Das Milchjahr 2022
Die veränderte Lage in der Milchproduktion
Foto: Tobias Hase, StMELF
Die Erlöse und Kosten in der Milchviehhaltung sind im Jahr 2022 insgesamt deutlich gestiegen. Durch den im im zweiten Halbjahr stärkeren Milchpreisanstieg konnte für das Gesamtjahr eine sehr gute Wirtschaftlichkeit erreicht werden.
Bereits im zweiten Halbjahr 2021 deutete sich eine nachhaltig positive Entwicklung für den Milchpreis an, die bis zum Jahresende 2022 mit Werten von knapp über 60 Cent/kg Milch anhielt. Auch die Nebenerlöse haben zum Teil deutlich zugelegt, so z. B. die Schlachtkuhpreise von 3 auf zeitweise über 5 Euro/kg. Obwohl auch die Produktionskosten deutlich gestiegen sind, ergab sich im Jahresdurchschnitt eine deutlich höhere Rentabilität in der Milchviehhaltung. Die Buchführungsauswertungen bestätigen diesen Trend: Das Wirtschaftsjahr 2021/22 gehört für die Milchviehhalter zu den Top 3 der letzten zehn Jahre.
Das Milchjahr 2022 – mehr als unerwartet!?
Bereits im zweiten Halbjahr 2021 deutete sich eine nachhaltig positive Entwicklung für den Milchpreis an. Möglichkeiten auf den Exportmärkten, rückläufige Milchkuhbestände in Bayern und Deutschland sowie die Erkenntnis, dass die Grenze des Wachstums durch die Auswirkungen der Klimakrise und Umweltvorgaben in vielen Ländern der Welt erreicht ist, sorgten für anziehende Preise. In diesen "Bullenmarkt" kam dann auch noch der Ukrainekrieg und die weltweite Sorge der Getreide- und Energieknappheit. Das Wort Versorgungssicherheit bekam plötzlich auch in Deutschland wieder eine zumindest für die jüngere Generation unbekannte Aktualität.
Bei den Exportmärkten geht es darum, dass es immer mehr Menschen auf der Welt gibt. Laut "statista" werden es pro Minute 125 Menschen mehr. Dieser Zuwachs und die Entwicklung, dass in Schwellenländern immer mehr Menschen einen höheren Lebensstandard anstreben hat Auswirkungen auf die Nachfrage nach Lebensmitteln.
Ein Milchpreis von 60 Cent je kg Milch zum Jahresende 2022
Das alles hat den Milchpreis im November und Dezember auf über 60 Cent/kg gehoben. Wenn es um die aktuellen Milchpreisrückgänge geht, ist der Ausgangspunkt immer dieses Höchstniveau und nicht der nach vorläufigen Erkenntnissen bei 52,19 Cent/kg liegende Jahresdurchschnitt beim Milchpreis. Obwohl auch die Produktionskosten deutlich gestiegen sind, ergab sich im Jahresdurchschnitt unter dem Strich eine Zunahme bei der Rentabilität in der Milchviehhaltung. Seit Anfang dieses Jahres kommt es nun zu Preisrückgängen, was zur Verunsicherung ebenso beiträgt wie die Diskussionen um „den Umbau der Tierhaltung“.
Abbildung 1 zeigt die außerordentliche Steigerung des Milchpreises des vergangenen Jahres im Vergleich zu den Vorjahren und zum 5-jährigen Jahresmittel. Neben dem Haupterlös Milch sind auch die Nebenerlöse gestiegen, zum Teil aber sehr unterschiedlich, wie an den beiden Erlöspositionen Nutzkälber und Schlachtkühe deutlich wird.
Bei den Nutzkälbern zeigt sich ein Preisanstieg auf 6,65 Euro/kg in der Spitze (Abbildung 2). Allerdings fand seit September schon wieder ein Rückgang statt, obwohl die Bullenpreise vom Trend her wieder zulegen. Der Preistrend im dargestellten Zeitraum ist insgesamt leicht rückläufig.
Eine sehr erfreuliche Entwicklung gab es bei den Schlachtkuhpreisen (Abbildung 3). Eine Steigerung von 3 Euro/kg auf teilweise über 5 Euro/kg führt zu einem insgesamt positiven Trend. Rückläufige Kuhzahlen sind der Hauptgrund für diese Entwicklung.
Abb. 2: Preise für Fleckvieh Nutzkälber
Abb. 3: Preise für Schlachtkühe
Neben den direkten Verkaufserlösen konnte auch der Güllewert von den gestiegenen Düngerkosten profitieren und wuchs im vergangenen Jahr auf 15 Euro/m3 an. Nach Abzug von Ausbringkosten blieben so knapp 10 Euro/m3 übrig.
Die Veränderung bei den Kosten
War auf der Erlösseite noch von den Vorteilen gestiegener Nährstoffkosten die Rede, so sind im Kontext der variablen Kosten die Nachteile zu spüren. Gestiegene Düngerpreise z. B. für Kalkammonsalpeter (Abbildung 4) verteuerten die Futtergewinnung. Die variablen Grobfutterkosten verteuerten sich 2022 im Vergleich zum 5-jährigen Durchschnitt um 3 auf über 10 Cent/kg Milch.
