Solidarische Landwirtschaft – für ein gewinnbringendes und nachhaltiges Miteinander

Kartoffelernte auf dem AckerZoombild vorhanden

Foto: StMELF

Bei der solidarischen Landwirtschaft (Solawi) schließen sich landwirtschaftliche Betriebe oder Gärtnereien mit einer Gruppe von Verbrauchern zu einer Wirtschaftsgemeinschaft zusammen. Die Verbraucher bezahlen den landwirtschaftlichen Betrieb im Voraus dafür, dass er für sie Lebensmittel erzeugt. Im Gegenzug erhalten die Mitglieder neben dem anteiligen Ernteertrag die Möglichkeit, die Produktpalette, die Anbaumethoden und die Arbeitsverhältnisse auf dem Betrieb aktiv mitzugestalten.

Risiken, Verantwortung und Nutzen der Landwirtschaft teilen

Die Vorteile einer Solawi für den landwirtschaftlichen Betrieb liegen vor allem in der Planungssicherheit und der Risikostreuung des Ernteerfolgs auf die Ernteteiler, aber auch in der Wertschätzung der Ernteteiler, die sich in einer fairen Entlohnung des Landwirts wiederspiegelt. Darüber hinaus sind die erforderlichen Investitionskosten gering, was die Solawi auch für Neueinsteiger interessant macht. Die Verbraucher werden durch ihre aktive Teilhabe zu "Prosumenten", erhalten hochwertige, saisonale und regionale Nahrungsmittel, erfahren im direkten Austausch mit dem Erzeuger mehr über die Möglichkeiten und Grenzen der Landwirtschaft und lernen damit ihre Lebensmittel ganz neu zu schätzen. Die regionalen Wertschöpfungsketten tragen darüber hinaus zur Entwicklung und Stärkung des ländlichen Raums bei. Durch eine exakte Planung und eine gesteigerte Wertschätzung seitens der Verbraucher kann der Lebensmittelverschwendung entgegengewirkt werden. Letztendlich haben Solawis den Aufbau und Erhalt einer gesunden und überlebensfähigen bäuerlichen Landwirtschaft zum Ziel und stellen sich somit dem fragwürdigen Trend "maximaler Ertrag zu möglichst günstigen Preisen" aktiv entgegen.
Gewöhnlich übernimmt der Landwirt bzw. der Gärtner einen Großteil der Arbeit auf dem Feld, die gelegentliche Mithilfe der Mitglieder, beispielsweise zu Arbeitsspitzen oder bei der Verteilung der Lebensmittel, ist aber meist üblich oder auf freiwilliger Basis möglich. Das Produktsortiment der Solawis ist vielfältig, oft werden über das Jahr verteilt rund 50 verschiedene Kulturen angebaut. Neben Obst und Gemüse bieten einige Solawis ihren Ernteteilern in Form von Betriebskooperationen mit zusätzlichen Lebensmitteln wie Milchprodukten, Brot, Eiern oder Fleisch nahezu ein Vollsortiment.

Gegenseitiges Vertrauen, faire Preise, Transparenz und Gemeinwohlorientierung

Kartoffeln in Verbraucher-HändenZoombild vorhanden

Foto: StMELF

Im Gegensatz zu Abo-Kisten finanzieren die Mitglieder bei einer Solawi nicht die Lebensmittel, sondern deren Produktionskosten, die für ein gesamtes Wirtschaftsjahr im Voraus prognostiziert werden. Die Beiträge werden gewöhnlich monatlich entrichtet. Oft wird das Solidarprinzip auch auf die Aufteilung der Kosten angewendet. Durch eine Staffelung der Beiträge oder den Einsatz eines offenen Bieterverfahrens wird einkommensschwächeren Familien ebenfalls der Zugang zu hochwertigen und regionalen Lebensmitteln ermöglicht. Nach der Abschätzung der gesamten laufenden Kosten des landwirtschaftlichen Betriebs für das Folgejahr können bei den jährlichen Bieterrunden die Mitglieder anonym angeben, wie viel sie für die benötigten Lebensmittel bezahlen wollen und können. Sollte im Rahmen der ersten Bieterrunde nicht genügend Geld zusammenkosten, um die anfallenden Kosten zu decken, geht das Bieterverfahren in die nächste Runde.

