IEM-Marktsplitter: Allgoiß – regionale Ziegenkitz-Vermarktung im Allgäu am 12. Dezember 2019

Ziegenkopf gezeichnet

Im Februar 2019 startete die LfL - in Zusammenarbeit mit der Öko-Modellregion Oberallgäu Kempten - die Aktion "Allgoiß" mit einer Informationsveranstaltung zum Thema "Ziegenkitz in Bayerns Küchen: regionale Ziegenkitzvermarktung im Allgäu". Interessierte Gastronomen lernten dabei Wissenswertes über die Vorzüge und Verarbeitungsmöglichkeiten von Ziegenfleisch sowie dessen Vermarktung in der Region Allgäu kennen. Während zwei Aktionszeiträumen - an Pfingsten und im Herbst - wurden in den teilnehmenden Gastronomiebetrieben schmackgahte Ziegenfleischgerichte angeboten. Mittlerweile wurde auch ein Rezeptflyer entwickelt, der Verbrauchern die Zubereitung von Ziegenkitzfleisch näherbringt.

Während Ziegenfleisch in anderen Ländern fester Bestandteil der Speisekarte ist, gilt es hierzulande noch als Geheimtipp unter Feinschmeckern oder wird lediglich saisonal nachgefragt. Dabei überzeugt das zarte Fleisch nicht nur geschmacklich mit mildem Aroma, sondern wird auch von gesundheitsbewussten Genießern aufgrund seines geringen Fett- und Cholesteringehaltes geschätzt.

Veranstaltungsinhalte

Ziegenmilchprodukte erfreuen sich in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Die Vermarktung von Ziegenkitzen, die die Milcherzeugung erst ermöglichen, bleibt im Gegensatz dazu eine Herausforderung.
Die Veranstaltung am 12. Dezember 2019 hatte zum Ziel, die mit dem Pilotprojekt in der Öko-Modellregion Oberallgäu Kempten gemachten Erfahrungen einem größeren Publikum zugänglich zu machen, damit auch in anderen Regionen Bayerns eine Verbesserung der Vermarktungssituation geschaffen werden kann.
Mehr als 50 Interessierte aus dem Kreis der landwirtschaftlichen Ziegenhalter, der Metzger und Gastronomen sowie Berater diskutierten über Probleme bei der Erzeugung, Schlachtung und Zerlegung von Ökoziegen, insbesondere von Ziegenkitzen, und mögliche Lösungsansätze.

Marlen Machinek, LfL-Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte und Cornelia Bögel, Öko-Modellregion Oberallgäu Kempten
Vermarktungsaktion im Allgäu

Christina Mack und Marlen Machinek haben von Seiten des Instituts für Ernährungswirtschaft und Märkte I
Im Rahmen des Forschungsprojektes „Analyse der Märkte für ausgewählte Öko-Produkte in Bayern“ wurde vom Instituts für Ernährungswirtschaft und Märkte der LfL das Teilprojekt „Öko-Ziegenkitze“ bearbeitet. Ziel war, die Vermarktung von Bio-Ziegenkitzen wirtschaftlich attraktiver zu gestalten, so dass mehr Ziegenkitze vermarktet werden konnten. Außerdem sollte die Wertschöpfung entlang der gesamten Kette in der Region Oberallgäu-Kempten gestärkt werden. Hilfestellung sollte vor allem im Hinblick auf die Vernetzung der Akteure und die Informationsbereitstellung gegeben werden. Zur Kommunikationsstrategie gehörte die Erstellung eines Werbeflyers, der zum einen das Geschmackserlebnis, die Regionalität und die ökologische Aufzucht herausstellen sollte. Ergänzend dazu soll ein Rezeptflyer den Verbrauchern die Zubereitung erleichtern. Christina Mack und Marlen Machinek arbeiteten dabei eng mit den Projektmanagerinnen der Öko-Modellregion Oberallgäu-Kempten Sarah Diehm und Cornelia Bögel zusammen. Die Öko-Modellregion übernahm die Öffentlichkeitsarbeit vor Ort. Neben Pressemitteilungen zu zwei Aktionszeiträumen an Pfingsten und im Herbst, die in Zusammenarbeit mit heimischen Gastronomiebetrieben veranstaltet wurden, gab es Veröffentlichungen in der Tagespresse, den Gemeindeblättern und auf Online-Plattformen. Eine Veröffentlichung in einer Zeitschrift des lokalen Naturkosteinzelhandels sowie eine Verteilung der Flyer bei Gemeinden, Wochenmärkten und Ferienwohnungsportalen machten das Projekt bekannt. Auch der Stand der Öko-Modellregion auf der Allgäuer Festwoche wurde zur Information der Besucher genutzt. Schließlich erfolgte eine Hofführung und ein Ziegenfleisch-Kochkurs mit einem Naturkostladen in Kempten.

