9. Produkttag Spargel 2016

Ein Bündel weiße Spargeln und ein Bündel grüne Spargeln umlegt mit Kartoffeln und Zitronen

Gut 90 interessierte Erzeuger, Handels- und Verbandsvertreter sowie Berater diskutierten am 16. Februar 2016 im Landgasthof Vogelsang in Weichering aktuelle Fragen rund um den Spargelanbau und seine Vermarktung.

Bereits zum neunten Mal organisierte das Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte diesen Informationstag zum beliebten Frühlingsgemüse.
Beim bundesweit eingeführten gesetzlichen Mindestlohn gilt derzeit in der Land- und Forstwirtschaft noch eine Ausnahme. Diese läuft in drei Jahren aus. Ab 1. November 2017 liegt die gesetzliche Untergrenze dann bei einheitlich 9,10 Euro. Über die Auswirkungen und die Umsetzung des Mindestlohngesetzes gehen die Meinungen unter den Spargelerzeugern stark auseinander.
Am Vormittag wurde die aktuelle Entwicklung der Konsum- und Verzehrsgewohnheiten sowie Umsetzungsmöglichkeiten für ein effektives (Internet-)Marketing vorgestellt. Eine intensive Beschäftigung mit der Kassenführung und ihren gesetzlichen Anforderungen im Hinblick auf eine Finanzprüfung beendete den Themenblock "Markt".
Am Nachmittag wurde das Spannungsfeld „Mindestlohn“ diskutiert, gesetzliche Rahmenbedingungen sowie Anpassungs- und Optimierungsmöglichkeiten im spargelerzeugenden Betrieb erörtert. Die praktischen Erfahrungen eines Betriebsleiters rundeten diese spannungsgeladene Thematik ab.
Behördenleiter Josef Konrad vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Pfaffenhofen wies bei seiner Begrüßung darauf hin, dass die Anbauflächen im Spargelerzeugungsgebiet Schrobenhausen in den vergangenen 20 Jahren von 200 ha auf 600 ha angestiegen sind. Erstaunlich ist, so Konrad, dass der - nicht zuletzt durch eine Ertragssteigerung bedingte - Spargelmehrertrag auch vom Markt aufgenommen werden konnte. Ob dies auch in Zukunft so bleibt, hängt von vielen Einflussfaktoren ab.

Michael Koch, Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI)
Spargelverbrauch an der Sättigungsgrenze?

Seit Ende 2000 wurden die Spargelertragsflächen konstant ausgeweitet - in Bayern um 86 ha, in Deutschland um 515 ha jährlich. 2014 wurde die höchste deutsche Inlandsproduktion mit einem Spargelertrag von 114.000 t erreicht.
Dieser Trend wurde bislang von einer positiven Konjunkturentwicklung begünstigt. Nachfrager nach Bleichspargel sind vor allem Verbraucher über 50 Jahre. Junge Verbraucher wenden sich zunehmend dem Grünspargel zu, den sie als "Singles" nicht schälen müssen und der vom sogenannten "Snacking-Trend" profitiert. Zukunftige Entwicklungen werden von den Megatrends der kommenden Jahre beeinflusst:
  • Fast Food wird zu Fast Good, gewünscht wird hochwertiges, schnelles Essen ohne qualitative Einbußen, vegan, vegetarisch, regional und saisonal.
  • Gesundheit mit Genuss, Geschmack, Vielfalt und Qualität: Ein bewusster Konsum mit allen Sinnen – weniger aber intensiver.
  • Zukunftsmodell "Flexitarier": Er konsumiert perspektivisch weniger Fleisch, hat Obst und Gemüse prominent auf seinem Speiseplan und fordert einen schonenden Umgang mit Ressourcen.
  • Intelligente Verpackung und transparente Herkunft, d.h. viel Sicht auf das Produkt, kompostierbar, nachhaltig produziert – der Verbraucher will wissen, wo die Ware herkommt und wie sie produziert wurde.
  • Regional bleibt vor Bio!
  • Convenience wird an Bedeutung gewinnen.
"Von diesen Megatrends könnten Wochenmärke zukünftig profitieren" stellte Gemüsemarktexperte Koch abschließend fest.