Solawi – kein neues Konzept

Die solidarische Landwirtschaft als eine Form der Direktvermarktung ist nicht neu, auch wenn die Bewegung in Deutschland erst seit etwa 2010 an Aufwind gewonnen hat. Bereits in den 1970er Jahren entwickelte sich das Konzept der Partnerschaftshöfe ("Teikei"-System) in Japan und in den 1980er Jahren in den USA unabhängig davon die "Community Supported Agriculture" (CSA). 1978 wurde in der Nähe von Genf mit "Les Jardins de Cacagne" der erste CSA-Betrieb in Europa gegründet. Heute sind in Deutschland beim Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e. V 302 Solawis registriert (davon 45 in Bayern), weitere 72 Solawis (davon 11 in Bayern) befinden sich derzeit in Gründung (Stand: 22.10.2020).

Planbare und sichere Perspektiven auch für kleine Betriebe

Die Solawi kann eine Einkommensalternative für kleine Familienbetriebe darstellen, da sie ein sicheres Einkommen und eine neue Unabhängigkeit von Marktschwankungen ermöglicht.

Will ein landwirtschaftlicher Betrieb eine Solawi gründen, sind u. a. folgende Gesichtspunkte zu beachten:

  • Als zentrale Voraussetzung sollte Freude am Umgang mit Menschen und Offenheit für die aktive Teilhabe der Ernteteiler an der landwirtschaftlichen Produktion vorhanden sein.
  • Es gilt zu Beginn des Vorhabens interessierte Verbraucher für das Projekt zu gewinnen, z. B. durch Informationsveranstaltungen oder über Anzeigen in der lokalen Presse.
  • Viele Hofgemeinschaften wirtschaften ökologisch, eine ökologische Bewirtschaftung ist aber keine zwingende Voraussetzung für die Gründung einer Solawi.
  • Es gilt eine Vielzahl an rechtlichen und organisatorischen Fragen zu klären (häufig gewählte Rechtsformen für Solawis: gemeinnützige Genossenschaft oder eingetragener Verein).
  • Je Ernteteiler ist mit rund 80 m2 Flächenbedarf zu rechnen, ggf. für Gewächshaus oder Folientunnel zusätzlich 10 m2 pro Ernteteiler.
  • Gerade zu Beginn sollte der Landwirt seine Solawi nicht zu groß anlegen (max. 70 Ernteteilern im ersten Jahr), ggf. kann mit Wartelisten gearbeitet werden.
  • Die Betriebsführungskosten des landwirtschaftlichen Betriebs sind den Mitgliedern offenzulegen, die entsprechenden Beitragsleistungen der Ernteteiler sind jedes Jahr neu zu ermitteln. Als Richtwert gilt: mit ca. 120 Ernteteilern sollte eine Voll-AK bezahlt werden können; bei gemüsebetonter Versorgung sind im Schnitt 60-100 Euro/Monat und Ernteteiler, bei Vollversorgung rund 180 Euro/Monat und Ernteteiler anzusetzen. Besonders zu Beginn sollten die Kosten für die Ernteteile nicht zu niedrig kalkuliert werden um zum einen die Arbeitszeit des Landwirts fair zu entlohnen und zum anderen nicht bereits nach kurzer Zeit eine Preiserhöhung durchführen zu müssen.
  • Für die Verteilung der Lebensmittel an die Ernteteiler gibt es verschiedene Ansätze. In der Regel werden 1-2-mal pro Woche Lebensmittel verteilt, beispielsweise über private oder öffentliche Depots. Hier können die Ernteteiler die Lebensmittel, die ihnen gemäß ihrer Anteile zustehen, selbst zusammenstellen oder in Form von vorgepackten Kisten abholen. Einige Solawis bieten ihren Ernteteilern auch einen Lieferservice an.
  • Die Solawi lebt vom Austausch, der Kommunikation und Teilhabe der Mitglieder. Dazu können beispielsweise Veranstaltungen wie Hoffeste, Führungen, gemeinsame Erntetage oder ein regelmäßig erscheinender Newsletter, der über aktuelle Entwicklungen der Solawi, Probleme wie Schädlingsbefall oder die anstehende Ernte informiert, beitragen.

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Bildnachweis:
Kopfbild, Foto: Warmuth/StMELF