Auch der Diesel hat einen Einfluss auf die Futterkosten und die variablen Kosten allgemein (Abbildung 5).
Abb. 4: Preisentwicklung Kalkammonsalpeter
Abb. 5: Preisentwicklung Diesel
Die Verläufe bei den Kosten zeigen momentan wieder allgemein rückläufige Tendenzen, jedoch auf einem im Vergleich zu früheren Zeiträumen weiterhin erhöhten Niveau und der Trend zur Verteuerung bleibt bestehen.
Die neue Situation der Wirtschaftlichkeit
Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Situation ist ein Blick auf die Entwicklung des Deckungsbeitrags, die Investitions- und Finanzierungskosten sowie, zur Einordnung, auf die vergangenen Buchführungsergebnisse zu werfen.
Rekordergebnisse zum Jahresende 2022 bei Kosten und Erlösen
Abbildung 6 zeigt, dass gegen Ende des Jahres 2022 Rekordergebnisse entstanden. Der Deckungsbeitrag II erreichte einen Rekordwert von 33 Cent/kg und das obwohl auch die variablen Kosten mit 38 Cent/kg einen Höchstwert erreicht hatten.
Bei den Investitionskosten zeichneten sich ebenfalls deutliche Steigerungen ab. Die letzte Auswertung (01.07.2021 – 30.06.2022) der Baukosten ergab eine Summe von 13.142 Euro pro Stallplatz über alle Maßnahmen hinweg. Für den Neubau ohne Jungvieh lag der Betrag bei 12.278 Euro, mit vollem Jungvieh bei 15.660 Euro. Dieser letztgenannte Wert dürfte sich weiter erhöhen (Betonpreise, Arbeitskosten, Inflation allgemein) und sich in Richtung 20.000 Euro erhöhen.
Auch Umbaumaßnahmen als Anpassung an die Haltungsformen der Initiative Tierwohl verteuern sich (Laufhof). Steigende Zinsen (aktuell 4,4 % auf zehn Jahre bei der Rentenbank) verstärken diesen Teuerungstrend. Auch Beiträge, Versicherungen und Pachtkosten steigen weiter an, was sich in den Gewinnen der Buchführungsauswertung schön ablesen lässt.
Das Wirtschaftsjahr 2021/22 gehört zu den Top 3 der letzten zehn Jahre
Die Entwicklung in der Buchführung zeigt, dass das letzte Auswertungsjahr zu den Top 3 der letzten zehn Jahren gehört, was den zeitraumechten Gewinn angeht. Bei der Eigenkapi-talbildung und beim Cash Flow III wird es nur vom Spitzenjahr 2017/2018 übertroffen (Abbildung 7).
Allerdings wäre aufgrund des Milchpreisanstiegs in allen Kennzahlen der Spitzenplatz zu erwarten gewesen, wenn da nicht auch gleichzeitig die Kostensteigerung stattgefunden hätte.
Die Situation ergab, dass die Preissteigerung bei der Milch durch den Kostenanstieg teilweise aufgezehrt wurde. Erst im zweiten Halbjahr 2022 stiegen die Milchpreise stärker als die Kosten, so dass eine sehr gute Wirtschaftlichkeit für das Gesamtjahr entstehen konnte.
Wie geht es weiter?
Dass die Unsicherheit in Bezug auf bestehende Krisen bleibt, ist wohl jedem klar. Italien, Frankreich, Argentinien sind Länder, in denen aktuell extreme Trockenheit und Wassermangel vorherrscht und damit die Klimakrise ihre Aktualität behält. Das wird nicht ohne Folgen auf die Produktion von Nahrungsmitteln bleiben und es ist zu erwarten, dass sich ein ähnliches Bild auch in anderen Ländern zeigen wird.
Der Strukturwandel in der Milchviehhaltung in Bayern wird sich aufgrund vieler bekannter Faktoren weiter beschleunigen, insbesondere, wenn die Rentabilität der Milchproduktion wieder sinkt. Unter der Annahme eines geringfügigen Kostenrückgangs lautet die Prognose für den 50 Kuh-Betrieb in 2023: Produktionsschwelle 35 Cent/kg, Gewinnschwelle bei 48 Cent/kg, wenn die Nebenerlöse gleichbleiben. Das heißt, bei einem Milchpreis von unter 48 Cent/kg machen diese Betriebe Verlust. Dabei streuen die Betriebe untereinander enorm und ein Betrieb dieser Größe mit Neubausituation wird über 50 Cent/kg Milchpreis benötigen, um die Gewinnschwelle erreichen zu können. Bekanntlich ist erst ab diesem Punkt an Eigenkapitalbildung und Faktorentlohnung zu denken.
Ansprechpartner
Bernhard Ippenberger
Institut für Agrarökonomie
Menzinger Str. 54, 80638 München
Tel.: 08161 8640-1208
E-Mail: Agraroekonomie@LfL.bayern.de