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Christiane Helm, Glücksgriff Webdesign
Internet – Chance für effektives Marketing

"Etwas in einer Weise zum Verkauf anbieten, dass Käufer dieses Angebot als wünschenswert wahrnehmen" definiert Christiane Helm "Marketing". Eine Vielzahl an Möglichkeiten - von klassischen Printmedien wie die Tageszeitung oder Postwurfsendungen über Funk und Fernsehen bis hin zum Webauftritt mit Onlineshop - stellte die Webdesignerin den interessierten Zuhörern vor. Effizient ist dabei, wer das erzielte Ergebnis und die eingesetzten Mittel in ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis bringt, dabei sollte der Nutzen höher sein als die Kosten. Die größte Chance für effektives Marketing bietet demzufolge das Internet, allerdings erdordert dieses Medium auch laufende Aktualisierungen. Mithilfe sozialer Netzwerke (Facebook) lässt sich der Kundenkreis schnell erweitern. Auch mit E-Mail-Marketing können viele Kunden in kurzer Zeit schnell kostengünstig zu kontaktiert werden.

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Horst-Dieter Riepe, R+K Treuhandgesellschaft mbH
Die neuen Spielregeln zur Kassenführung

Am 1. Januar 2017 soll in Deutschland die Registrierkassenpflicht eingeführt werden. Davon sind in großem Maße auch Direktvermarkter von Spargel betroffen. Lt. Schätzung der EU-Kommission summieren sich Steuerausfälle durch betrügerische Kassenabrechnungen in Deutschland auf 24 Mrd. Euro pro Jahr. Zum 31.12.2016 läuft eine Übergangsregelung für veraltete Kassensysteme aus.

Spätestens ab 01. Januar 2017 müssen elektronische Kassensysteme bestimmte Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten erfüllen:

  • Die Aufbewahrung aller erfassten Einzeldaten
  • in elektronischer Form
  • über den gesamten Aufbewahrungszeitraum und
  • deren Unveränderbarkeit (keine Dokumentation in Excel möglich!)
Im Prüffeld "Kasse" gibt es formelle Mängel (ohne Auswirkung auf die Steuerschuld - wie beispielsweise keine zeitnahen Eintragungen im Kassenbuch oder fehlende Belege über Bankeinzahlungen) und sachliche Mängel (mit Auswirkung auf die Steuerschuld - wie die Nichterfassung von Einnahmen oder Kassenfehlbeträge).
Eine Einzelaufzeichnungspflicht gilt auch bei Bargeschäften, sie wird erfüllt durch eine digitale Einzelaufzeichnung in Gestalt von Kassenauftragszeilen bei Registrierkassen (Waren, Preise, etc.). Auf die Einzelaufzeichnungspflicht kann unter dem Aspekt der Zumutbarkeit verzichtet werden, wenn Ware von geringem Wert und an eine Vielzahl unbekannter Personen veräußert wird. Unter diesen Voraussetzungen kann der Tagesumsatz in einer Summe anhand eines Kassenberichts ermittelt werden.
Bei der Verwendung einer Registrierkasse ist täglich ein Kassenbuch, beim Einsatz einer offenen Ladenkasse ein Kassenbericht zu führen. Im Kassenbuch werden sämtliche Barbewegungen (Einnahmen, Ausgaben, Einlagen, Entnahmen) in zeitlicher Reihenfolge und untereinander ausgezeichnet. Der aktuelle Barbestand der Kasse ist neben jeder Bewegung anzugeben. Der ermittelte Bestand muss jederzeit mit dem tatsächlichen Barbestand übereinstimmen. Beim Kassenbericht erfolgt - ausgehend vom tatsächlichen Kassenbestand bei Kassenschluss, der durch Zählen ermittelt wurde - eine Rückrechnung aller Barbewegungen, bis der Tagesumsatz als Schlussgröße verbleibt.
Abschließend erläuterte der erfahrene Wirtschaftsprüfer formelle Fehler bei der Kassenführung und ihre Folgen sowie den Ablauf einer digitalen Betriebsprüfung. Mittels der "Wunderwaffe IDEA-Prüfsoftware" kann die Finanzverwaltung Manipulationen an Kassendaten mit großer Wahrscheinlichkeit entdecken, so Riepe.