Ausführliche Präsentation: Allgoiß - Vermarktungsaktion im Allgäu pdf 1,4 MB

Johannes Egger, Vogelsanger Ziegenhof
Organisation, Erzeugung und Schlachtung von Öko-Ziegen

Johannes Egger, Betriebsleiter vom „Vogelsanger Ziegenhof“ referierte über die Aufzucht der Kitze: Die Ablammungen finden zwischen Dezember und April statt. Durchschnittlich werden zwei Kitze pro Ziege geboren, die Aufzucht erfolgt mit natürlicher Milch. Im Alter von drei Monaten kommen die Tiere auf die Weide. Die Schlachtung erfolgt im Alter von vier bis sieben Monaten. Fünf Tage vor der Lieferung erfolgt die Bestellung durch die Abnehmer. Es erfolgt eine Lebendbeschau durch den Tierarzt am Hof. Geschlachtet wir bei einer Lohnmetzgerei. Zerlegt wird nach Wunsch der Kunden. Ein bis zwei Tage nach der Schlachtung erfolgen die Abholung mittels Kühlanhänger und der Transport zu den Kunden. Herausforderungen sind die Abschätzung der nachgefragten Kitze, die Vereinbarung der Schlachttermine und die von der Gastronomie geforderte Flexibilität bei der Lieferung.

Ausführliche Präsentation: Öko-Ziegenkitzaufzucht pdf 5,1 MB

Hermann Jakob, Meisterschule für Fleischer in Kulmbach
Ziegenfleisch - Zerlegung, Zuschnitt und Verwendung

Hermann Jakob, Leiter der Meisterschule für Fleischer in Kulmbach, erläuterte, welche Teile des Kitz-Schlachtkörpers genutzt werden können. Aus dem Filet lassen sich Medaillons herstellen oder es kann für ein Fondue genutzt werden. Rücken und Keule eignen sich für Schmoren oder Grillen. Vordere und hintere Kitzhaxen können neben Schmoren und Grillen auch eingelegt werden. Aus den Koteletts werden Chops oder „Tomahawks“ hergestellt. Der Kamm lässt sich als Rollbraten oder zum Füllen nutzen, während aus dem Kitzhals unter anderem auch Irish Stew, Rollbraten oder Ragouts gewonnen werden. Auch Brust und Kitzbauch können als Rippchen, Rollbraten oder für das Füllen verwertet werden. Bei den Reifezeiten spielen Alter und Geschlecht eine wichtige Rolle. Dabei muss natürlich auch die vorgesehene Verwendung berücksichtigt werden. So braucht Fleisch zum Kochen nur kurz reifen, während bei Schmorfleisch und erst recht bei Fleisch zum Kurzbraten wesentlich längere Reifezeiten anzusetzen sind. Reifemethoden sind das Dry-aged-Meat, bei dem der gesamte Schlachtkörper in den Kühlraum gehängt wird, bis das Fleisch ausreichend gereift ist. Bei der Vakuumreifung wird das Fleisch zwei bis drei Tage nach der Schlachtung in die verkaufsfertigen Teilstücke zerlegt und luftdicht in Folie eingezogen. Schließlich kann das verkaufsfertig zugeschnittene Fleisch auch in speziellen stapelbaren Kunststoffbehältnissen gelagert werden.

