, 2022). Zum anderen mittels ökonomischer Allokation. Hierbei werden die THG-Emissionen nach Umsatzanteilen auf Milch- und Fleischproduktion verteilt. Ein Vorteil der ökonomischen Allokation besteht darin, dass zumindest ansatzweise die höhere Ausmastfähigkeit von Zweinutzungsrindern berücksichtigt werden kann. Da diese höhere Preise erzielen, wird ihnen somit auch ein höherer Anteil der CO2-Emissionen zugewiesen.

Screenshot des DB-Verfahrens Milchkuhhaltung, Bereich THG-Berechnung

Abbildung 2: Ergebnisse der THG-Bewertung im Milchkuh-Standardverfahren des LfL Klima-Checks

Was kann ich tun?

Mit der THG-Bilanzierung allein ist für den Klimaschutz noch nichts gewonnen. Allerdings geben die ermittelten Emissionsquellen Auskunft über mögliche Hebel zur Reduktion von THG-Emissionen. Somit können aus der THG-Bilanz passende Klimaschutzmaßnahmen abgeleitet werden.
Welche Klimaschutzmaßnahmen lassen sich nun zur Reduzierung der THG-Emissionen umsetzen? Einen ersten Überblick gibt Auflistung 1.
Auflistung 1: Einordnung verschiedener Klimaschutzmaßnahmen (Zehetmeier, M. & Spiekers, H., 2022)
EmissionsquelleHebelÖkonomikHerausforderungen
FutterbauDüngung, Arbeitserledigung, Weide, Verluste+++Beratung, Logistik, Datenverfügbarkeit, Digitalisierung
FutteraufwandEnergieeffizienz, Controlling, …++Technik, Beratung, Digitalisierung
Rucksack der ZukaufsfuttermittelFuttermittel als Reststoffe der Lebensmittelindustrie+-Logistik, Deklaration, Verfügbarkeit
Tier: Lebendmasse, BestandsergänzungNutzungsdauer und Erstkalbealter+++Beratung, anderer Stellenwert bei Zweinutzungsrasse
Methanemissionen aus der WD-LagerungLagersystem, unmittelbare Vergärung in Biogasanlage+-Logistik, Kosten
Methan aus der VerdauungMilch- und Fleischleistung je Lebenstag++Beratung, Zuchtziele
Methan aus der VerdauungFutterzusammensetzung: Fett etc.+-physiologische Grenzen
Methan aus der VerdauungFutterzusatzstoffe--Kosten, Wirkung auf Dauer, Akzeptanz, Nebenwirkungen

Welchen Effekt hat die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen?

Nach der Identifikation passender Klimaschutzmaßnahmen stellt sich die Frage, welchen Effekt die Umsetzung dieser Maßnahmen auf den Betrieb, auf die THG-Bilanz und auf die Ökonomie hat.
Säulendiagramm: Die Variante "Standard" erzeugt 1,24 und die Variante "Klimaschonend" 1,00 kg CO2-Äquivalente je kg Milch (FPCM).Zoombild vorhanden

Abbildung 3: Modellierung der Effekte von Klima­schutz­maß­nahmen auf THG-Emissionen und Deckungs­beitrag (berech­net mit dem LfL- Klima-Check-Tool am 22.01.2023)

In einer Beispielrechnung wurden dafür bei gleichbleibender Milchleistung verschiedene Klimaschutz­maßnahmen modelliert (Tabelle 1). Der Effekt auf den CO2-Fußabdruck und den Deckungsbeitrag pro kg Milch lässt sich in Abbildung 3 ablesen. Deutlich wird, dass Klimaschutz sich durchaus rechnen kann, insbesondere wenn Betriebsmittel effizienter genutzt werden. Der Deckungsbeitrag steigt von 25,1 Cent je kg Milch im Standardverfahren auf 26,4 Cent je kg Milch im klimaschonenden Verfahren – während der CO2-Fußabdruck von 1,24 kg CO2-Äq. je kg energie- und eiweißkorrigierte Milch (FPCM) auf 1,00 kg CO2-Äq. je kg FPCM sinkt.
Tabelle 1: Modellierung von Maßnahmen zur Reduktion von THG-Emissionen
ParameterStandardKlimaschonend
Remontierungsrate in %30,125,0
Verkaufte Milch in kg/Kuh u. Jahr80328032
Zuschlagsfaktor Fütterung in %5,892,00
Anteil heimisches Eiweißfuttermittel in %0100
Grassilage Qualität in MJ NEL/kg TM6,046,65
WD-Lagerung % Vergärung in Biogasanlage (Endlager gasdicht)090
Deckungsbeitrag in Cent je kg Milch25,126,4
CO2-Fußabdruck in CO2-Äq. je kg FPCM1,241,00

Fazit und Ausblick

Landwirte erhalten mit dem Online-Tool die Möglichkeit, durch eine gemeinsame Auswertung der Ökonomie und der THG-Emissionen beide Bewertungsansätze miteinander zu verknüpfen. Im bestmöglichen Fall können sie Maßnahmen identifizieren, die eine Senkung der THG-Emissionen bewirken und gleichzeitig die variablen Kosten senken. Es sollte allerdings bedacht werden: Eine THG-Bilanz stellt nur einen Teil einer vollständigen Ökobilanz dar. Um die Zukunftsfähigkeit land­wirtschaft­licher Betriebssysteme sicherzustellen, bedarf es eines gesamt­betrieblichen Ansatzes unter Einbeziehung weiterer Indikatoren aus den Bereichen Umwelt, Ökonomie und Soziales.

Literaturverzeichnis
  • IDB (2023): LfL Deckungsbeiträge und Kalkulationsdaten – Internet-Deckungsbeitragsrechner, Anwendung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), zuletzt aufgerufen am 22.01.2023, von: https://www.stmelf.bayern.de/idb/
  • International Dairy Federation (2022): The IDF global Carbon Footprint standard for the dairy sector (Bulletin of the IDF n° 520/2022). https://doi.org/10.56169/FKRK7166
  • Zehetmeier, M., Reindl, A. (2022): Klimaschutz in der Milchviehhaltung – Vom CO2-Fußabdruck zur umfassenden Bewertung von Minderungsmaßnahmen. Vortrag im Rahmen der Milch­wissenschaft­lichen Herbsttagung. Freising. 14.10.2022
  • Zehetmeier, M., Spiekers, H. (2022): Vortrag im Rahmen des virtuellen Workshops "Klimafreundliche Rinderhaltung" der Deutschen Agrarforschungsallianz am 02.03.2022

Ansprechpartner
Vanessa Karger, Anton Reindl, Monika Zehetmeier
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
Institut für Agrarökonomie
Menzinger Straße 54, 80638 München
Tel.: 08161 8640-1111
E-Mail: klima.check@LfL.bayern.de

Vanessa Karger, LfL-IBA

Vanessa Karger

Anton Reindl, LfL-IBA

Anton Reindl

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