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Spannungsfeld Mindestlohn: Was kommt auf die Praxis zu?

RA Romana Hoffmann, Zentralverband Gartenbau e.V.
Arbeitsrechtliche Herausforderungen in der betrieblichen Praxis

Bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen müssen eine Vielzahl von Rechtsbereichen im Auge behalten werden - vom Arbeitsrecht wie Mindestlohngesetz (MiLoG), Arbeitszeitgesetz, Tarifverträge über Sozialrecht (Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung) und Arbeitsschutzgesetzen bis hin zum Steuerrecht (mit Blick auf Lohnsteuer und Gewährung von Sachbezügen).
Die Justiziarin des Zentralverbandes Gartenbau erklärte wesentliche Punkte des MiLoG und des Mindestentgelttarifvertrags mit allen Ausnahmen und gesetzlichen Aufzeichnungspflichten. Die Regeln zum Mindestlohn bzw. der Mindestentgelttarifvertrag gelten für alle Arbeitsverhältnisse, also auch für geringfügig entlohnte und kurzfristig Beschäftigte, Teilzeitbeschäftigte, mitarbeitende Familienangehörige (MiFa) und Flüchtlinge.
Weitere Stichpunkte waren die Fälligkeit des Mindestlohns sowie die Anrechnung von Kost und Logis. Beispielsurteile von Arbeitsgerichten zum Mindestlohn rundeten den Beitrag ab. Insbesondere wies Frau Hoffmann auf die Notwendigkeit der Schriftform von Arbeitsverträgen und Kündigungen hin. Schriftlich heißt im Arbeitsrecht "in Papierform und unterschrieben", E-Mail oder SMS haben keine Wirkung!

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Jürgen Schulze, UBIGA GmbH
Anpassungs- und Optimierungsmöglichkeiten im Spargelanbau

Als Herausforderungen im Spargelanbau nannte Betriebsberater Schulze u.a. die rasant steigende Lohnentwicklung, den Preisedruck wetterbedingter Einflüsse (kühlere Witterung hat oft höhere Preise zur Folge, dafür ist die Saison aber kürzer), Probleme mit der Vermarktung schlechterer Qualitäten, den Konkurrenzdruck in der Direktvermarktung sowie die immer schwierigere Wasser- und Flächenverfügbarkeit (Nachbauproblematik). Folglich muss der Anbau optimiert und nicht unbedingt maximiert werden.
Mögliche Optimierungsansätze müssen die einzelbetriebliche Situation berücksichtigen, erklärte Schulze. Ansatzmöglichkeiten sieht er v.a. beim Einfluss der Lohnkosten, bei der Produktion und Aufbereitung sowie bei der Vermarktung. Infolge konstant steigender Löhne (Mindestlohngesetz) sollten die Stechkosten pro kg Spargel reduziert werden.
Produktion und Management sieht Schulze als Gesamtkonzept! Optimierungsansätze sind eine Nutzungsdauer der Spargelanlage von etwa 4,5 bis 5 Jahren - sowie die besondere Berücksichtigung von Schlag, Sorte, Entwicklung. Bei der Stangenstärke geht der Trend zu dickerem Spargel. Einflussgrößen sind eine geeignete Sortenwahl, die Nutzungs- und Stechdauer der Anlagen. Der Nachbau von Spargel auf Spargel ist zu vermeiden. Der Trend im Spargelanbau geht zu einem Intensivanbau mit effizienter Modernisierung, professionellem Folienmanagement und Bewässerung. Höhere Hektarerträge bedeuten jedoch - bei gleichem Absatz - eine geringere Anbaufläche. Hilfreich ist eine Anbausplittung in frühe und späte Anlagen zur Sicherstellung der Ertragsfähigkeit der Spargelanlage. Rechtzeitige Ersatzpflanzungen erhöhen die Qualität. Optimierungsvoraussetzung ist in jedem Fall die Kenntnis der Produktionskosten je kg Spargel. Bei Bleichspargel erreicht dieser Wert oftmals 4 Euro, das bedeutet ein Durchschnittspreis von 3,.. Euro ist oft nicht kostendeckend!
"Absetzen kann man alles, aber entscheidend ist dabei das Verkaufen mit ausreichend hohen Preisen", so Schulze, "der Erzeuger muss sich seiner Ware bewusst sein".