Ausführliche Präsentation: Ziegenfleisch - Zerlegung, Zuschnitt und Verwendung pdf 1,2 MB

Andreas Kern, Bioland e.V.
Wirtschaftlichkeit und Kosten der Öko-Ziegenkitzaufzucht

Andreas Kern ist Biolandberater für Öko-Ziegenhalter in Süddeutschland. Er stellte zunächst die Vorgaben für die Kitzaufzucht im Öko-Betrieb vor. Die Aufzucht muss mit natürlicher Milch bewerkstelligt werden. Milchaustauscher sind nicht erlaubt. Gefordert wird eine artgerechte Haltung im Laufstall auf Stroh sowie Auslauf oder Weidehaltung. Außerdem müssen ausschließlich Biofuttermittel verwendet werden. Die Futterkosten schlagen mit durchschnittlich 95 Euro pro Kitz zu Buche. Unter Einbeziehung der Verluste, Tierarztkosten, Wasser, Strom, variablen Maschinenkosten und den Transportkosten zur Schlachtstätte ergeben sich rund 27 Euro pro Kitz. Schließlich muss mit Festkosten in Höhe von 20 Euro gerechnet werden. Daraus ergeben sich in der Summe Aufzuchtkosten von 142 Euro pro Kitz. Die Schlachtkosten hängen von den Fleischbeschau-, Schlachtung- und Zerlegungs- sowie Logistikkosten und Kosten für die Abfallentsorgung ab. Hier setzte der Referent 37 Euro an. Aus der Summe der Aufzuchtkosten ergibt sich bei einem Schlachtgewicht von 11 Kilogramm ein Betrag von rund 19 Euro pro kg Schlachtgewicht. Leider bleibt der Verkaufspreis oft darunter. Der für die „Allgoiß“-Aktion angesetzte Angebotspreis in Höhe von 15 Euro ist somit eigentlich nicht kostendeckend.

Ausführliche Präsentation: Wirtschaftlichkeit und Kosten der Öko-Ziegenkitzaufzucht pdf 182 KB

Christoph Eisele, Naturkostladen 'PurNatur' Kempten
Verarbeitung und Verkauf

Christoph Eisele vom Naturkostladen „PurNatur“ berichtete von den Erfahrungen nach einem Jahr Verkauf von Ziegenkitzfleisch. Zunächst wurden erste Erfahrungen im November 2018 durch den Verkauf von Kitzfleisch der Adeleggstiftung Kreuzthal gesammelt. Die Kunden waren zwar interessiert, aber skeptisch. Bei der folgenden Vermarktungsaktion der „Allgoiß“ an Pfingsten 2019 äußerten sich Kunden begeistert über das Projekt. Im Juli 2019 wurde die Produktion eines Eintopfes mit Ziegenfleisch in Glaskonserven in Angriff genommen. Einen Monat später war “PurNatur“ als Aussteller auf der Allgäuer Festwoche mit einem Verkostungsstand präsent. Der angebotene Allgäuer Ziegenschmortopf überzeugte die Besucher, es gab kaum ablehnende Äußerungen. Bei der zweiten Vermarktungsaktion im Herbst 2019 haben sich bereits einige Liebhaber für das Kitzfleisch gefunden.

Ausführliche Präsentation: Verarbeitung und Verkauf pdf 1,0 MB

Johannes Enzler, LfL
Zusammenfassung

Die Aufzucht und Vermarktung von Ziegenkitzfleisch im ökologischen Landbau ist eine echte Herausforderung. Durch die Vorgabe der Aufzucht mit natürlicher Milch - vorzugsweise Muttermilch - entstehen hohe Kosten. Am Markt ist allerdings ein kostendeckender Preis nur schwer durchsetzbar.
Das Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte hat diese Problematik in einem vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten geförderten Projekt aufgegriffen und in Zusammenarbeit mit der Öko-Modellregion Oberallgäu-Kempten eine Initiative für die Vermarktung von Ziegenkitzfleisch über die regionale Gastronomie gestartet. Während zweier Aktionswochen an Pfingsten und im Herbst 2019 konnten ca. 80 Ziegenkitze verkauft werden. Außerdem wird in Kürze ein Rezeptflyer erstellt, damit auch in den Privathaushalten das Premiumprodukt Ziegenkitzfleisch stärker Eingang findet.
Letztlich kann das Projekt einen Anstoß geben, Wertschöpfungsketten für die Vermarktung von Öko-Kitzfleisch aufzubauen und damit vor allem für die Erzeuger eine Zukunftsperspektive für die Öko-Ziegenhaltung zu bieten.

Programmflyer zum Herunterladen