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Georg Peter Merlau, Spargelhof Merlau
Betriebsvorstellung unter Berücksichtigung des Mindestlohnes - Erfahrungen und Probleme aus der Praxis

Spargelerzeuger Georg Merlau hat für seinen Betrieb eine Betriebsteilung vorgenommen in Spargelanbau (90 ha Spargel) und Vermarktung (50 % Direktvermarktung). Die Unterscheidung der Marktzweige macht die Kosten in jedem Bereich transparent, so Merlau. Seiner Meinung nach beschleunigt der Mindestlohn nur den Strukturwandel. Zu hinterfragen ist, an welchen Stellen der Wertschöpfungskette der Mindestlohn am meisten durchschlägt, wie sich folglich die variablen Kosten verändern und welche Auswirkung das auf eine kurz- oder langfristige Preisuntergrenze hat. Welche Anlage und welche Arbeitskraft wann ins Defizit geraten, sind dabei wichtige Überlegungen. Wie schnell kann der Erzeuger ggf. reagieren, welcher Preisaufschlag ist notwendig, ist noch Rationalisierungspotential vorhanden? Merlau findet Lösungsansätze in der Steigerung der ha-Erträge von 12 auf 15 t, in der Steigerung der Arbeitsleistung von 12 auf 15 kg je Akh und in der Steigerung des Schnitterlöses auf mindestens 5 Euro pro kg Schnitt über alle Sortierungen. Rationalisierungspotential sieht er für seinen Betrieb in höheren Erträgen mit neuen Sorten und/oder Dichtpflanzung und/oder ggf. auch Topfanlagen, im Einsatz von Erntehilfen sowie in der Verlängerung des Ernterhythmus. Stangen unter einem Durchmesser von 12 mm werden am Betrieb Merlau nicht gerntet.
Umfassende und gegenseitige Information und die Bildung/Nutzung von Netzwerken sind Grundvoraussetzungen. Der Einfluss von Erzeugerverbänden muss stärker werden, derzeit agieren diese zu defensiv, so Merlau. "Wir müssen dem Kunden klar machen, dass der Mindestlohn gesellschaftlich gewünscht war. Folglich brauchen wir auch Preissteigerung beim Endverbraucher und beim Handel".

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Dr. Peter Sutor, LfL
Zusammenfassung und Schlusswort

Zusammenfassend stellte Dr. Peter Sutor von der LfL fest, dass sich der Spargelerzeuger in Zukunft - neben dem LEH und der Direktvermarktung - vermehrt auch mit Außerhausverzehr und Kantinen befassen müsse. Internetmarketing stellt durch die ständig erforderliche Aktualisierung eine Daueraufgabe dar. Ziel ist, den Käufer so weit zu bringen, dass er direkt zum Erzeuger kommt. Das Hineinwachsen in eine Unternehmenskultur bedeutet für viele Spargelerzeuger eine Herausforderung. Dazu gehört u.a. auch die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften und Regelungen.